Nr. 18

Die Gleichheit

auch auf die Organisationen der Arbeitgeber Anwendung finden". Sogar ein konservativer Abgeordneter hat im Parlament in einer Anwandlung von Ehrlichkeit bekundet, daß sich auch die Unter­nehmer Verstöße gegen das Gesetz zuschulden kommen lassen, und daß die schwarzen Listen, die Materialsperre, die Kundensperre usw. Mißbrauch des Koalitionsrechts sind. Die organisierten sächsischen Industriellen raten daher ihren Mitgliedern, sich genau zu über­legen, was größer sei: die Nachteile, die unvermeidlich eintreten werden, wenn ein Ausnahmegesetz auch die Betätigung der Unter­nehmerverbände hemmen wird, oder aber der Nutzen, der aus einem solchen Gesetz für die Herren herausspringen fann. Die sächsischen Industriellen seßen mit gutem Recht ihre größere Hoff­nung darauf, daß durch energische Anwendung der be­stehenden Gesebesbestimmungen, durch Ausbildung besonderer Beamten dem Unwesen des Streikpostenstehens" wirk­fam entgegengetreten wird. Dadurch würde nach ihrer Ansicht den Unternehmern ein praktischer Schuß gewährt, der ihnen durch die aussichtslose und für sie selbst bedenkliche Forderung eines be­sonderen Streikpostenverbots nicht zuteil werden kann. Die Herren haben vollkommen recht. Die heutige Klassenjustiz und Seine Majestät der Schußmann bieten ihnen alles, was ihr Herz begehrt. Den tarifbrüchigen Malermeistern in Rheinland­Westfalen wird angesichts des etwas belebten Geschäftsgangs ein wenig eingeheizt. In einigen Orten des Industriegebiets streiken die Gehilfen um die Anerkennung des Tarifs. Auch im Transportgewerbe des Rheinlandes und Westfalens ist es in einigen Orten zum Ausstand gekommen. In Dortmund , Bochum und Elberfeld - Barmen sind die Fuhrleute ausständig, um einen besseren Lohn und die Ab­schaffung des Kost- und Logiszwangs durchzusetzen. Gerade diese rückständige Entlohnungsart bedingt häufig, daß die Arbeitszeit eine völlig ungeregelte ist.

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Die Differenzen in der oberpfälzischen Glasindu­strie konnten durch Einigungsverhandlungen vor dem Gewerbe­gericht in Fürth noch nicht beigelegt werden. Wohl mußten die Unternehmervertreter zugeben, daß die Arbeitsverhältnisse in jener Industrie verbesserungsbedürftig sind. Sie drückten sich aber zu­nächst von einer klaren Entscheidung, weil sie feine Vollmacht von ben Unternehmern hatten. Es wird sich bei einer späteren Ver­Handlung zeigen, ob sie zu Entgegenkommen bereit sind, wenn sie die Vollmacht erhalten haben. In Rauscha wird in den Gla 3- hütten gestreift. Die Unternehmer weigern sich, die Arbeitszeit bon 9% Stunden zu verkürzen, die bei der Hize in den Hütten ge­radezu unmenschlich lang ist.

Jm schlesischen Granitsteingebiet planen die Unter­nehmer eine Aussperrung. 2700 Granitarbeiter erhielten die Kün bigung, die Ende Mai abläuft. Die Unternehmer wollen bei Er­neuerung des Tarifs nur 2 Prozent Lohnzulagen für die überaus gesundheitsschädliche Arbeit der Steinmeßen und Brecher ge­Der Streit währen, die Hilfsarbeiter sollen leer ausgehen.

der Maßschuhmacher in Berlin wurde mit einigen fleinen Erfolgen für die Arbeiter beendet.. Der Streit der Berliner Etuisarbeiter und arbeiterinnen ist nach dreißig Wochen Dauer durch Vergleich zu einem Abschluß gekommen. Die Streifenden haben einige Lohnaufbesserungen durchgesetzt.

Eine Blüte von einer Ronkurrenzflausel enthielt ein Bertrag, den ein Dresdener Patentbureau mit einer Kontoristin abschließen wollte. Dem Fräulein wurden 30 Mt. Ge­halt monatlich zugesichert, 10 Mt. Zulage pro Monat nach einem Vierteljahr und mit jedem Jahre eine weitere Gehalts­erhöhung von 10 Mark monatlich. All das nur bei guter Füh rung". Die Arbeitszeit sollte püntlich eingehalten werden, wenn­gleich sie nicht etwa festgelegt war, sondern von Fall zu Fall be= stimmt werden sollte. Bei so vieler Güte des Chefs mußte sich das Fräulein aber ausdrücklich verpflichten, auf die Dauer von zwei Jahren, vom Austritt aus dem Bureau an gerechnet, keine Stellung in einem Ronkurrenzgeschäft Sachsens anzunehmen". Sicherlich wird es der Kontoristin ein leichtes sein, von ihrem fürstlichen Gehalt so viel zu erübrigen, daß sie davon leben und in ganz Deutschland feine Stellung mehr an­nicht bloß in Sachsen zunehmen braucht. Gegenwärtig wird im Reichstag an dem Kon­furrenzflaufelgesetz herumgepfuscht. Um die Handlungsangestellten gegen Benachteiligungen zu schüßen, gibt es nur ein Mittel: das stritte Berbot der Stonkurrenzklausel, wie es die Sozialdemokraten fordern.

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Die Krankenkassenbeamten fommen nach den Seg­nungen der Reichsversicherungsordnung immer mehr unter die Fuchtel der Reaktion. Den Beamten der Münchener Ortstrantentasse ist bekanntgegeben worden, daß sie sich innerhalb

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der Kassenstunden aller Arbeiten für Verbandszwecke, wie Agi­tation, Einladungen zu Versammlungen, Verteilung von Flug­schriften, Gintassieren von Beiträgen, Verwahrung von Verbands­geldern, Zustellung von Zeitungen und Wiẞblättern, zu enthalten haben. Vieles von dem, was dieser Ukas des Vorstandes unter­sagt, berbietet sich von selbst und wird von den Beamten sicher gar nicht getan. Davon abgesehen ist mancher Unternehmer gegen seine Arbeiter toleranter als der Vorstand der Ortskrankenkasse in München. Mancher Kapitalist gestattet in seinem Betrieb das Kas­fieren der Verbandsbeiträge, das Verteilen von Flugblättern und Beitungen. Ist eine schärfere Kritik möglich als diese schlichte Tat­fache? Es stimmt, daß Deutschland an der Spike der Sozialreform marschiert nach rückwärts.

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Aus der Textilarbeiterbewegung. In Krefeld ist die Lohn­bewegung der Samtappreteure beendet, an der 300 Arbeiter und 87 Arbeiterinnen beteiligt waren. Für alle Beschäftigten 1 Mt. Lohnerhöhung pro Woche, für die Männer eine Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde wöchentlich, das ist ihr Gewinn. Die Arbeitszeit ist nun eine einheitliche geworden und beträgt 58 Stun den in der Woche. Vor Sonn- und Festtagen ist um 4 Uhr Schluß der Arbeit. Alle in die Arbeitswoche fallenden Feiertage werden boll bezahlt. In den Appreturen Krefelds sind Staffellöhne üblich, die sich nach dem Alter der Arbeiter abstufen. Die Löhne der Lehr­linge betragen jetzt im ersten, zweiten und dritten Jahre 8, 10 und 15 Mt. pro Woche. Ausgelernte Rauher, Scherer, Senger, Reiniger erhalten nach beendeter Lehrzeit im ersten, zweiten, britten und vierten Jahre 19, 21, 24 und 27 Mt., vom 24. Lebens­jahr an 28 Mt. Hilfsarbeiter, die als Rauher, Scherer, Senger, Reiniger beschäftigt werden, bekommen im dritten Jahre den Tariflohn, allen übrigen Arbeitern der Gruppe ist eine Lohnzulage bon wöchentlich 1 Mt. zugestanden worden. Die Löhne der Arbeite rinnen wurden ebenfalls neu festgelegt. Wenn die Arbeiterinnen im Alter unter 16 Jahren in den Beruf eintreten, so stellt sich ihr Wochenlohn im ersten, zweiten, dritten, vierten, fünften und sech­sten Jahre auf 6, 8, 11, 13, 15 und 16 Mt. Sind sie beim Eintritt über 16 Jahre alt, so verdienen sie im ersten, zweiten, dritten und vierten Jahre 10, 12,50, 15 und 16 Mt.; zählen sie beim Eintritt schon über 19 Jahre, so erhalten sie wöchentlich in den ersten drei Jahren 11, 13,50 und 16 Mt. Die Kündigung ist eine einheitliche und beträgt für alle Beschäftigten einen Tag.

Die Krefelder Samtappreturarbeiter gehören zu 90 Prozent dem Deutschen Textilarbeiterverband an, der auch ihre Forde­rungen vertreten hat. Der Rest ist bei den Christen und Hirschen organisiert. Die Christen hatten keine Forderungen gestellt, wurden aber auf ihr Ersuchen von den Unternehmern zu den Verhand­lungen hinzugezogen. Die Herren glaubten wahrscheinlich ihre Interessen besser gewahrt, wenn die Vertreter von Roms Gnaden" mit dabei waren. In ihrer Verbandszeitung haben die Christen die Bewegung verzeichnet, verschweigen aber selbstverständlich, daß sie selbst völlig bedeutungslos für den Ausgang der Bewegung

waren.

sk.

Arbeitslofenzählung im Deutschen Textilarbeiterverband. Die Aprilzählung ergab 1384 Arbeitslose, darunter 514 Arbeite­rinnen. Im Vormonat waren 1884 und im April des Vorjahres 1159 Arbeitslose zu verzeichnen. Am gleichen Tage wurden 133 Arbeitslose auf der Reise gemeldet, im Vormonat 116 und im April des Vorjahres 150. Die Mitgliederziffer beträgt gegenwärtig 134 941, darunter 53 006 Arbeiterinnen.

sk.

Der freie Sonnabendnachmittag in den Samtwebereien Krefelds. Eine erfolgreiche Bewegung um Verkürzung der Arbeits­zeit haben die Proletarier in den Krefelder Samtwebereien hinter sich. Es handelte sich dabei um den früheren Schluß der Arbeit an den Samstagen. In der Textilindustrie sind bekanntlich von den über 1 Million Beschäftigten gegen 60 Prozent Arbeiterinnen. Zu einem erheblichen Teil sind die Arbeiterinnen auch verheiratet, Familienmütter, die mitverdienen müssen, weil der Lohn des Man­nes allein zur Erhaltung der Seinen nicht ausreicht. Neben der Fabritarbeit haben diese Frauen in der Regel auch noch die ganze häusliche Arbeit zu verrichten. Die meisten von ihnen erwarten den Sonntag, damit sie alles aufarbeiten können, was an häus­licher Arbeit wochentags liegen bleibt. In der Folge wird der Sonntag für diese Frauen erst recht zu einem Arbeitstag. Der Sonntag aber soll für alle ein Sonnentag sein, ein Ruhetag, ein Feiertag. Um den Arbeiterinnen zu ihrem Menschenrecht auf einen Ruhetag zu verhelfen, gibt es nur ein Mittel: die Verkür. sung der Arbeitszeit. überhaupt und an den Vorabenden der Sonn­und Feiertage im besonderen.

Auch für die Arbeiter in der Tegtilindustrie ist die Forderung kürzerer täglicher Arbeitszeit und Mittagsarbeitsschluß an den