Nr. 12
Die Gleichheit
nur 75 offene Stellen gemeldet. Ein Vergleich mit den Zahlen über die Arbeitslosigkeit der männlichen Erwerbstätigen ergibt, daß in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie sowie im Bekleidungsund Reinigungsgewerbe die Verhältnisse für die Arbeiterinnen sogar noch ungünstiger lagen als für die Arbeiter.
Ein übersichtlicheres Bild über den Umfang und die Zunahme der Arbeitslosigkeit bei den weiblichen Erwerbstätigen zeichnen die gewerkschaftlichen Arbeitslosenzählungen. In 39 Organisationen, die zusammen 218 652 weibliche Mitglieder umfassen, wurden 1913 im Laufe des vierten Quartals 18 250 beschäftigungslose Arbeiterinnen ermittelt. Das find 5823 oder 47 Prozent mehr als im vierten Quartal 1912. Auf die weibliche Mitgliederzahl berechnet, beträgt der Prozentsatz 8,5 gegen 5,8 im Vergleichsquartal. Die höchsten diesbezüglichen Prozentziffern haben die Hutarbeiterinnen mit 34,8, ferner die weiblichen Erwerbstätigen im Kürschnergewerbe mit 23,0 und die Tabakarbeiterinnen mit 21,9. Am Schlusse des Dezember 1913 waren noch 8467 Arbeiterinnen, gleich 3,9 vom Hundert der weiblichen Organisierten arbeitslos. Die entsprechenden Zahlen im Dezember des Vorjahres betrugen 5438 und 2,5. Demnach hat die Zahl der organisierten beschäftigungslosen Arbeiterinnen um 3029 oder 56 Prozent zugenommen. Absolut und prozentual die meisten weiblichen Arbeitslosen hat der Tabatarbeiterverband. Er zählte am Schlusse des Berichtsmonats 2929 weibliche Mitglieder gleich 19,2 Prozent als arbeitslos. Ebenfalls hohe Prozentzahlen haben noch die Verbände der Bäcker und der Tapezierer mit 15,6 refp. 14,4. Leider läßt sich nicht genau feſtstellen, wie lange die Dauer der Arbeitslosigkeit bei den Arbeiterinnen war beziehungsweise ist, weil die Statistik die Dauer für beide Geschlechter zusammen erfaßt. Nach allgemeinen Berech nungen nimmt man an, daß die Zahl der Arbeitslosigkeitstage von weiblichen Mitgliedern im vierten Quartal 1913 rund 300000 betragen habe. Eine beschäftigungslose Arbeiterin würde demnach im Durchschnitt 16 Tage ohne Verdienst gewesen sein.
Entsprechend der vermehrten Arbeitslosigkeit der Arbeiterinnen ist auch die Zahl der unterstübten weiblichen Mitglieder und die Unterstüßungssumme sehr start gestiegen. Im vierten Quartal 1913 wurde von den Organisationen an 8562 weibliche Arbeitslose für 137 517 Tage 117 915 Mt. Unterstüßung berausgabt. Gegen das Vergleichsquartal 1912 ist das ein Mehr von 2042 unterstützten Arbeiterinnen, von 53 413 Unterstübungstagen und 42 931 Mt. Im Durchschnitt entfiel auf einen Unterstützungsfall 13,80 Mr., im vierten Quartal 1912 nur 11,50 Mt.
Die folgende übersicht zeigt, wie die Dinge fich von 1912 auf 1913 verschlimmert haben. Es wurden gezählt im Jahre:
Weibliche Mitglieder
Fälle von Arbeitslosigkeit
Abnahme + Bunahme
-
1,0
1913 218652
.
.
59109
1912 220880 44626
+32,0
32026
24582
+30,3
520542
349442
303 828
Unterstützte weibliche Mitglieder
Unterstügungstage.
.
+49,0 +46,6
Also trotz Abnahme der weiblichen Mitglieder um 1 Prozent cine gewaltige Zunahme der weiblichen Arbeitslosen und der Ausgaben. Prozentual hat die Zahl der unterstüßten Tage gegenüber dem Jahre 1912 am meisten zugenommen, nämlich um 171 100 oder 49,0 Prozent. Die ausbezahlte Summe stieg um 141 648 Mr. gleich 46,6 Prozent.
Diese Ziffern erhöhen sich ganz bedeutend, sobald die Zahlen für die männlichen Arbeitslosen mit hinzugenommen werden. Es wurden von den Organisationen ermittelt:
Mitglieder insgesamt.
Fälle von Arbeitslosigkeit
4
Arbeitslosentage.
Unterstügte Personen
1913 2023051 768289 14194670 591827 8578352
Unterstügungstage
Unterstüßungssumme in Mark 11903396
-
Abnahme
1912 + Zunahme 2161470 6,4 610847+25,8 9508484+49,3 482996+22,5 6035007+42,1 8337752+42.8
Bei diesem Bilde ist zu berücksichtigen, daß in Wirklichkeit die Ziffern noch erheblich höher sind, als sie hier angeführt werden. Mehrere große Verbände berichten nicht an das„ Reichsarbeitsblatt", und die Unterstützungen an Arbeitslose aus lokalen Mitteln find nicht mit eingerechnet. Klar tritt es zutage, wie bedeutend es ist, was die Gewerkschaften für die Unterstübung ihrer arbeitslosen Mitglieder leisten. Es ist das eine der Tatsachen eine blog von die den Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen zeigen, wie fegensreich die Gewerkschaften wirken, wie unerläßlich es ist, daß die Ausgebeuteten ihnen angehören. Wie viele Arbeiterinnen und Arbeiterfamilien sind nicht dank der oben angeführten Unter
vielen
-
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stützungen in den harten Zeiten der Verdienstlosigkeit gegen den Hunger, das schwärzeste Elend geschützt worden. Freilich beleuchten die angezogenen Ziffern noch etwas anderes. Die Gewerkschaften find bei der Unterstützung der Arbeitslosen fast an der Grenze ihres Könnens angelangt. Sie beschämen Reich, Staat und Gemeinden, die in schmählicher Weise ihre Pflicht vernachlässigen, helfend für die Arbeitslosen einzugreifen. Die deutschen Proletarier dürfen in dem Kampfe um eine öffentlich- rechtliche Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge nicht erlahmen, und die Arbeiterinnen und Proletarierfrauen, die am schwersten unter dem Drucke der Arbeitslosigkeit zu leiden haben, müssen in diesem Kampfe an der Spize stehen. Auch er lenkt das Augenmerk der Frauen des werktätigen Volkes darauf, wie notwendig es ist, daß fie volles Bürgerrecht in Gemeinde, Staat und Reich erringen. Die öffentlichen Gewalten müßten rascher Ohr und Hand öffnen, um die Pein der Arbeitslosen zu mildern, wenn auch die Millionen weiblicher Erwerbstätiger, die vielen Millionen Frauen und Mütter des werttätigen Voltes als Wählerinnen hinter der Forderung ständen: Kapitalistische Ausbeutungsgesellschaft, bezahle den Arbeitslosen einen Teil deiner Schuld. b.
Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
Der erste sozialistische Frauentag in Paris , das ist eine sehr große, ja beinahe eine unerwartete Freudenbotschaft. Viel schwerer als in anderen Ländern ist es in Frankreich , eine organisierte sozialistische Frauenbewegung in Fluß zu bringen. Wie oft sind schon solche Versuche gemacht worden, wie oft sind sie gescheitert! Nun aber kündet der Beschluß eines Frauentags längere Dauer und größere Festigkeit der Bestrebungen, die Genoffinnen auch in Frankreich zu einheitlicher Attion zusammenzuschließen. Der Frauentag soll am 8. März stattfinden, am gleichen Datum mit der Kundgebung der Genossinnen in vielen anderen Ländern. Auch er gilt der Forderung vollen. Bürgerrechts für das weibliche Geschlecht. Es findet eine Massenversammlung statt, in der sozialistische Abgeordnete für das Frauenwahlrecht eintreten, und die durch die Beteiligung ausländischer Genoffinnen und Genossen ein internationales Gepräge erhält. Das sozialistische Frauenorgan ,, L'Equité"( Die Gerechtigkeit) gibt ein besonderes Frauentagsblatt heraus. Die Pariser Genossinnen sind eifrig an den vorbereitenden Veranstaltungen für die Demonstration.
Frauenstimmrecht.
Staaten, in denen das politische Frauenwahlrecht besteht. Es ist eine stattliche Reihe von Staaten, die den Frauen Wahlrecht und Wählbarkeit zu den gesetzgebenden Körperschaften auerkannt haben. Die meisten von ihnen liegen in der Neuen Welt. In der nordamerikanischen Union haben 9 Staaten und ein Territorium den Frauen das aktive und passive Wahla recht zu allen staatlichen und Unionskörperschaften verliehen, ebenso zu allen öffentlichen Ämtern, die Präsidentenwürde inbegriffen. Das Wahlrecht ist überall ein allgemeines, davon abgesehen, daß in den einzelnen Staaten eine verschieden lange Aufenthaltsdauer von den Wählern verlangt wird und daß diese in Wyoming des Lesens fundig sein müssen. In den südlichen Staaten ist es jedoch nicht ausgeschloffen, daß fünftig Bestimmungen in Kraft treten, die viele Neger vom Wahlrecht ausschließen würden. Das politische Wahlrecht wurde den Frauen verliehen in Wyoming 1869, Colorado 1893, Idaho und Utah 1896, Washington 1910, Kalifornien 1911, Arizona , Kansas und Oregon 1912, Alaska 1913. In Illinois erlangten die Frauen 1913 einen wichtigen Teil ihrer politischen Gleichberechtigung: nämlich das Recht der Präfi dentenwahl. In Montana , Nevada , Norddakota und Süddakota haben sich bereits beide gefeßgebende Körperschaften für das politische Frauenwahlrecht erklärt, und im laufenden Jahr wird eine Boltsabstimmung über seine Einführung entscheiden. In Jowa, New York und Bennsylvanien haben Unterhaus und Oberhaus der Reform zugestimmt, die nun als Verfassungsänderung- in den nächsten Jahren nach der Neuwahl der Gesetzgeber zum zweiten Male zur Verhandlung kommen muß.
In Australien ist der Stand der Dinge diefer. Die Frauen von Neuseeland erhielten 1893 das allgemeine aktive Wahlrecht zu Unterhaus und Senat. In den Vereinigten Staaten besitzen sie feit 1902 das allgemeine aftive, seit 1912 auch das paffive Wahlrecht zu dem Bundesparlament, und zwar zum Senat wie zum Unterhaus. In den einzelnen Staaten des Bundes erhielten fie das politische Wahlrecht in Südaustralien 1894, Weltaustralien 1899, Neusüdwales 1902, Tasmanien 1903, Vittoria 1908. Auch in