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Die Gleichheit
perschaften wurden Frauen unserer Partei gewählt, wie zum Beispiel in die Schul- und Armenpflegekommissionen. In die Ausschüsse beziehungsweise Amter, die über die Buerkennung bon Altersrenten und ihre Höhe zu entscheiden haben eine neue Einrichtung, find nach dem, was bis jetzt bekannt geworden ist, 24 sozialdemokratische Frauen als ordentliche Mitglieder und 12 als Ersatpersonen gewählt worden.
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Wir alle, die wir für das Bürgerrecht des weiblichen Geschlechts arbeiten, wünschen und hoffen von ganzer Seele, unsere Forderung möchte so bald als möglich erfüllt werden. Bunächst damit die Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft würde, daß die Frau eine Bürgerin zweiter Ordnung ist. Dann aber auch, damit die Kräfte frei werden, die jetzt auf die Eroberung vollen Bürgerrechts für das Weib gerichtet sind. Wir ersehnen das, weil diese Kräfte ganz und gar in den Kampf für eine neue Gesellschaftsordnung eingesetzt werden sollen. Den deutschen Genossinnen, den Genofsinnen aller Länder, die für das Frauenwahlrecht, den Sozialismus demonstrieren, senden wir herzliche Wünsche für den Erfolg. Wir wissen uns eins mit ihnen allen, die der sozialistischen Zukunft dienen. Mit sozialdemokratischem Gruß
Der Arbeitsausschuß
An dem Frauentag werden nicht nur in Deutschland , sondern auch in Österreich , der Schweiz und anderen Ländern viele Tausende von Proletarierinnen zusammentreten, um Zeugnis dafür abzugeben, daß sie in geschlossenen Reihen den Kampf um Freiheit, um Gerechtigkeit für die ganze Menschheit aufnehmen. Gern wandern da unsere Gedanken zurück zu den Zeiten, in denen sich Ansätze der großen Freiheitsbewegung zeigen. Wir denken auch besonders der Frauen, die mit dazu beigetragen haben, uns durch das Dornengestrüppe von Lästerungen und Verfolgungen den Weg zu bahnen zu unseren großen Zielen. Sie sind Pfadfinderinnen und Vorfämpferinnen in einer Zeit gewesen, da die Frauen noch entrechteter, noch bedrückter waren als heute. Zu den Frauen, die ein Lorbeerblatt der Erinnerung verdienen, gehört auch Luise Aston . Schon früh hat sie die gähnende Kluft zwischen den Besitzenden und den Befitlosen erkannt und ist in Deutsch land als entschiedenste und bedeutendste Vorfämpferin ihrer Zeit für die völlige Gleichberechtigung der Geschlechter eingetreten. Luise Aston war eine der Frauen, die sich voller Begeisterung den Bestrebungen für Freiheit und Menschenrechte in der gärenden Zeit anschlossen, die der Revolution von 1848 boranging. Sie hatte den für ihre Tage ungeheuer kühnen Schritt getan, sich von einem reichen, ihr aufgezwungenen Gatten zu trennen. Als junge geschiedene Frau kam sie nach Berlin . Nach ihren eigenen Worten rettete sie die Heiligkeit der Ehe, indem sie dieselbe zerriß". Denn Ehe ohne Liebe erschien ihr schlimmer als Prostitution. Luise Aston fand sich bald heimisch unter den revolutionären Geistern jener Zeit, und schon ihr Verkehr machte sie den Behörden verdächtig, die ja jeden Staatsbürger dreifach siebten, ehe er ihnen einwandfrei erschien: christlich, politisch und bureaukratisch. In den Rahmen philiströser Tugend paßte Luise Aston nicht. Sie beschäftigte sich eifrig mit dem Studium der großen Denker und Dichter ihres Jahrhunderts und scheute sich nicht, die Ergebnisse dieser Studien schriftlich und mündlich bekanntzumachen. Sie trat für die Armen und Entrechteten ein und erkannte die große Macht, die durch deren Organisation aller Reaktion, aller Kulturfeindschaft erwuchs:„ Die Industrie ist die Mutter des Proletariats, die zugleich den Reichtum und die Armut bringt, den Reichtum für einzelne, welche die Nation repräsentieren, die Armut für die Massen. Sie hat die Armut, die bisher nur in der Knechtschaft Rettung vor dem Hunger fand, zuerst freigegeben und organisiert, so daß sie jetzt als organisierte Macht in die Geschichte tritt."
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Luise Aston nahm sich ferner der Sache ihrer Geschlechtsgenofsinnen an und verlangte, daß auch die Frau an den Segnungen der Freiheit teilnehme. Das Recht des Weibes sollte erweitert und die ihm zwangsweise gezogenen Schranfen sollten durchbrochen werden. ,, Statt in blutigen Kämpfen und Minneliedern verherrlicht zu werden, verlangt die Frau ihren Anteil an der Freiheit des Jahrhunderts. Nach der zerrissenen Karte des Himmels einen Freiheitsbrief auf Erden." Luise Aston wagte es, offen zu bekennen, daß sie nicht an Gott glaube, und daß ihr Glauben und Denken ihre eigenste persönliche Sache sei und niemand etwas angehe. Religion war ihr nach der Auffassung Schleiermachers die Form, in der jeder einzelne sich mit dem All verbindet. Sie sprach es auch offen aus, daß sie weder an die Notwendigkeit noch an die Heiligkeit der Ehe glaube. Sie nennt die Ehe ein Institut, das mit der höchsten Sittlichkeit prahlt, während es jeder Unsittlichkeit Tür und Tor öffnet; das einen Seelenbund sanktionieren will, während es meist den Seelenhandel sanktioniert. Luise Aston verwarf die Ehe, weil sie zum Eigentum macht, was nimmer Eigentum sein kann:„ die freie Persönlichkeit", weil sie ein Recht gibt auf Liebe, auf die es kein Recht geben kann, bei der jedes Recht zum brutalen Unrecht wird. Das Ziel der Frauenemanzipation erblickte sie darin, das Recht und die Würde der Frauen in freieren Verhältnissen, in einem edlen Kultus der Liebe herzustellen. Das Streben nach neuer, höherer Frauenliebe und Frauenwürde war besonders bedeutungsvoll für die Wege, die Luise Aston der neuen Generation weisen wollte. Es konnte nach ihr nur siegreich sein, wenn die Frauen selbst tiefere Bildung und ein höheres Bewußtsein ihres Wertes erlangten. Bildung erst gibt dem Leben und der Liebe die höhere Weihe und die innere Freiheit, ohne die jede äußere Freiheit zur Schimäre wird."
In Luise Aston selbst war das Recht der freien Persönlichfeit beleidigt worden. Sie konnte die Entwürdigung nicht ertragen, der die Frau unter dem heiligen Schutz der Penaten des Hauses, dem Gesetz und der Sitte ausgesetzt ist. Ihr Wunsch war, sich in Berlin zu literarischer Tätigkeit zu sammeln und zu bilden, weil sie in dem eigenen Los das Erlebnis vieler Tausender erkannte, denen sie helfen wollte.
Es läßt sich denken, daß eine solche Frau den dreifachen Forderungen der Behörden an einen einwandfreien Staatsbürger nicht entsprechen konnte. Luise Aston wurde aufgefordert, Berlin binnen acht Tagen zu verlassen, weil sie deen geäußert habe und ins Leben rufe, die für die bürgerliche Ruhe und Ordnung gefährlich seien. Der Minister, bei dem sie sich beschwerte, erklärte ihr, sie müsse in einen fleineren Ort verwiesen werden, wo sie der Verführung weniger ausgesezt sei und wahrhaft für ihr Seelenheil sorgen könne. Es läge nicht im Interesse des preußischen Staates, daß ihre Schriften verbreitet würden, die ebenso frei wären wie ihre Ansichten. Luise Aston antwortete ihm unerschrocken:„ Wenn sich erst der preußische Staat vor einer Frau fürchtet, dann ist es weit genug mit ihm gekommen."
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Da auch ihre Beschwerde bei dem König nichts nützte, wandte sie sich in ihrer Rechtfertigung" an das deutsche Volk. Ihm schilderte sie das Prinzip, das aus der Tiefe des wahrhaft christlichen Staates hervorgeht. Sie führte aus, daß es sich in früheren unkultivierten Zeiten in der rohen Form der Inquisition offenbarte, in dem aufgeklärten neunzehnten Jahrhundert aber die feinere Form der Gewissenspolizei angenommen hat. So hoch der christliche Staat über dem bloßen Rechtsstaat steht, so hoch steht dieses Prinzip über dem Prinzip des Rechts. Das Gesetz der Liebe ist ein anderes als das Gesetz der Gerechtigkeit. Der christliche Liebesstaat macht die Gewissenspolizei notwendig, welche für das Heil der Seelen sorgt, welche die Richtungen und Tendenzen der einzelnen kontrolliert. Hier kann auch die bloße Außerung von Ideen, insofern sie eine Abirrung vom Wege des Heils verrät, der Polizei anheimfallen und ihrer christlichen Bucht und Besserung." Das Drama, in dem sie die passive Hauptrolle hat, nennt sie ein schlagendes Beispiel der In