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Die Gleichheit

fie ausgebeutet werden. Klassenbewußtsein existiert unter ihnen nicht, wir müssen es erst in ihnen wecken. Aber eine Klassenbewe gung erfordert auch eine Klassenrichtlinie für unsere Arbeit, wir dürfen uns von den bürgerlichen Frauen nicht ins Schlepptau nehmen lassen. Selbst müssen wir unseren Stampf ausfechten, von jenen haben wir nichts zu erwarten."

Eine scharfe Protestrefolution gegen die schmähliche Behandlung der Mutter Jones" wurde einstimmig angenommen. Eine Ab­schrift davon soll an Gouverneur Ammons von Kolorado und dessen Milizgeneral Chase gesandt werden. Die Konferenz be­schloß das Folgende: Von den sozialistischenzeitungen und Wochen­blättern ist ein ständiger Naum für die Behandlung der Frauen­die in den frage zu verlangen. In der warmen Jahreszeit meisten Gegenden der Vereinigten Staaten vom Frühjahr bis in den Spätherbst dauert empfehlen sich Frauenstimmrechtsver­fammlungen unter freiem Himmel. Es sollte die Anstellung einer bezahlten Organisatorin und die Aussendung von Rednerinnen durchs Land erfolgen, ferner die Einzeichnung aller Frauen, die sich auf zwei Jahre zu ernster Mitarbeit verpflichten. Eine vierte Resolution befaßt sich mit der Methode, den noch nicht naturali­fierten Frauen zur Erlangung des Bürgerrechts in den Ber­einigten Staaten behilflich zu sein.

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Die Frage der Franenorganisation vor dem Kongres der belgischen Arbeiterpartei. Bu Ostern tagte in Brüssel der 29. Jahrestongreß der belgischen Arbeiterpartei. Auf seiner Tages ordnung stand auch die Frauenfrage, über die Genossin TiII. manns referierte. Schon vor dem Vortrag unserer Genossin war die Frage der Organisierung der Frauen in der Partei an­geschnitten worden, und zwar im Zusammenhang mit der Organi sation der Partei. Der eingesetzten Kommission zur Statuten­beratung war die Frage zur Prüfung überwiesen worden, wie die Frauen am besten der Arbeiterpartei einzugliedern seien. Ge­nossin Tillmanns wendete sich in ihrem Vortrag entschieden gegen diese Überweisung als gegen eine Verschleppung einer Sache, die dringend der Regelung bedürfe. Sie machte geltend, daß eine aus­giebige Erörterung der Frage und eine Entscheidung darüber schon seit vier Jahren immer wieder vertagt werde. Es sei höchste Zeit, daß mit einer planmäßigen Aufklärungsarbeit unter den prole­tarischen Frauen begonnen werde. Genossin Tillmanns beantragte deshalb, daß der Kongreß ihren Vorschlägen über die Frauen­organisation zustimme und sie dem Generalrat der Partei­leitung zur Beachtung überweise. Genossin Dejardin unter­stützte diese Ausführungen, gegen die sich Genosse Vander­smissen wendete. Er meinte, eine kräftige Agitation unter den Frauen tönne betrieben werden, ohne daß schon die Frage der Organisationsform entschieden sei. Es sei zweckmäßig, daß die Kommission zur Statutenberatung zunächst diese Frage prüfe. Genossin Tillmanns machte dagegen geltend, daß die Arbeiter­partei schleunig mit der Organisierung der Frauen beginnen müsse. Andernfalls werde sie schlecht fahren, wenn in naher Zu­funft das Frauenwahlrecht zu den Gemeinde- und Provinzial räten eingeführt werde. Die nahe Möglichkeit dieser Reform wurde vom Genossen Broudère bestritten, der aber trotzdem warm für den Antrag der Genossin Tillmanns eintrat. Und diese siegte. Der Kongreß überwies ihre Vorschläge an den Generalrat der Partei, der unmittelbar in die Agitation für die Organisie­rung der Frauen eintreten soll. Hoffentlich wird der Beschluß tat­sächlich bald in die Praxis umgesetzt. Bis jetzt ist die sozialistische Frauenbewegung in Belgien leider noch nicht über wiederholte Ansäße hinausgekommen, obgleich es nicht an einem fleinen Stamm fluger, geschulter und tüchtiger Genossinnen fehlt.

Frauenstimmrecht.

I. K. Die norwegischen Frauen und die Gemeindewahlen. Obgleich den norwegischen Frauen leicht und verhältnismäßig bald das politische und fommunale Wahlrecht verliehen worden ist, haben sie doch noch keinen aktiven Anteil am politischen Leben genommen, der der Erwähnung wert wäre. Ebensowenig hat ihre Beteiligung an den Wahlen das frühere Kräfteverhältnis der Parteien zueinander merklich verändert. Das flingt fast ent­mutigend, jedoch trotz dieser Tatsachen hat uns das erhaltene Wahlrecht einen gewissen Einfluß verschafft. Frauen sizen in den Schöffengerichten, und Frauen vertreten bei der Erörterung öffent­licher Angelegenheiten in der Presse wie bei Versammlungen mit Eifer und Geschid ihre Überzeugungen. Und das wichtigste von allem: unser Selbstvertrauen, unser Verantwortlichkeitsgefühl und unser Betätigungsdrang wachsen rasch. Vielleicht sind wir etwas langfam im Gebrauch unseres Stimmrechts. Die Schulung, die

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die Genoffinnen vieler Länder im Kampfe für das Wahlrecht er­langen, müssen wir Norwegerinnen erst erringen, nachdem wir unsere volle politische Gleichberechtigung erlangt haben. Wir hoffen jedoch, daß das Schlußergebnis eine gesunde, harmonische Ent­wicklung ist.

Bei den letzten Parlamentswahlen erhielt nicht eine einzige Frau ein Mandat, nicht einmal als Stellvertreterin wurde eine Frau gewählt. Und das, obgleich es in Norwegen jetzt weit mehr weibliche als männliche Wähler gibt. Bei den letzten Gemeinde­ratswahlen find dagegen mehr Frauen gewählt worden als bei irgend einer früheren kommunalen Wahl. Trotzdem steht die Zahl der weiblichen Gemeindevertreter in feinem Verhältnis zu dem allgemeinen Zuwachs an Stimmen. Die Sozialdemokraten haben nun in Stadträten 84 weibliche Vertreter gegen 18 im Jahre 1910, in den Landgemeinden aber nur 11 gegen 15, denen die früheren Wahlen dort Siz und Stimme in der Kommunalver­tretung verliehen hatten. Die Wahlen von 1910 hatten zusammen 1209 Sozialdemokraten in die Gemeinderäte des ganzen Landes gebracht, die Wahlen dieses Jahres ließen die Zahl ihrer Ver­treter dort auf 1800 steigen. Man sieht darin, welch winzige Min­derheit die erwählten Frauen unserer Partei ausmachen. Bei der Wahl in Christiania fielen nur auf zwei Kandidaten unserer Partei mehr Stimmen als auf eine ihrer Kandidatinnen. Die Tatsache beweist, daß die Sozialdemokratie den Frauenkandida turen nicht etwa übelwollend gegenübersteht. Bei der Stimmen. zählung wurde sehr oft festgestellt, daß der Name einer Frau ausgestrichen und durch den eines Mannes ersetzt worden war, und zwar, daß offensichtlich die Hand einer Frau das getan hatte. Die sozialistische Arbeiterpartei verfügt im Stadtrat von Christiania über keine sichere Mehrheit. Sie kann einen Beschluß nur dann erzielen, wenn eine Anzahl bürgerlicher Radikaler mit ihr stimmen. Der Stadtrat der Hauptstadt zählt auf 77 Mitglieder 10 Frauen, 4 davon sind Sozialdemokratinnen. Demnächst be­richten wir über die Fragen des politischen Lebens, die gegen wärtig in besonderem Maße das Interesse der Frauen in Nor wegen beanspruchen. Fernanda Nissen , Christiania .

Die Frau in öffentlichen Aemtern. Frauen als Gemeindewaisenräte und Waifenpflegerinnen in Baden. Einstimmig nahm die Kommission für Justiz und Ver­waltung der Ersten und Zweiten Rammer des badischen Landtags einen Gesezentwurf an, der bestimmt, daß Frauen als Gemeinde­waisenräte und Waisenpflegerinnen bestellt werden können. Die Abänderung des Rechtspolizeigesetzes vom 17. Juni 1899 hat es möglich gemacht, daß sie diese öffentlichen Ämter bekleiden.

Rund 18000 deutsche Frauen arbeiteten 1913 auf kom munalem Gebiet. Diese trockenen Ziffern fünden den Umschwung, der sich in der Bewertung weiblicher Leistungen vollzogen hat. Die Mitarbeit der Frau in der Gemeinde nimmt rasch und stark zu. Diese erfolgreiche Entwicklung wird uns ziffernmäßig durch die wert­bolle Umfrage gezeigt, die die Zentralstelle für Gemeinde.. ämter der Frau in Frankfurt a. M. im Sommer 1913 vor genommen hat. Sie verschickte zu diesem Zwed 1045 ausführliche Fragebogen an sämtliche deutsche Stadt- und Landgemeinden mit mehr als 6000 Einwohnern. 814 Bogen, fast 80 Prozent, fonnten für die Bearbeitung benutzt werden, der Rest entfällt auf kleinere Ge­meinden mit fehlender oder ganz unentwickelter Frauenarbeit. Die Umfrage ergab, daß in 593 deutschen Gemeinden gegen 18000 Frauen zur Mitwirkung herangezogen sind bei der Armen-, Waisen, Biehfinderpflege, Berufsvormundschaft, Schulverwaltung, Schul pflege, Wohnungsinspektion, Wohnungspflege, Polizeipflege und beim Arbeitsnachweis. Nahezu zwei Drittel der 18000 Frauen ent­fielen auf Preußen. Wir werden auf die Ergebnisse der Umfrage noch zurückkommen. Wiederholt machen wir unsere Genossinnen auf die Entwicklung aufmerksam, die uns in den angeführten Zahlen vor Augen tritt. Es ist unbedingt notwendig, daß sie ihr erhöhtes Interesse zuwenden, daß sie sich anschicken, in großer Zahl und in­tensiv auf tommunalem Gebiet mitzuarbeiten.

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Genossinnen! Nutt jede Gelegenheit aus, um für die Verbreitung der Gleichheit" zu agitieren. Agi­tationsexemplare stehen euch jederzeit kostenlos zur Verfügung.

Berantwortlich für die Rebattton: Frau Klara Bettin( 8undel), Wilhelmshope, Bost Degerloch bet Stuttgart .

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.g. tn Stuttgart.