Nr. 1l Die Gleichheit 175 Rußland werden an diesem Tage Kundgebungen für die poli­tische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, für alle Re­formforderungen veranstalten, die die Leiden der proletarischen Frauen mildern und die Kräfte stärken, um für die volle Befreiung durch den Sozialismus zu kämpfen. Die Genossinnen der Ver­ einigten Staaten   von Nordamerika   halten ihren Frauentag dieses Jahr am 19. März ab, statt am letzten Sonntag des Fe­bruar wie seither. Überall sind unsere ausländischen Genossinnen mit Feuereifer daran, den Frauentag gut vorzubereiten. Er soll «ine imposante Bekundung des Willens der erwachten Frauen des arbeitenden Voltes sein, daß sie zu den Pflichten als Bürgerinnen in Gemeinde und Staat auch volle Rechte fordern. Und diese Be­kundung wird in allen Ländern im Zeichen der leuchtenden Zu­kunftshoffnung der Arbeiterklasse stehen, im Zeichen des Sozialis­mus. Aber auch die Genossinnen der Staaten, wo aus dem einen oder anderen Grunde kein Krauentag stattfindet, haben das leb­hafteste Interesse für die Kundgebung. Das beweisen Zuschriften aus England, Italien  , Finnland   und Schweden  . Mit ganzem Herzen empfinden dort die sozialdemokratischen Frauen mit den demonstrierenden Schwestern allerwärts. Der Frauentag trägt einen Strom internationaler Solidaritätsgefühle durch die Welt. Die Jahresversammlung deS sozialdemokratischen Arbeite- rinncnverbaudes der Schweiz  , die. am. Januar im Volkshaus zu Zürich   stattgefunden hat, mußte, wie den Leserinnen be­kannt ist, über Fortbestand oder Auflösung des Verbandes ent­scheiden. Das entsprach einem Austrag der vorjährigen Tagung. Die Frage hat auf der Arbeit und Fortentwicklung des Verbandes gelastet. Der Antrag auf Auflösung ging von einer kleinen, finanziell schwachen Sektion aus, die sich durch den Veitrag an die Zentralorganisation, monatlich 20 Rappen pro Mitglied, be­drückt fühlte. Er hatte die Unterstützung der Genossinnen ge­funden, die die Arbeiterinnenvcreine nach deutschem Muster in der sozialdemokratischen Partei aufgehen lassen möchten. Auch mit finanziellen Schwierigkeiten des Verbandes selbst wurde er be­gründet. Die Gegnerinnen der Auflösung waren grundsätzlich der Verschmelzung des Verbandes mit der Partei nicht etwa abge­neigt, jedoch hielten sie die Umwandlung noch für verfrüht. Teils im Hinblick auf die Zerrissenheit der schweizerischen Parteiverhält­nisse, teils im Hinblick auf die derzeitigen Bedingungen der sozia­ listischen   Frauenbewegung selbst. Die finanziellen Schwierigkeiten ließen sie nicht gelten. Die Jahresabrechnung des Verbandes war nicht ungünstig. Die Einnahmen betrugen im letzten Jahre 32L9,9ti Franken, die Ausgaben 1989,93 Franken, so daß ein Über­schuß von 1279,98 Franken in der Verbandskasse verbleibt. Dazu kam, daß das Statut eine Auflösung erst zuläßt, wenn die Zahl der Sektionen unter drei sinkt. Schwer fiel auch ins Gewicht, daß die Mehrheit der sozialdemokratischen Parteileitung einer Auf­lösung des Verbandes durchaus abgeneigt war. Mit 16 gegen 2 Stimmen bei S Enthaltungen wurde der Fortbcstand des Ar- bciterinnenverbandcs beschlossen. Die Jahresversammlung be­schloß, daß der Frauentag am gleichen Datum wie in Deutsch­ land   und Osterreich   stattfinden soll. In den Versammlungen soll neben dem Frauenwahlrecht besonders die Kranken- und Mutter- schaftSversicherung behandelt werden. Ein Antrag auf Beschickung der dritten Internationalen Frauenkonfercnz in Wien   1914 fand Zustimmung, als Delegierte wurde die Arbeiterinncnsekretärin Genossin H ü n i gewählt. Zum Fabrikgesetz fand diese Resolution Annahme:Der Kongreß des schweizerischen Arbeiterinnenver- bandes vom 2S. Januar 1914 bedauert, daß der Nationalrat bei der Beratung des Fabrikgcsctzes den Jugcndlichcnschutz nur für die Mädchen ausgedehnt hat. Er gibt dem lebhaften Wunsche Aus­druck, daß die Räte in den Schlußverhandlungen die Altcrsschutz- llrenze auch für den jugendlichen männlichen Arbeiter auf das zurückgelegte fünfzehnte Lebensjahr erhöhen." Dem abtretenden Zentralvorstand des Verbandes wurde für die geleistete Arbeit herzlicher Dank ausgesprochen, ebenso dem Genossen Greulich, der die Arbeiterinnenbewegung tatkräftig zu fördern bemüht ist. An der Jahresversammlung nahmen 24 Delegierte aus 14 Sektionen und viele Gäste teil. Der Sitz des Zentralvor­standes ist von Basel   nach Zürich   verlegt worden. Es wird im neuen Tätigkeitsjahr genug Arbeit geben. Unter anderem wird es Aufgabe des Vorstandes sein, den Anschluß der im letzten Jahre entstandenen Arbeiterinnenvercine an den Verband herbeizu- inhren. Mag die von der Jahresversammlung geschaffene Klärung und Einheit die Verbandsarbcit kräftig vorwärtstrciben. L. Lt. Frauenstimmrecht. DaS Urteil zweier Minister über die Wirkung deS poli­tischen FrauenwahlrechtS in Norwegen  . Englische Pokt.ker haben sich im letzten Jahr mit dem Ersuchen um Auskunft über die Ersahrungen mit dem politischen Frauenstimmrecht nach Nor­ wegen   gewendet. In Norwegen   wurde 1907 den Frauen ein be­schränktes Wahlrecht zu dem Parlament zuerkannt. Ungefähr die Hälfte der wahlrcchtsmündigcn Norwegerinnen erhielten das aktive und passive Wahlrecht. Norwegen   hat der Weltliteratur Ibsen   und Björnson gegeben, dazu«ine stattliche Reihe anderer hervorragen­der Dichter. Es hat angeschene Maler, Musiker und Gelehrte, kühne Forschungsreisend«. Die Kultur des Landes kann sich sehen lassen. Sehr viele norwegische Bauern stehen an Bildung nicht nur über den Landarbeitern in Ostelbiens Gefilden, sondern auch über den Herren von und zu, die über die modernen Hörigen die Stall­peitsche schwingen. Welche Auskunft erhielten nun die engtischen Politiker? Der norwegische Ministerpräsident Guar Knuds en antwortete was folgt:Die Frauen haben in unserem Lande bei zwei politischen Wahlen das Stimmrecht ausgeübt und haben in wachsender Zahl an den Wahlen teilgenommen. Die Erfahrungen, die wir machen konnten, sind durchaus befriedigende, und alle Par­teien Norwegens   haben sich überzeugt, daß die Reform ein Akt der Gerechtigkeit war, obwohl die konservative Partei ihr früher er­heblichen Widerstand entgegensetzte." Der Minister Gastberg antwortete:Das Frauenstimmrecht hat sich außerordentlich bewährt, es hat in der Politik unseres Landes die ethischen Forderungen gestärkt und ist allen politischen Parteien in gleichem Maße zugute gekommen. Es hat dagegen keineswegs die nationale und politische Kraft unseres öffentlichen Lebens verweichlicht. Keine Fraktion unseres Volkes wünscht das Frauenstimmrccht wieder abgeschafft, im Gegenteil erstreben alle Parteien, die Konservativen und die Liberalen jawohl wie die Ra­dikalen und Demokraten, in ihrem Programm die Erweiterung des Stimmrechts von dem jetzigen beschränkten auf alle Frauen. Dieses wird auch binnen kurzer Zeit geschehen." Die Prophezeiung des Ministers hat sich bald erfüllt. Am 11. Juni 1913 beschlossen die norwegischen Gesetzgeber, das be­schränkte Frauenwahlrecht zum allgemeinen Frauenwahlrccht zu erweitern. Der Beschluß ist der beste Beweis, daß sich das Frauen­wahlrecht bewährt hat. Bon den deutfctien Fravenstimmrrckitlerinncn. Als wir nach der letzten Generalversammlung desDeutschen Verbandes für Frauenstimmrccht" die Behauptung aufstellten, daß in dieser Or­ganisation eine Mehrheit für das allgemeine, gleiche Wahlrecht nicht mehr vorhanden sei, ist man über uns hergefallen. Man warf uns vor, wir legten die Abstimmungsergebnisse in einem Sinne aus, der den Tatsachen nicht entspreche. Die Stimmrecht­lerinnen wollten nicht zugeben, daß die wirkliche Meinung der Mitglieder bei der Abstimmung keinen Ausdruck gefunden habe. Obwohl diejenigen, die offen gegen die Aufrechterhaltung der alten Satzung geredet und gestimmt hatten, weiter im Deutschen  Verband bleiben dursten, hieß es:Wir stehen fest zum allge­meinen, gleichen Wahlrecht." Wir hatten darüber unsere eigenen Gedanken. Gemeinsam mit den Gegnern des demokratischen Wahlrechts für eben dieses Wahl­recht eintreten wollen, das ist und bleibt ein Unsinn. Eine Orga­nisation, die auf Reinlichkeit hält, muß die Mitglieder hinaus­weisen, die nicht auf dem Boden der Satzung stehen, oder sie kommt in den Verdacht, daß sie es mit ihren eigenen Grund­sätzen nicht genau nimmt und ein doppeltes Spiel spielt. Hätten wir noch einen Beweis für die Unaufrichtigkcit des Deutschen Ver­bandes für Frauenstimmrecht gebraucht, so würde er uns jetzt durch das Blatt dieser Organisation geliefert, durch die von Adele Schreiber-Krieger   redigierte ZeitschriftFrauen- st im in recht". In dem Februarheft findet sich ein Artikel von E. Nägeli- Mainz  :Solidarität der Frauen in der Stimm­rechtsbewegung." Er erörtert noch einmal die alte Streitsrage: Soll der Frauenstimmrcchtsverband das allgemeine, gleiche Wahl­recht als Grundlage haben oder soll er für die Frauen nur die Übertragung der Rechte verlangen, die die Männer jeweilig be­sitzen. Frau Nägeli gehört zu den Stimmrechtlerinnen, die ziem­lich bald nach dem Entstehen derDeutschen Vereinigung für Frauenstimmrecht" eine Verschmelzung der beiden Stimmrechts­organisationen befürworteten und zu diesem Zwecke das Fallen­lassen der demokratischen Wahlrechtsforderung wünschten. Sie ist von diesem Standpunkt nicht abgegangen, sie ist dieNichts-als- Frauenrechtlerin" geblieben, die sie war. und sieht in der for­mellen Gleichberechtigung mit dem Manne ihr höchstes Ideal.