Nr. 16
Die Gleichheit
2 oder 8 Bf. vor; bazu kommt meist noch eine Herabsetzung der Arbeitszeit um ebensoviel Stunden die Woche. Die Staffelung der Berbesserungen ermöglichte es, beim Abschluß der Lohnbewegungen insgesamt höhere Erfolge herauszuschlagen, als sie erreichbar ge wesen wären, wenn alle Errungenschaften sofort hätten durchgeführt werden müssen. Für die Arbeitgeber war die Zustimmung leichter, weil sich auf diese Weise die Produktion eher an die veränderten Bedingungen gewöhnen konnte. Tatsächlich sind denn auch die Arbeitsbedingungen der Holzindustrie in recht vielen Orten die am weitesten fortgeschrittenen. Vor allem ist ihre Arbeitszeit fast überall für andere Berufe vorbildlich. Aber eine Schattenseite hat diese Art der Regelung. Der Zeitpunkt der Lohnbewegung- nun des Tarifablaufs wie der durchzuführenden Verbesserungen lann nicht mehr wie früher nur in die Perioden guten Geschäftsganges gelegt werden. Tarifabschluß und Verbesserung muß erfolgen, auch wenn die Zeitläufte dafür ungünstig sind. Das stellt außerordentlich Hohe Anforderungen an die Stärke der Organisation. Der einzelne Arbeitgeber drückt sich in solchen Zeiten nur zu gern um die vertraglich übernommene Mehrbelastung herum. Die Organisation der Arbeitgeber als Vertragspartner soll jedoch die widerstrebenden Mitglieder auch dann zur Einhaltung der tariflichen Verpflichtungen veranlassen. Andernfalls würde sie eingestehen, daß es ihr mit dem Tarif gar nicht bitter ernst ist oder daß ihre angebliche Stärke nur vorgetäuscht war. Wie der Tarifvertrag in guten Zeiten die Arbeiter bindet, verpflichtet er natürlich in schlechten die Unternehmer.
In der Holzindustrie kam zu dieser Sachlage im heurigen Früh jahr noch etwas anderes hinzu. Zahlreiche Orte sollten eine Lohn erhöhung von 2 Pf. die Stunde gewähren, die weder in ihrem alten Tarifvertrag stand, noch durch eine besondere Lohnbewegung erfämpft worden war. Lediglich ein Schiedsspruch hatte sie ihnen auferlegt. Bei der vorjährigen großen Tarifbewegung hatten die beiden Zentral verbände der Arbeiter und Arbeitgeber einen Schiedsspruch des Frei herrn v. Berlepsch als Unparteiischen anerkannt. Dieser Spruch be stimmte, daß alle am 15. Februar 1914 ablaufenden Tarifverträge ohne weiteres bis 1915 weitergelten und die beteiligten Arbeiter dafür 2 Pf. Lbhnerhöhung erhalten sollten. Die Lohnerhöhung war also der Ausgleich für den Verzicht auf die Kündigung des Vertrags. Nach der Krise des lezten Winters und bei der noch wenig be= friedigenden Wirtschaftslage ist die Durchführung solcher Bestim mungen zweifellos eine Feuerprobe für die Organisationen der Vertragschließenden. In den meisten Orten haben die Unternehmer Schiedsspruch und Vertrag loyal durchgeführt, sie kennen die Diszi plin ihres Vertragspartners. Aber trotzdem fanden sich genug Unternehmer, die aus der Reihe tanzten. Vereinzelt versuchten sie, den Termin der Verbesserungen um Monate hinauszuschieben. Als die Arbeiter kurz ablehnten, fügten sich die Herren in das Unvermeidliche. In Gera , Eisenberg , Zuffenhausen , Bayreuth , Königsberg und anderen Orten traten die Meister zum Teil aus dem Unternehmerverband aus und mußten erst durch ernste Vorstellungen oder Streit an ihre Pflichten erinnert werden. An einigen dieser Drte dauert der Stampf noch fort. In Berlin , am Size des Unternehmerverbandes, waren es besonders viele organisierte Arbeitgeber, bie sich weigerten, die tariflichen Zulagen zu gewähren. Auch in Greiz , Mühlhausen i. Thür., Graudenz und Regensburg fam es darob zu Differenzen. Besonders typisch für das zwiespältige Verhalten der Arbeitgeber ist ein Fall in Dessau . Auch dort hatten die Gesellen die ihnen zustehende tarifliche Lohnerhöhung gefordert. Die Meister lehnten sie ab, und selbst die Entscheidung der tariflichen Schlichtungsinstanzen änderte an ihrer Haltung nichts. Die Unterhandlung hatte der juristische Sekretär des Arbeitgeberschutzverbandes zu führen. Dieser merkwürdige Unterhändler bestärkte die Meister eher in ihrem tarifbrüchigen Benehmen, als daß er ihnen ordentlich den Marsch geblasen hätte. Erst die geschlossene Arbeitsniederlegung der Gesellen bewirkte die schleunige Erfüllung der tariflichen Verpflichtungen. Aber nun zeigte der Arbeitgeberverband sein wahres Gesicht. Sein Vorstand selbst hatte vorher das Verhalten der Dessauer Arbeitgeber als Vertragsbruch bezeichnet. Nun jedoch veröffentlichte das Verbandsorgan der Arbeitgeber eine schwarze Liste" der Ausständigen. Diese seien tarifbrüchig geworden, so hieß es, und sollten nun von keinem Meister mehr eingestellt werden. Die Liste enthielt sogar Namen von Arbeitern, die schon lange vor her von den Meistern ausgesperrt worden waren. Kurz, das Arbeit geberorgan fabrizierte den Tarifbruch der Meister zum Tarifbruch der Gesellen um.
Das ließ sich der Holzarbeiterverband nicht ruhig gefallen. Die folgende Nummer der Fachzeitung" der Arbeitgeber stammelte die Entschuldigung, daß jene schwarze Liste nur durch ein Versehen" in die Zeitung gekommen sei. In Wirklichkeit zeigt der Fall nur erneut, wie die Dinge stehen. Dem Arbeitgeberverband fehlt nicht
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nur der Einfluß, sondern recht oft auch der gute Wille, feine Mitglieder zur bedingungslosen Einhaltung der geschlossenen Verträge zu zwingen. Für die Arbeiter ist das eine Mahnung, auch während der Dauer der Tarifverträge eifrig am Ausbau ihrer Gewerkschaft zu arbeiten. Nicht der papierene Arbeitsvertrag selbst bietet Bürgschaft für die festgelegten Arbeitsbedingungen, sondern die Kraft, die hinter dem Vertrag steht.
fk.
Die preußische Polizeibehörde als Gegner des Deutschen Holzarbeiterverbandes. Die preußische Polizeibehörde möchte den Deutschen Holzarbeiterverband unter ihrer Aufsicht haben. Schon mehrfach ist das bei einzelnen Zahlstellen( Ortsvereinen) versucht worden, aber immer hat sich die Polizei dabei den Schnupfen geholt. So mußte fie fich erst in den letzten Jahren in Sagan, Thorn und Friedland in Schlesien vom Gericht bestätigen lassen, daß der Holzarbeiterverband kein Verein sei, der eine Einwirkung auf politische Dinge bezwecke, und daß der Verband demnach nicht unter die Beschränkungen des Vereinsgefeges falle. Nachdem aber nun Ende März der Bergarbeiterverband in erster Instanz als politischer Verein erklärt worden ist, trachtet der Berliner Polizei. präsident nach neuen Lorbeeren. Er hat in den ersten Tagen des April den Vorstand des Holzarbeiterverbandes unter Strafandrohung höchst eigenhändig aufgefordert, das Verzeichnis der Vorstandsmitglieder und das Statut einzureichen. Ein Zeichen, daß er den Verband als politisch betrachten möchte. Mit der gleichen Wißbegier ist er übrigens auch an andere Gewerkschaften in Berlin herangetreten, so an die Zentralvorstände des Transportarbeiter und des Landarbeiterverbandes und an die Zahlstellen der Metallarbeiter, Fabrik. arbeiter und Zimmerer. Viel Glück dürfte er mit seinem Verlangen nicht ohne weiteres haben. Es bleibt abzuwarten, ob sich wirklich weitere Richter finden, die so ganz gegen den Sinn des Vereinsgefezes entscheiden. Der Holzarbeiterverband hat gegen die polizeiliche Auflage Klage beim Bezirksausschuß erhoben.
fk.
Arbeitslosenzählung im Deutschen Textilarbeiterverband. Die Märzzählung ergab 1884 Arbeitslose, darunter 621 Arbeiterinnen, im Vormonat waren 2184, im März des Vorjahres 1241 Arbeitslose gezählt worden. Als auf der Reise befindlich wurden am Märzstichtage 116 Arbeitslose gemeldet, darunter befanden sich 7 Arbeiterinnen. Im Vormonat zählte der Verband auf der Reise 155 und im März des Vorjahres 126 Arbeitslose. Im ersten Quartal 1914 waren 8501 Mitglieder 138 078 Tage arbeitslos, int gleichen Quartal des Vorjahres 5318 Mitglieder 74 187 Tage; an Arbeitslosenunterstüßung wurde gezahlt: an 5056 männliche für 81 513 Tage 92 279 Mt. und an 1747 weibliche für 25 927 Tage 21 675 Mt.; im gleichen Quartal des Vorjahres an 3103 männliche für 42 800 Tage 46 144 Mt. und für 1034 weibliche für 12 130 Tage 9456 Mt. Für reisende Arbeitslose betrug die Unterstüßung im ersten Quartal 3963 Mt., im gleichen Quartal des Vorjahres 4429 Mt. Die Arbeitslosigkeit ist gegen das Vorjahr tedeutend höher, die Unterstüßungstage sind um nahezu das Doppelte gestiegen, von 54 930 auf 107 440, und die Summe der Arbeitslosenunterstützung ist im gleichen Beitraum um mehr als das Doppelte gewachsen, von 55 600 auf 113 954 Mt. Die Märzzählung ergab einen Mitgliederstand von 82506 männlichen, 53 656 weiblichen Mitgliedern, zusammen 136 162. Die Zählung umfaßte 99,4 Prozent derselben. sk,
Genossenschaftliche Rundschau.
Jm Reichstag ist von den Abgeordneten Dr. Faßbender und Ge noffen( Zentrum) ein Antrag eingebracht worden, der eine Abänderung des Reichsgesezes über die Erwerbs. und Wirtschaftsgenossenschaften herbeiführen will. Dem Antrag sind auch eine Reihe ins einzelne gehende Vorschläge beigefügt, aus denen zu ersehen ist, nach welcher Richtung die ge= wünschten ünderungen, gehen sollen. In erster Linie wird eine Reform des Revisionswesens gewünscht, das durch sogenannte Nevisionsverbände geregelt ist. So soll der Begriff der Sachverständigfeit der Revisoren im Gesez näher bestimmt werden, um eine größere Zuverlässigkeit und Gründlichkeit der Revisionen der einzelnen Genossenschaften zu erzielen. Der Revisor soll aber auch mehr Einfluß und Selbständigkeit in der Berichterstattung über das Ergebnis der von ihm ausgeführten Revisionen erhalten. Für Genossenschaften, die keinem Revisionsverband angehören, sollen von den Zentralbehörden der einzelnen Bundesstaaten Zwangsrevisionsverbände gebildet werden. Eine solche Bestimmung würde tief in das Selbstbestimmungsrecht der Genossenschaften eingreifen. Revisoren, die ihre Pflicht verlegen, sollen der Genossenschaft perfönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden haften. Weitere ünderungen werden in bezug auf die Haftpflicht vor
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