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Die Gleichheit
kapitalistische Vorrechte, die die sehr Reichen zu Herren der ganzen Gesetzgebung machen. Nun haben wir die Aussicht, daß diese reaktionären Bestimmungen fallen werden, und damit dürfen wir auch auf die Durchführung großer, bedeutungsvoller Reformen hoffen. Es ist ganz selbstredend, daß diese Reformen nicht zum wenigsten auch von den Frauen mit Ungeduld erwartet werden. Freilich ist die Verfassungsreform noch nicht sicher unter Dach und Fach. Noch stehen ihr manche formelle Schwierigkeiten im Wege, und im Landsthing ist der Stimmenunterschied zwischen den Freunden und Feinden der Vorlage leider sehr klein. Da kann man selbstverständlich über den Ausgang nicht eher sicher sein, bis das Abstimmungsergebnis vorliegt, die Vorlage zur Annahme gelangt ist. Findet die Verfassungsänderung auch dort eine Mehrheit, so müssen gemäß der alten Verfassung Neuwahlen zu beiden parlamentarischen Körperschaften erfolgen, und erst wenn der neue Reichstag die Vorlage unverändert annimmt, tritt sie als Gesetz in Kraft.
Es ist natürlich, daß die dänische Bevölkerung die Entwicklung der Dinge mit der größten Spannung verfolgt. Wir hoffen trob aller vorliegenden Schwierigkeiten die große Sache der Ver fassungsreform einen guten Schritt weiter vorwärts und zum endlichen Siege zu führen. Ohne allen Zweifel gebührt der Sozialdemokratie die Ehre, durch ihren Kampf das meiste für die bisherigen demokratischen Errungenschaften getan zu haben, die auch dem weiblichen Geschlecht gleiche Rechte sichern. Das sollte den Frauen auf dem ganzen Erdenrund eine Lehre sein, sich der Sozialdemokratie anzuschließen und deren siegreichen Vormarsch wirksam zu unterſtüßen. Th. Stauning, Ropenhagen.
Eine heiße Schlacht bei der Ausschußwahl für die Orts. Frankenkasse Schwerin liegt hinter uns. In früheren Jahren fümmerten sich um diese Wahl der Delegierten zur Ortskrankentasse nur die freien Gewerkschaften und wenige christliche Arbeiter. G3 wurde kaum bemerkt, daß es eine Wahl gab. Erst in diesem Jahre, nachdem der Frauenstimmrechtsverband alle bürgerlichen Frauen mobil gemacht hatte, zeigte sich plötzlich ein Interesse, das unsere sonst so ruhige Stadt schier auf den Kopf zu stellen schien. Dank eifrigster Arbeit, reichen Mitteln und vor allem dank dem Einfluß der„ Herrschaften" auf die Dienstboten, der Unternehmer und Werkmeister auf die Angestellten und Arbeiterinnen gelang es den Damen, 930 Etimmen auf die bürgerliche Liste zu ber einigen. Alles, was wählen durfte, sollte sein Recht ausnutzen, nach dem sonst niemand der Herrschaften fragt. Sogar der großherzog liche Haushalt und verschiedene Behörden gaben ihren wahlberech tigten Mitgliedern der Kasse einen Vierteltag" frei". Trotz aller Anstrengungen konnte die Masse der Arbeiter und Arbeiterinnen nicht überstimmt werden, die nach Feierabend zur Wahl ging. Die Liste der freien Gewerkschaften erhielt mehr als 2300 Stimmen. Ein Fehler, der wohl nicht mehr unterläuft, war von diesen dadurch gemacht worden, daß sie unter 60 Kandidaten nur 4 Frauen aufgestellt hatten, davon die erste an 18., die anderen an 30. und späterer Stelle. Gewiß war vorauszusehen, daß mindestens drei Frauen unserer Liste gewählt werden würden, allein die geringe Zahl weiblicher Kandidaten wurde von den Bürgerlichen ausgenußt, um Wasser auf ihre Mühle zu leiten. Sie hatten nämlich 28 Frauen aufgestellt, und unter 14 Ausschußmitgliedern der bürgerlichen Organisationen befinden sich 3 Frauen, während unter den 46 Ausschußmitgliedern der Gewerkschaften ebenfalls nur drei Frauen sind. Die Unternehmer haben ihrerseits 4 Frauen in den Ausschuß gewählt. Hoffentlich zieht das Gewerkschaftskartell aus dieser Wahl die Lehre, auf die schon in einer früheren Nummer der„ Gleichheit" Genosse Lange hingewiesen hat. Wenn die nächsten Wahlen bevorstehen, so sollte es unter den tüchtigsten Arbeiterinnen Schwerins Umschau nach Kandidatinnen halten. Die Masse der Hausangestellten und Arbeiterinnen, die diesmal im Gefolge der Bürgerlichen gegangen sind, darf uns nicht wieder verloren gehen. Leider gibt es unter den wahlberechtigten Hausangestellten und Arbeiterinnen noch viele, die die Bedeutung des Wahlrechts gar nicht begriffen haben. Sie sind auf höheren" Befehl zur Urne gegangen, sie haben gewählt, ohne die Kandidaten und Vertreter unserer Liste gehört zu haben. Früher haben sich die bürgerlichen Arbeiterfreundinnen nie um die Rechte der Angestellten, Dienstboten und Arbeiterinnen gekümmert. Da liegt der Gedanke sehr nahe, daß vielen Damen nicht das Interesse der Versicherten in erster Linie am Herzen lag. Zwei andere Gründe bewirkten, daß sie ihre Mädchen, Morgenfrauen, Diener, Lakaien, Angestellte usw. nun zur Wahl schickten. Erstens wollten sie den Führerinnen des Frauenstimmrechtsverbandes gefällig sein, die fast alle Arbeit für die bürgerliche Liste allein leisteten. Zweitens und vor allem hofften sie, damit das sozialdemokratische Gespenst" zu bannen.
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Es sei noch bemerkt, daß auf der bürgerlichen Kandidatenliste 44 Beamte, Werkmeister usw. standen und einige Arbeiter, von denen sich 29 schon durch Arbeitswilligendienst ausgezeichnet hatten. Gewählt sind von den weiblichen Kandidaten der proletarischen Liste die Genossinnen Hader, Törber, Ehmenig und Warneke. ar. Ein Sieg des Frauenstimmrechts in Massachusetts ist zu melden. Der reaktionäre Senat dieses Staates hat mit allen gegen drei Stimmen einen Entwurf zur Einführung des Frauenwahlrechts angenommen. Der Beschluß verdient um so mehr Beachtung, als der Senat von Massachusetts bis jetzt zu den hartnäckigsten Gegnern des politischen Frauenwahlrechts zählte. Die New- Yorker Volkszeitung" verzeichnet, daß es die nichtsozialistischen Vertreter der drei bedeutendsten Industriestädte von Massachusetts waren, die gegen den Entwurf stimmten: die Vertreter von Worcester , New- Bed ford und Haverhill. Der Entwurf zur Einführung des Frauenwahlrechts ist vom Unterhause des Staates mit 134 gegen 39 Stim men angenommen worden.
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Ellen Key über das politische Frauenwahlrecht. Die berühmte schwedische Schriftstellerin hat sich in einer großen Zeitung ihres Vaterlandes zur Frage des politischen Frauenwahlrechts geäußert. Ihrer Meinung nach besteht in den westeuropäischen Staaten nur noch ein politischer Despotismus: nämlich der aufgeklärte Despotismus des Mannes über die Frau. Wer zu einer historischen Betrachtung der Dinge befähigt sei, der könne voraussehen, daß der Widerstand gegen die politische Betätigung der Frau binnen kurzem verschwinden werde." Dann hoffe ich," so schreibt Ellen Keh,„ daß der Spiralgang der Entwicklung nicht zu einem goldenen Zeitalter zurückführt, sondern auf ein höheres Niveau hebt. Wir können jedoch dieses Kanaan nicht eher erreichen, bevor wir nicht die parlamentarische Wüstenwanderung vollenden und dem Volke durch Erfahrung lehren, daß seine Wohlfahrt am meisten dadurch gefördert wird, daß es die besten seiner Männer und Frauen als Leiter auserfieht." Und weiterhin heißt es:„ Das Familienheim könnte durch das Wahlrecht nur gewinnen, vorausgesetzt, daß die Frau sich ihr Gefühl dafür zu bewahren und ihm einen höheren Ausdruck zu geben versteht.... Niemand würde stärker als ich gegen das Wahlrecht der Frauen sprechen, wenn ich darin für die Familie und das nachwachsende Geschlecht eine Schädigung erblickte. Die Erfahrungen bezeugen aber, daß gerade die stimmberechtigte Frau geeignet ist, die Wohlfahrt der Familie wesentlich zu fördern. Von dem Wahlrecht der aufgeklärten Frau hat der Mann sehr viel zu erhoffen, von der Unklarheit über die Bedeutung dieses Rechtes hat er wenig zu fürchten."
Die Frau in öffentlichen Aemtern.
Sieben Säuglingsfürsorgerinnen in Nürnberg hat der Magistrat dieser Stadt kürzlich als kommunale Beamte angestellt. Das Anfangsgehalt beträgt 1800, das Höchstgehalt 2000 Mt.
Frauen in der Waisenpflege und dem Fürsorgewesen der Stadt Berlin zur Mitarbeit heranzuziehen, beztvedt ein Antrag, den der Freisinnige Cassel in der Stadtverordnetenversamm lung eingebracht hat. Diese soll danach den Magistrat ersuchen, ,, unter Abänderung der bestehenden Organisation die Waisenpflege durch eine besondere selbständige Abteilung der Armendirektion verwalten zu lassen, und zwar dadurch, daß auch Frauen als stimmberechtigte Mitglieder dieser neuen Organisation gewählt werden können. Die Versammlung ersucht ferner, der Magistrat wolle zur Verwaltung des Fürsorgewesens Frauen als nicht stimmberechtigte Mitglieder hinzuziehen." Wa rum die Frauen in der Verwaltung des Fürsorgewesens nicht ebensogut stimmberechtigt sein sollen wie in der Waisenpflege, erscheint unserem mandatlosen Verstand als die neueste freisinnige Unlogit und Halbheit. Immerhin ist der Antrag ein Fortschritt im Verhalten des Berliner Kommunalfreisinns.
Frauen in den Schulausschüssen des Kantons Wallis . Vor einigen Jahren wurden aus dem Walliser Schulgesetz die Worte gestrichen, daß die Mitglieder der kommunalen Schulausschüsse nur aus den aktiven Bürgern" gewählt werden dürften. Aftive Gemeindebürger sind nur die Männer, und solange die vier Worte im Gesetz standen, waren die Frauen von den Schulausschüssen ausgeschlossen. Nachdem ihnen der Weg in diese Körper schaften offengelegt worden war, haben nun in Mézières, Aigle und La Tour de Peilz die im November 1913 neugewähl ten Gemeinderäte mehrere Frauen in die Schulausschüsse berufen. Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Zetkin ( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart .
Druck und Verlag von J. H. W. Dieg Nachf. G.m.b.. in Stuttgart .