Nr. 13

Die Gleichheit

essierten und vorgeschulten Apparat von Vertrauenspersonen macht sich immer dringender geltend. Der Erziehung genossenschaftlicher Vertrauensmäner, der Zeitung der genossenschaftlichen Er­ziehungsarbeit und der Entfaltung einer ständigen Propaganda­tätigkeit soll mun die Zentralstelle dienen. Ihre Leitung steht einem fünfzehngliedrigen Ausschuß zu, dessen Mitglieder verhältnis­mäßig aus den vier Wiener Vereinen delegiert sind, und der, in ständiger Fühlung mit dem Zentralverband österreichischer Kon­sumbereine und den genossenschaftlich organisierten Frauen, die Geschäfte führen wird. Als ständiger Sekretär der Zentralstelle Wie man an diesen wurde Genosse Georg Sailer gewonnen." Ausführungen sieht, versprechen sich die Wiener Genossen viel von der Wirkung der neuen Einrichtung. Wir wünschen ihnen den H. F. besten Erfolg!

Notizenteil.

-

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Zuerst Ausbeutungsobjekt, nebenbei Mutter, das ist das Los, das der Kapitalismus der proletarischen Frau bereitet. Eindring­lich zeigte mir das ein Erlebnis. Ich size im Eisenbahncoupé vierter Klasse. Schnaufend durchquert der Zug Schleswig- Holsteins gesegnete Fluren. Mir gegenüber sitt eine Mutter mit ihrem etwa vierjährigen Töchterchen. Der bescheidene Sonntagsstaat der beiden macht den Eindruck peinlichster Sauberkeit. Liesel muß hübsch artig sein! Nicht so hopsen! Schön stillsizen! So mahnt die Mutter fortwährend. Der kleine Blondkopf aber, ein munteres, bewegliches Ding, steht eins, zwei, drei auf der Bank und preßt das Stumpfnäschen an die Fensterscheiben. Verwundert sehen die wißbegierigen Augen Baum und Strauch, Wiesen und Felder im Fluge vorübergleiten. Nein, was es auf so einer Reise alles zu sehen gibt! Moer figge mange Träer," ruft entzückt das Kind. Darauf Tie Mutter:" Ja, mein Kind, viele Bäume stehen da."" Se der staar en Hest! En stoer Hest!" ruft die Kleine jetzt höchst ver­wundert. Die Mutter erwidert: Das Pferd steht auf der Weide, Liebling, es graft." Löber den ikke bort?"" Nein, das läuft nicht fort." Und so geht das Gespräch weiter. Das fleine Plappermäul­chen schwatzt immerfort. Und alles, was es sagt, bringt es in dänischer Sprache vor. Die Mutter antwortet auf deutsch , und wenn sie glaubt, dem Kinde etwas verständlicher machen zu müssen, so versucht sie es im gebrochenen Dänisch. Zum Ergözen der Mitreisenden, die sich nicht genug darüber wundern können, daß das Kind Dänisch und die Mutter Deutsch spricht.

Ich versuche ein Gespräch mit der Frau anzuknüpfen, und da löst sich mir das Rätsel. Die Mutter ist Fabritarbeiterin. Um 6 Uhr früh verläßt sie ihr Heim, bis 6 Uhr abends steht sie täglich am Arbeitstisch. Ihr Kind ist tagsüber bei fremden Leuten in Pflege. Schon im zartesten Alter mußte sie die Kleine fortgeben, um ihrer Arbeit wieder nachgehen zu können. Die Pflegeeltern sprechen Dänisch. Da klein Liesel bei der Pflegemutter die ersten Worte stammeln lernte, spricht es Dänisch, sogar mit der eigenen Mutter, die es ja so wenig zu sehen bekommt, eigentlich nur immer im Halbschlaf. Ach ja," seuft die Mutter, der man die ab­gehetzte Proletarierin deutlich ansieht, des Morgens nehme ich die Kleine aus dem Schlaf und bringe sie fort, und des Abends? Ja, was gibt es da nicht alles zu tun. Der Haushalt will besorgt sein, flicken und stopfen muß man in einem fort. Das Mittagessen für den nächsten Tag soll vorbereitet, oft schon angefocht werden. Da fliegen die paar Abendstunden nur so dahin, und ich bin recht froh, wenn die Kleine schon schläft.... Man hat ja gar keine Zeit, sich mit dem Kinde zu befassen."

So bringt das Kapital das Kind um die mütterliche Pflege und Fürsorge, die Mutter aber um Augenblicke des höchsten, heiligsten Empfindens. Sie hört nicht des Kindes erstes süßes Stammeln, sie hört all die lustigen kleinen Dinge, die ein Kindermund gar brollig ausspricht, in einer ihr fremden, unverständlichen Sprache. Wie singt doch der Dichter? Muttersprache, Mutterlaut, wie so wonnesam, so traut!" Muttersprache, Mutterlaut, wenn das die tapitalistische Profitgier gestattet. Anna Mosegaard .

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Fortschritte in der französischen Arbeiterinnenbewegung. Eine neue Gruppe sozialistischer Frauen hat sich vor wenigen Wochen in Dreug( Departement Seine - Eure) gebildet. Das ist um so er­freulicher, als es in dieser Gegend fast teine Industriearbeit gibt, sondern nur Landwirtschaft getrieben wird. Die Gruppe nennt fich Arbeiterfrauenliga für sozialistische und gewerkschaft­liche Aktion. Nach den Versicherungen der leitenden Genossin Rauze macht die neue Gruppe stetige Fortschritte. Durch monatliche Vor­

207

träge über Sozialismus, gemeinsames Studium sozialistischer Bro­schüren bilden sich die Mitglieder heran, um sich dann in der Partei praktisch zu betätigen. Wenn auch noch nicht alle diese Frauen von Anfang an der sozialistischen Partei als Mitglieder angehören, so ist es doch das Bedürfnis aller Teilnehmenden, sich in der Partei zu organisieren, nachdem sie durch die Schule der Gruppe hindurch gegangen sind. Vorläufig zählt die Gruppe erst 20 Mitglieder, zum W. Gr. größten Teil Hausfrauen.

Die englischen Genoffinnen gegen den Nüftungswahnsinn. Die Agitation gegen das Wettrüsten der Nationen und die Kriegs­hezze wird seit dem Internationalen Kongreß zu Basel von den englischen Genossinnen mit steigender Kraft betrieben. Sie nügen jede Gelegenheit aus, um Imperialismus und Militarismus zu bekämpfen und den proletarischen Frauen flarzumachen, daß das Heil des englischen Volkes nicht in der Zahl und Vortrefflichkeit der Dreadnoughts beruht, sondern in der Beseitigung des kapita­ listischen Privateigentums und dem Siege des Sozialismus, Dem Geschrei der Rüstungsinteressenten stellen sie das Ideal der prole= tarischen Solidarität entgegen, die Verbrüderung der Arbeiter aller Länder, die den Weltfrieden vorbereitet. ,, The Labour Woman" ( Die Proletarierin), das Organ der Liga der arbeitenden Frauen", hat kürzlich eine ganze Nummer dem Kampf gegen die Kriegshezze und Rüstungstollheit gewidmet. Auf dem letzten Jahreston­greß der parlamentarischen Arbeiterpartei" zu Glasgow begründete Genoffin Phillips einen Antrag, der diese Partei auffordert, sich mit allen Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, der Blutsteuer der militaristischen Bewegung zu wider­setzen". Der Antrag besagt weiter, daß der Kongreß das Volk zu mahnen habe, seine politische Macht zu benußen, um die auswär­tige Macht zu demokratisieren und das bestehende System des be­waffneten Friedens durch einen Bund aller Völker der Welt zu erseßen, zur Beseitigung der Bürde der Armut, die sie heute drückt". Genossin Montefiore hat ein kleines, treffliches Schriftchen verfaßt: Der Antimilitarismus vom Standpunkt der Arbeiter aus". Hier zieht sie scharf die Grenzlinien zwischen der sozialisti­ schen und der bürgerlichen Friedensarbeit und betont stark die Rolle, die dem Militär in allen Ländern im Klassenkampf gegen das Proletariat zugedacht ist. Ihre Ausführungen enden mit diesen Säßen: Der einzig wirksame Weg, den Militarismus zu bekämp­fen, ist, den Kapitalismus zu bekämpfen. Wenn nicht länger die Dinge um des Profits wegen erzeugt werden, sondern für den Nußen derer, die sie erzeugen, wird auch nicht länger die Notwen= digkeit für ein kapitalistisches Heer bestehen.... Nieder mit der großen militaristischen Verschwörung für die weitere Versklavung der Proletarier Großbritanniens ."

Katharina Breschkowski, eine der tapfersten russischen Frei­heitskämpferinnen, hat fürzlich ihren 70. Geburtstag gefeiert. In Sibirien , als Verbannte. Katharina Breschkowski hat der Sache des Volkes, der Freiheit, ein Vermögen geopfert, eine glänzende gesellschaftliche Stellung und was noch mehr bedeuten will: ein ganzes Leben. Ihre unermüdliche revolutionäre Tätigkeit hat sie früher schon mit 22 Jahren der Verbannung nach Sibirien büßen müssen. Eine turze Frist der Freiheit nußte sie mit verzehrendem Eifer aus, um der Revolution zu dienen. 1907 wurde Katharina Breschkowski von dem Spitzel Azew den Schergen des Zaren aus­geliefert. Nun erfolgte ihre Verbannung nach Sibirien auf Lebenszeit. Katharina Breschkowski gehört zu der Partei der rus­fischen Sozialrevolutionäre, aber nicht nur diese, alle sozialistischen Gruppen Rußlands huldigten der mutigen und aufopferungs­vollen Kämpferin an ihrem 70. Geburtstag. Und mit Recht.

Frauenstimmrecht.

1

Das Frauenwahlrecht vor dem weimarischen Landtag. Bürgerliche Frauenvereine in Eisenach und Jena hatten sich mit Gesuchen an den weimarischen Landtag gewendet, bei Neubearbei­tung der Gemeindeordnung den Bürgerinnen" das Recht zu ver­leihen, ihren Stimmzettel persönlich abgeben zu dürfen. Dieses be scheidene Maß von Wünschen" ist für die bürgerlichen Frauenrecht­lerinnen im Großherzogtum Sachsen sehr bezeichnend. Sie erheben nicht die demokratische Forderung, daß das Bürgerrecht ohne Ein­schränkung den Frauen wie den Männern gewährt werde. Ja, es fcheint fast, als ob es den Damen gar nicht so unangenehm wäre, daß die Regierung- wie aus dem veröffentlichten Entwurf der neuen Gemeindeordnung ersichtlich den Frauen das geltende reaktionäre tommunale Wahlrecht erst vom 30. Lebensjahr ab geben will. Das bescheidene bürgerliche Frauenrechtswünschen beschäftigte nun fürz­lich den Landtag. Da waren es unsere Genossen, die der Kaze die Schelle umhingen. Sie erklärten, daß sie im Prinzip dafür ein­treten, den Frauen das attive und passive Wahlrecht zu erteilen,

-