278 Di« Gleichheit Nr. 13 schen Internationale, bei Arbeit und Kampf für die Befreiung der Arbeiterklasse, für die Völkerverbrüderung! Die Vertreterin organisierter Arbeiterinnen Rußlands   schrieb: Werte Anwesende I ES wäre mir ein besonderes Glück gewesen, Ihnen persönlich die Grüße der russischen Genossen und Genos» sinnen zu überbringen, Ihnen zu verkünden, daß die ganze klassen­bewußte Armee dcS russischen Proletariats, Männer und Frauen, bereit ist, gegen die verhaßten Greuel des Krieges zu protestieren. Aber Sie wissen auch, Genossen und Genossinnen, daß die freund­schaftlichen Beziehungen von Deutschland   nach Rußland   nicht nur im Proletariat bestehen, sondern auch... ES sind zu viele Zuhörer in diesem Saale  , die im Privatleben Polizeiuniform tragen. Ich kenne sie hinreichend von Rußland   her und möchte die Bekannt­schaft mit ihnen nicht hier in Deutschland   fortsetzen müssen. Die Genossinnen, die heute zu Ihnen reden, werden schon hin­reichend von den Lasten deS Militarismus sprechen, von den vielen Millionen, die alljährlich in allen Ländern für die stehenden Heere und für den Krieg aufgewendet werden, und die aus den Taschen derjenigen kommen, die am stärksten unter den Folgen des Krieges zu leiden haben. Man macht uns Frauen immer den Vorwurf, daß wir für die großen politischen Fragen des Militarismus, der Flottenpolitik keinen Sinn und kein Verständnis haben. DaS kann ich widerlegen, ich, die auS einem Lande komme, daS erst kürzlich alle Folgen des für Rußland   so überaus.siegreichen" Russisch- Japanischen Krieges hat über sich ergehen lassen müssen. ES gibt keine Worte, mit denen man die Greuel, die Qualen, die physischen und moralischen Zerstörungen schildern könnte, die die Frauen während des Krieges erdulden mußten. Es ist ein blutiger, böser Traum, den man in Jahren nicht, den man vielleicht niemals ver­gessen kann. Genossen und Genossinnen, könnt Ihr Euch diese langen, bangen Stunden der Erwartung vorstellen, wenn Telegramme einlaufen: soundso viele Schiffe sind untergegangen? In einer Schlacht sind soundso viele Tausende gefallen? Die Mütter, die Frauen, die Ge­liebten, die Kinder warten sehnsüchtig auf eine Nachricht. Und die Stunden vergehen und bleiben leer. Nun ist keine Hoffnung mehr vorhanden. Dann kommen doch einige der Erwarteten zurück. Aber Tausende von blühenden jungen Männern sind Krüppel geworden, andere Tausende sind dem Wahnsinn verfallen. Und im Angesicht solchen Geschehens darf man uns Frauen zuherrschen, daß wir kein Interesse an der Friedensfrage nehmen sollen 1 Sie ist ja eine Lebensfrage für jede Mutter, für jede liebende Frau! Genossen und Genossinnen, es war ja gerade der Russisch- Japanische Krieg, der so viele russische Frauen veranlaßt hat, an der russischen Revolution aktiven Anteil zu nehmen! Es war wie ein Schleier, der von den Augen so vieler gedankenlosen und gleich­gültigen Frauen weggezogen wurde, als eine Regierung all diese Schrecknisse auf ihr eigene? Volk hcrabbcschwor! Mit so einer Ne­gierung mußte ein Ende gemacht werden! Und jetzt, jetzt will man Rußland   und Deutschland   gegeneinander Hetzen! Die Großgrundbesitzer der beiden Nationen, die Kapita­listen, die Ausbeuter können sich nicht verständigen! Drohende Auseinandersetzungen schweben wegen Zollfragen I Deutsche Ge­nossinnen, seid Ihr gesonnen. Eure Söhne und Gatten diesem Zollstreit zum Opfer zu bringen? Ja, der russischen Regierung würde ein Krieg zu dieser Zeit vielleicht gerade passen; die Ar­deiterbewegung wird zu stark, sie gewinnt an Boden, sie bildet einen Mittelpunkt des gesamten russischen politischen Lebens, da­gegen könnte der Chauvinismus helfen! Aber dazu sind wir bewußten Genossen und Genossinnen da, um mit offenen Augen das Gewebe der verbrecherischen Treibereien zu durchschauen. Gegen den engherzigen Nationalismus der herr­schenden Klassen hat die Sozialdemokratie auch ihre Waffen! DaS ist die wachsende Solidarität der Internationale! ES ist nicht daS erste Mal, daß die Proklamation dieser Solidarität den Weltkrieg verhindern kann! Denkt an die Marokkoaffäre 1S11, an die Stel­lungnahme der Arbeiterinternationale während der Balkanwirren! Aber damit die Solidarität zu einer größeren Macht, zu einer siegreichen Waffe werde, brauchen wir die Frauen! Ihr Frauen könnt es verhindern, daß Eure Kinder dem militaristischen Wesen anhangen! Und wenn Ihr aus Euren Kindern Kämpfer und Hel­den machen wollt, so laßt sie Helden der roten Armee werden! Zum Schlüsse noch ein paar Worte über daS Land, auS dem ich Euch einen Gruß bringen soll. Ihr hört nur immer von den Greueln in Rußland  , von den überfüllten Gefängnissen, von dem Märtyrertum Tausender Männer und Frauen. Heute aber will ich Euch eine freudige Botschaft mitteilen: Die Reaktion war ohn­mächtig, um die Flamme der Empörung zu ersticken! Die Arbeiter­bewegung steht kräftig und entschlossen vor uns wie noch nie zuvor! Wir haben unsere Arbeiterorganisationen, unsere Presse, wir haben großartige imposante Massenbewegungen. Und zurzeit, Ge­nossinnen, haben wir die Anfänge einer richtigen proletarischen Frauenoraanisation. Die ersten Frauenzeitschriften sind in Ruß­ land   erschienen, der Frauentag wurde ungeachtet aller Polizei­schikanen zu einem politischen Fest. Man rüstet sich zu weiteren Kämpfen. Aber gerade jetzt in diesem kritischen Augenblick des Auf­schwunges ist uns Eure Sympathie und Euer Interesse am nötig­sten. Die Kriegsdrohungen, die un» von oben entgegenkommen, müssen wir von unten beantworten mit dem Protest der starken brüderlichen Solidarität. Denn Genossen und Genossinnen, ver­gessen Sie nicht: nur dann wird eS einem jungen Herrn unmög­lich werden,.Nur feste druff!" zu telegraphieren, wenn in Ruß­ land   die reaktionäre Politik de?.Nur feste druff!" für immer aufhören muß. Und dazu, Genossen und Genossinnen, wollen wir von unten nur feste druff antworten: Hoch die Internationale! Adresse der sozialistischen   Frauen Schwedens   an die FriedcnZ- demonstrationSvcrsammlung in Berlin   am 21. April 1914: Mit Stolz und Freude senden die sozialistischen   Frauen Schwe­ dens   den kämpfenden Genossinnen einen Gruß. KriegSrüstungen in allen Ländern ringsumher! Vielleicht meint deshalb gar man­cher, daß der Krieg näher bevorstehe als je, und daß demnach der Glaube an die Möglichkeit eines dauernden Friedens unter den Völkern eine größere Utopie sei, als eS jemals zuvor gewesen ist. Und dennoch hat der Friedensgedanke im Norden immer tiefer» und tiefere Wurzeln im Herzen des Volkes geschlagen! Mit dem Jahre 1914 sind hundert Jahre des Frieden» zwischen den Völkern der skandinavischen Halbinsel verflossen. DaS Schicksal der Schweden   und Norweger   ist in der Union   der beiden Länder politisch aneinander gekettet gewesen, und Seite an Seite sind die beiden Völker in friedlichem Wettbewerb, in eifriger Arbeit zusammengestanden. Sie haben der Welt sogar gezeigt, daß ein Streit auf dem Wege friedlicher Verständigung gelöst werden kann. Die beiden Völker gehen heute nun getrennte Wege und wirken nicht mehr in derselben Weise wie ehedem zusammen, aber die Liebe zum Frieden wird zu allen Zeiten für das arbeitende Volk die neue Union   sein» die mit starken Banden nicht nur die nordischen, sondern die Völker aller Länder vereint. Um die Erinnerung an die Freiheit und den Frieden dieser hundert Jahre lebendig zu erhalten, werden die für Freiheit und Verbrüderung wirkenden Völker der Schweden   und Norweger   im Sommer 1914 an der Grenze ihrer Länder zusammentreffen, um daselbst gemeinsam den verflossenen Jahren ein Denkmal zu setzen. Es wird den künftigen Geschlechtern stets den Friedenswunsch de» Volkes vor Augen führen, und was die Friedensfreunde des Nor­dens begonnen haben, wird daS ist unsere feste Überzeugung der Sozialismus vollenden. Möge das Friedensdenkmal, daS die Völker Schweden  ? und Nor­ wegens   zur Erinnerung an einen hundertjährigen Frieden er­richten, nicht als der Abschluß einer vergangenen Zeit angesehen werden. Wir haben mit diesem unserem Gruß den Genossinnen die Botschaft senden wollen, daß daS Friedensdcnkmal für uns ein» neue Zeit prophezeit. Eine Zeit, wo alle Völker der Erde vorwärts­schreiten, dem höchsten Ziele entgegen: dem Menschenrecht für alle. Gleichzeitig sprechen wir, die Versicherung aus, daß die organi­sierten Männer und Frauen der größeren Länder sich im besonderen verpflichtet fühlen, ihr Veto einzulegen gegen jede Eroberungs­und Untcrjochungspolitik von feiten der Machthaber der Groß­staaten, gegen jede Tendenz, die zum Kriege führen könnte. Auf zum Kampfe für den Weltfrieden und die international« Solidarität. Anna Lindhagen  , Stockholm  . Gruß der sozialistischen   Frauen aus Finnland  : Gruß Euch, Genossinnen in Berlin  ! Recht so, Ihr seid zusammen­gekommen, um Eurem Protest demonstrativ Ausdruck zu verleihen gegen die Knechtung und Erniedrigung der Völker und des Prole­tariats im besonderen, die in allen Landen mit dem SiegeSzuge des Kapitalismus einhergeht. Ihr seid Angehörige einer großen Nation, Bürger eines der mächtigsten Staaten Europas  . Ihr fühlt Euch aber dennoch unbefriedigt, unzufrieden. Kann es anders sein? Ihr empfindet ja, daß die Errungenschaften der Kultur, die Früchte der Wissenschaft, die lauteren Freuden des Daseins Euch unerreich­bar sind, daß Ihr wie durch eine unübersteigbare Mauer davon ab­gesperrt seid. Ihr entbehrt selbst das Nötigste, was Euch das Leben auch nur einigermaßen lebenswert machen könnte. Es ist Euch nicht möglich, Euch nach des TageS Mühen wohl­tuender, erquickender Erholung hinzugeben, um für den folgenden Tag neue Kräfte zu sammeln. Es bleibt Euch der Genuß des Schönen in der Natur und im Menschen, der Genuß der Wissenschaften und der Künste mehr oder weniger versagt. Es fehlt Euch selbst an der