Nr. 12

H

24. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart  4. März 1914

Unser Tag, unsere Woche. Genossin Luxemburg   verurteilt. Auch Rußland   wird einen Frauentag haben. Von Alexandra Kollontay  . Vom Frauenstimmrecht in Schweden  . Von Anna Lindhagen  . Luise Aston  . Von Anna Blos  . Um die Mitarbeit der Frauen in der Berliner   Armendirektion. Von M. W. Frauenforderungen im Klassenparlament. Von M. Kt. Für das Frauenwahlrecht. Rede des Abgeordneten Genossen Dr. Cohn.( Schluß.)- Frauen­tag. Eine Erinnerung. Von M. H.

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Aus der Bewegung: Die erste Frauenkonferenz für den Bezirk Leipzig  . Frauenkonferenz für den Bezirk Nordwest. Eine Entgegnung auf den Bericht über die Frauenversammlung in München  . Der Entgegnung zur Antwort. Politische Rundschau. Von H. B. Gewerkschaftliche Rundschau. Arbeitslosenzählung im Deutschen  Textilarbeiterverband. Von sk. Wichtige Anträge im Deutschen  Holzarbeiterverband. Von fk.

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Notizenteil: Dienstbotenfrage.- Arbeitslosigkeit der weiblichen Er­werbstätigen. Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Frauenstimmrecht. Frauenbewegung. Die Frau in öffent­lichen Ämtern. Verschiedenes.

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Unser Tag, unsere Woche.

Der sozialdemokratische Frauentag ist aus einer tiefen Not und einer starken Hoffnung geboren worden. Diese Not drückt alle Frauen, deren Geschick das ausbeutende Kapital in der harten Faust hält. Diese Hoffnung belebt alle Proletarie­rinnen, die gegen die Ausbeutungsgewalt kämpfen und wissen, daß deren Herrschaft nicht ewig währen kann und darf. Not und Hoffnung bewegen die Herzen der denkenden Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen aller Staaten, darinnen der tote Besitz den lebendigen Menschen knechtet und ver­zehrt. Wie in jedem einzelnen Lande die sozialistischen   Prole­tarierinnen mit ihren Brüdern eins sind in dem Wissen und Wollen, daß es anders werden muß, so haben sie sich mit ihren Schwestern jenseits der Grenzpfähle in Er­fenntnis und Ziel zusammengeschart. Fest ist in ihrer Seele die überzeugung gewurzelt: Ein Feind nur ist es, den wir alle hassen, und eine Freiheit macht uns alle frei!" Deshalb kämpft die sozialistische Fraueninternationale einmütig und mit steigendem Nachdruck für die volle politische Gleich berechtigung des weiblichen Geschlechts. Diese gibt eine Waffe mehr, und zwar eine vorzügliche Waffe, zur Niederzwingung des gemeinsamen Feindes in die Hand der Proletarierinnen. Die wirtschaftlichen und politischen Dinge der Zeit sind eine einzige große Lehre dafür, wie unerläßlich es ist, daß die ar­beitenden Frauen zu gleichberechtigten Staatsbürgerinnen werden, auf daß sie wehrtüchtige Rämpferinnen gegen die Greuel des Kapitalismus und seine Herrschaft sein können.

Der Kapitalismus hat sich gewaltig gestreckt und gereckt, er ist aus den alten befestigten Siten seiner Herrschaft in neue Gebiete eingebrochen. In golddürstiger Gier hat er sich auf den schwarzen Erdteil gestürzt, hat er in der Türkei   und Kleinasien  , in China   und Persien   Beute gesucht. In dem Schatten seiner Macht konnte weder das Glück Wilder und Halbwilder noch die Wohlfahrt der einheimischen Völker ge­deihen. Die barbarischen Untaten des italienischen Tripolis­

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin  ( Zundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

zugs und der beiden Balkankriege haben gen Himmel ge­schrien. Wiederholt hat nur Haaresbreite gefehlt, und der Marokkoskandal, die Wirren um das türkische Erbe hätten Deutsche  , Franzosen   und Engländer zu mörderischem Ringen gegeneinander getrieben und die ganze Welt in Flammen gesetzt. Das Profit- und Herrschaftsgelüfte der Besitzenden und Ausbeutenden hat die Kriegsgefahr zu einer ständigen Drohung gemacht.

Die Rüstungen fressen das Gut und Blut des werftätigen Bolkes; es gebricht dagegen an Mitteln für gesunde Woh­nungen, für Schulen und andere Bildungseinrichtungen, für Mutter- und Säuglingsschuß, für Kranken- und Altersver­sorgung. Mit der märchenhaften Fülle steigt der Preis der Lebensgüter, die Teuerung nimmt der Arbeiterfamilie das Brot vom Tische. Mit Brutalität und Tücke suchen die organi­sierten Unternehmer jeden Vorstoß der vereinigten Ausge­beuteten für eine Milderung ihrer Fron und einen größeren Anteil an der Frucht ihres Mühens niederzuschlagen, wehren sie sich dagegen, die Peitschenhiebe der Ausbeutung durch die Salbe wirksamer sozialer Reformen zu heilen. Ihre poli­tischen Schußtruppen in den Regierungen und Parlamenten sind bedacht, die Koalitionsfreiheit der Arbeiterklasse zu meucheln. In Deutschland  , in Ungarn  , noch in anderen Län­dern setzen sie der Demokratisierung des Wahlrechts den zähesten Widerstand entgegen. Die Krise füllt die Obdach­losenasyle und fegt aus Hunderttausenden von Familien die lezten bescheidenen Reste einer sicheren und auskömmlichen Existenz fort.

Und all dieses öffentliche Geschehen zieht seine Fäden zu einem engen Neß auch um das Leben der Arbeiterin, der Arbeiterfrau in Deutschland   zusammen. Ihr Leben zappelt darin wie eine Fliege, der die Spinne das letzte Tröpfchen Saft aussaugt. Was in Wirtschaft und Politik auf der großen Gesellschaftsbühne sich abspielt, dafür muß die Proletarierin mit vermehrtem Hunger und Kummer zahlen. Ihre Arbeits­last beim Erwerb und im Haushalt wird dadurch drückender, fie ist Zeuge, wie der Mann sich schwerer quält, wie das Kind verwelft, der Jugendlust, der Liebe und Pflege beraubt. Ist es da nicht heilige Pflicht der deutschen Proletarierinnen, sich in hellen Haufen zum Kampfe zu stellen, um den übeln des Kapitalismus   Halt zu gebieten, um den Kapitalismus selbst zu überwinden? Ist es nicht minder ihre Pflicht, sich für diesen Kampf zu rüsten und zu schulen? Deshalb heraus mit dem Wahlrecht, auf das niemand in der Gesellschaft mehr Anspruch hat als die Millionen erwerbstätiger Frauen und sorgender Mütter. Es soll erobert werden, und wenn es mit Ketten an junkerlich- kapitalistische Truzburgen wie das preußische Dreiklassenwahlrecht geschlossen wäre!

Der vierte sozialdemokratische Frauentag muß zeigen, daß gerade in Deutschland   das Heer der Proletarierinnen an­schwillt, die ihre politische Mündigkeitserklärung, die volles Bürgerrecht fordern, weil sie in der kapitalistischen   Ordnung ihren Todfeind, den Todfeind ihrer Klasse bekämpfen wollen. Und er wird noch ein anderes erweisen: daß die Proletarie­