Nr. 13
Die Gleichheit
197
kunft, Erziehung, Ehe, ihr Liebesleben, Erwerbskamps, Entwicklungsmühen häufte die Schicksale ihres Geschlechts in aller Wucht auf sie, die eine Frau, der der Autrieb, das persönlich als unerträglich Empfundene durchzukämpfen und zu überwinden und zugleich der Bekennerdrang starker Dichternaturen angeboren war. Gleich ihr erster Roman wurde — zu ihrer eigenen Überraschung— als ein„Pamphlet gegen die Gesellschaft" befehdet, weil sie nämlich die Ehe angegriffen hatte. Aber was ihren folgenden Werken nun den stärksten Widerhall gab, beruhte darin, daß sie nicht beim bloßen Antrohen gegen unerträgliche Satzungen stehen blieb. George Sand predigte keine Pflicht der Mäßigung, wie vergangene Schriftstellergeuerationen, sondern das Recht auf das stärkste Ausgeben der Leidenschast. Sie wußte und zeigte, daß das Recht der Natur viele individuell verschiedene Formen der Liebe zuläßt, und sie prüfte sie in dichterischen Gestalten durch. Die bürgerlich? Reaktion warf ihr vor, sie gehe auf Zügellosigkeit aus, aber sie baute an einem neuen Ideal der Ehesittlichkeit, das von den„rohen Eiden und rohen Gesetzen" befreit war und das Saint-Simonistische Ideal Mann und Weib durch gegenseitiges Ergänzen und Entwickeln der Fähigkeiten beider Teile verwirklichte: „Die Ehe ist nach nieiner Ansicht eine der barbarischsten Einrichtungen, welche die Gesellschaft zutage brachte; ich zweifle nicht, daß sie beseitigt werden wird, sobald die menschliche Rasse der Vernunft etwas näher kommt. Ein humaneres und darum nicht weniger heiliges Band wird dieses ersetzen und die Existenz der vom Manne und dem Weibe gezeugten Kinder sichern, ohne die Eltern auf ewig der Frei- heit zu berauben." George Sand focht an der Seite der Saint-Simonistischen Männer, die sich von Enfantin trennten, als er auf die schmale Bahn des utopistischen Sektierers abglitt. Sie hat an der Vorarbeit teilgenommen, die vor der Februarrevolution für die Aussaat sozialistischen Empfindens geleistet wurde. Die Bedeutung, die sie hat, liegt durchaus in dem, was sie in dieser Zeit schuf, in der ihrem menschlich lauteren Gefühlsdenken das heraufwachsende Proletariat zum Inbegriff der Kraft wurde, die berufen war, die gesellschaftliche Ordnung einer neuen, natürlich freien Sittlichkeit herauszuführen. Sie hat den Ausbruch des proletarischen Klassenkampfes erlebt und ist von diesem Ereignis, dem der Saint- Simonismus nicht gewachsen war, erschreckt und verwirrt worden: aber als erste bedeutende Pflugführerin auf dem Acker der modernen Frauenkampfdichtung wirkt sie doch als eine Vorahnung der Zeit, die begreifen sollte, daß der Frauenrechtskampf getragen werden muß von dem proletarischen'Klassenkampf, wenn er sein großes Ziel der Befreiung erreichen will. Franz Diederich. Zur Krankenversicherung der Hausangestellten. in. Die Unterstützungen an die Versicherten. Die Ansprüche der Hausangestellten an die Versicherung decken sich im a l l g e m e i n e n mit denjenigen der sonstigen Versicherten. Die Hausangestellten haben grundsätzlich Anspruch vuf die„Negelleistungen"— das sind die Mindestleistungen der Krankenkassen. Dazu gehört die„Kranken- Hilfe"— also ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei und den anderen kleinen Heilmitteln sowie Krankengeld in der Höhe der Hälfte des Einkommens aus der Beschäftigung auf die Tauer von 26 Wochen—, ferner Wöchnerinneuunter- stützung und Sterbegeld. Die Krankenkassen können aber auch darüber hinausgehende„Mehrleistungen" einführen, auf die dann die versicherten Hausangestellten ebenfalls Anspruch haben. Es würde hier zu weit führen, auf all das des näheren einzugehen. Jede Versicherte muß in ihren Händen eine Satzung(ein Statut) der Kasse haben, der sie angehört.
Dieses Dokument enthält genau alles Nötige. Jedes Mitglied einer Kasse muß diese Satzung umsonst erhalten. Eine Bestimmung, die die Hausangestellten besonders intcr- essiert, enthält Z 182 der Reichsversicherungsordnung. Nach ihm muß das Krankengeld stets für jeden„A r b e i t s t a g" gezahlt werden. Unter Arbeitstag ist ein solcher Tag zn verstehen, an dem der Erkrankte gearbeitet haben würde, und das nach der allgemeinen Regel seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung. Bon seltenen Ausnahmen abgesehen, müssen die Hausangestellten Sonn- und Feiertags arbeiten. Sie haben daher laut§ 182 auch stets für die Sonn- und Feiertage Krankengeld zu erhalten. Jedoch steht der Krankenkasse ein Recht zu. In jedem einzelnen Fall kann sie untersuchen, ob bei der in Frage kommenden Versicherten der Sonn- und Feiertag tatsächlich ein Arbeitstag war. Wenn dem so ist, so muß das Krankengeld für diese Tage stets voll ausgezahlt werden, und zwar auch dann, wenn die Arbeit an diesen Tagen vielleicht nur eine beschränkte gewesen ist. Im übrigen sind im Gesetz eine Reihe von Ausnahmebestimmungen für die Ansprüche der Dienstboten festgelegt. Wenn die speziell zum„Gesinde" zu rechnenden Hausangestellten(vcrgl. unseren ersten Artikel) einer Landkrankenkasse angehören, so müssen sie alle Rllckständigkeiten dieser Kassenart ertragen. Dazu gehört zunächst, daß die Landkrankenkasse in der Regel die Barleistungen— Krankengeld usw.— nicht nach dem Durchschnitt des wirklich verdienten Lohnes festsetzt. Den Barleistungen legt sie vielmehr den von der Behörde festgestellten ortsüblichen Tagelohn zugrunde, der jetzt kurz„Ortslohn" genannt wird. Dieser„Ortslohn" wird für drei Gruppen von Personen festgesetzt, nämlich für solche unter 16 Jahren, für solche von 16 bis 21 Jahren und für solche von über 21 Jahren. Meist legen die Behörden z u niedrige Sätze fest, und das läuft auf eine Schädigung der Versicherten hinaus. Die Unterstiitzungen werden auch dann nach dem Ortslohn bemessen, wenn die einzelne Versicherte einen geringeren Lohn hat. In einem solchen Falle kann die Bestimmung ausnahmsweise auch einmal einer Dienenden zum Vorteil gereichen. Dienende können es erleben, daß sie nur vier Wochen lang Wöchnerinnengeld erhalten. Die Landkrankenkassen sind nämlich befugt, in ihrer Satzung zu bestimmen, daß die Dauer des Wochengeldbezugs bis auf vier Wochen für solche Mitglieder herabgesetzt wird, die nicht der Gewerbeordnung unterstehen. Das letztere trifft aber auf die Hausangestellten zu, und sie haben unter Umständen die bitteren Konsequenzen zu schlucken. Dazu gehört auch die herabgesetzte Dauer der W ö ch n e r i n n e n u n t e r st ü tz u n g. Für die in Gewerbebetrieben und sonstwie beschäftigten Arbeiterinnen muß die Wöchncrinnenunterstützung mindestens acht Wochen betragen. Das gleiche gilt für die Aufwartefrauen und-mädchen, die alle bei der Ortskrankenkasse ver sicherungspflichtig sind. Für die Dienenden, die einer Landkrankenkasse angehören, kann aber nach der angeführten Bestimmung das bißchen Mutterschaftsfürsorge eingeschränkt werden. Nichts rechtfertigt diese unerhörte Beeinträchtigung. Eine weitere Sonderbefugnis der Landkrankenkassen ist die: Nach§ 426 der Reichsversicherungsordnung können sie für arbeitsunfähige Erkrankte die„erweiterte Krankenpflege" einführen. Diese besteht in Kur und Verpflegung in einem Krankenhaus oder in einer ähnlichen Heilanstalt, statt der Gewährung des Krankengeldes usw. Hat die Kasse diese Bestimmung in ihren? Statut, so muß die Erkrankte immer und unter allen Umständen das Krankenhaus aufsuchen. Weigert sie sich, das zu tun, so hat sie keine andere Unterstützung zu fordern. Die Kranke kau?? es nur dann ablehnen, eine Heil anstalt aufzusuchen, wenn die Krankenhauspflege nach ärzt- lichem Gutachten nicht notwendig ist. Der Fall wird aber nur selten eintreten. Anders liegen die Dinge, wenn die„crwerbs unfähig" Erkrankte ohne ihr Verschulden in einer Heilanstalt' nicht untergebracht worden ist. Dann muß die Kasse Kraukengeld, ärztliche Hilfe und Heilmittel gewähren.