286

Die Gleichheit

beitslofen beider Geschlechter am Ort und auf der Reise angeführt. Es wurden gezählt im ersten Quartal:

Fälle von Arbeitslosigkeit.

Arbeitslose am Schlusse

Arbeitslosigkeitstage.

Unterstützte Personen

Unterstügungstage

1914

1913

235 305

55028

.

5151445

190656 45634 8418445

172744

141120

3043 899

2117299 2824367

Zunahme in Prozent 23,4 20,6 50,7 22,4 43,8

49,2

Unterstützungssumme in Mark 4214927

Danach wurden im ersten Quartal 1914 für beide Geschlechter 44 649 Fälle von Arbeitslosigkeit oder 23,4 Prozent mehr festgestellt als im ersten Quartal 1913, und am Schlusse des Quartals waren noch 9394 gleich 20,6 Prozent mehr arbeitslos als im Vergleichs­quartal. Wie die Tabelle zeigt, sind die Arbeitslosigkeitstage am meisten gestiegen. Sie erhöhten sich gegen das erste Quartal 1913 um 1 733 000 oder 50,7 Prozent. Die Zahl der unterstützten Per­sonen stieg um 31 624 oder 22,4 Prozent, die der Unterstützungs­tage um 926 600 oder 43,8 Prozent und die der Unterstützungs­summe um 1390 560 oder 49,2 Prozent.

All diese Angaben zeigen unzweideutig, daß die Arbeitslosigkeit noch eine größere ist als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Sie beweisen aber auch, wie die Arbeitslosen durch die Selbsthilfe der organisierten Proletarier geschützt wurden, während Reich, Einzel­staaten und Gemeinden weiter gegen sie sündigen. Die an einigen Orten gezahlten öffentlichen Unterstützungen sind herabgesetzt oder ganz eingestellt worden, wie es in Frankfurt a. M. und in München der Fall war. In Berlin , wo prozentual die meisten Arbeitslosen vorhanden sind, sollen nicht einmal die Darlehen aus städtischen Mitteln weiter gewährt werden. Die Arbeitslosen mögen weiter hungern, das ist die Losung der herrschenden Klassen. Mit faltemt Blute haben die Erlauchten und Adeligen der Ersten Kammer in Bayern und in Württemberg die bescheidenen Erfolge zunichte ge­macht, die unsere Genossen in der Sache der Arbeitslosenversiche­rung in der Zweiten Kammer durchgesetzt hatten. Mögen die Ar­beiterinnen und Arbeiterfrauen daraus die richtige Lehre ziehen und zahlreicher als bisher den politischen und gewerkschaftlichen Organisationen beitreten, damit sie im Verein mit ihren Brüdern. nachdrücklicher für menschenwürdigere Verhältnisse fämpfen fön­nen. Der Kapitalismus ist ihr Feind, ein mächtiger Feind, aber wir wissen, daß seine Herrschaft nicht unbegrenzt und ewig ist, wenn die Ausgebeuteten wollen und handeln. b.

Fürsorge für Mutter und Kind.

Proletarische Jugendpflege in Oesterreich . Der Arbeiterverein " Die Kinderfreunde", der unter der Leitung des Wiener Landtagsabgeordneten Genossen Volkert steht, eines geborenen Württembergers, hat im letzten Jahr um 1861 Mitglieder zuge­nommen, so daß er deren nun 3639 zählt. Fast 100 000 Kinder nahmen im Jahr 1913 an den Veranstaltungen des Vereins teil: Ausflügen, Spiel- und Badetagen, Spaziergängen, Gesang, Turn-, Handfertigkeitsunterricht und Vorlesungen. Die Orts­gruppen des Vereins verliehen an Kinder 40 837 Bücher, sie ver­anstalteten Kurse für Spielleiter und für die Leistung erster Hilfe bei Unfällen. 60 000 Werbeflugblätter an die Arbeitereltern wur­den verbreitet. Auf der jüngst in Wien abgehaltenen General­versammlung kam es zum Ausdruck, wie bitter der Mangel an Kinderspielplätzen in der Reichshauptstadt empfunden wird. Eine gleichzeitig veranstaltete Ausstellung führte die Lehr- und Lern­mittel für Modellierunterricht, Klebetechnik, Flechtarbeit sowie Ausnäheblätter und dergleichen vor. Die schöne Bewegung der österreichischen Kinderfreunde" ist von Graz ausgegangen, wo fie durch eine Anregung des Genossen Afritsch , Redakteur am Arbeiterwille", ins Leben gerufen wurde. R. B.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

I. K. Die zweite sozialistische Frauenkonferenz in Italien hat in Ankona stattgefunden. Sie ging dem vierzehnten Parteitag der italienischen Sozialdemokratie voraus, der dort vom 26. bis 29. April abgehalten wurde. Zwar kann in Italien von einer stark organisierten, umfangreichen und geschulten sozialistischen Frauen­bewegung faum die Rede sein. Doch dürfen wir unstreitig die er­mutigende Tatsache verzeichnen, daß in der Zeit zwischen der ersten Frauenkonferenz 1912 zu Reggio Emilia und der zweiten die junge Bewegung an Ausdehnung und Drganisation bedeutend gewonnen hat. In Ankona waren die Genossinnen von Mailand , Turin , Bologna , Neapel , Cesena, Borgosesio, Suzzara, Ra­

Nr. 18

venna und Rom vertreten. Da in Italien die Organisierung der Frauen nie durch gesetzliche Schranken gehindert worden ist, so schließen sich die meisten organisierten Genossinnen den örtlichen sozialdemokratischen Parteigruppen an. Nur in Turin und Mai. land bestehen als Ausnahmen besondere Frauengruppen der Partet, die sich vor allem der Aufgabe widmen, das weibliche Proletariat aufzuklären und zu organisieren. Auf der letzten Konferenz wurde der Wunsch ausgedrückt, keine Sonderorganisationen der Frauen zu gründen beziehungsweise die bereits bestehenden mit den Partei­gruppen zu verschmelzen.

An der Frauenkonferenz beteiligten sich auch einige Genossen: Parlamentsabgeordnete und Vertreter von solchen Gewerkschaften und Arbeitskammern, die viele Frauen als Mitglieder zählen. Ge nossin Kulischoff, die unermüdliche Vorkämpferin der soziali stischen Frauenbewegung in Italien , konnte leider wegen Kränklich­keit nicht an der Konferenz teilnehmen und bat, sie auch im Aus­schuß des Landeskomitees der Genossinnen durch eine jüngere Straft zu ersetzen. Die Frauenkonferenz sprach in einer Depesche an die verdiente Genossin heißeste Wünsche für ihre Genesung aus wie die Bitte, Genossin Sulischoff möge in ihrem Amte verbleiben und ihre wertvolle Mitarbeit der sozialistischen Frauenbewegung nicht ent ziehen. Das Landeskomitee der sozialistischen Frauen hatte die Ge­noisinnen Altobelli, Goia und Balabanoff zu der Konferenz delegiert. Die erstgenannte Genossin vertrat gleichzeitig die zahl= reichste gewertschaftliche Organisation italienischer Proletarier, die der Landarbeiter und Landarbeiterinnen, die gegen 140000 Mitglieder zählt, und deren Sekretärin Genossin Altobelli seit vielen Jahren ist. Genossin Goia ist Arbeitersekretärin in Suzzara, und Genossin Balabanoff gehört dem Parteivorstand der italienischen Sozialdemokratie an. Wir heben die leitenden Ämter dieser Ge­nossinnen in den Gewerkschaftsorganisationen und der Partei aus einem bestimmten Grunde hervor. Obwohl die Konferenz nicht zahl­reich beschickt war, standen doch in Wirklichkeit die Partei und starke Gewerkschaften mit ihrer Sympathie und ihrem Ansehen hinter den Delegierten, bereit, die sozialistische Frauenbewegung tatkräftig zu fördern. Außerdem zeigt der Umstand, daß in Italien die eifrigsten Trägerinnen der sozialistischen Frauenbewegung nicht minder fleißig in der allgemeinen Arbeiterbewegung mitarbeiten und dort wichtige Amter bekleiden.

Die Frauenfonferenz billigte den Bericht über die Tätigkeit der Genossinnen in der verflossenen Geschäftsperiode. Sie betonte, daß es notwendig sei, unter dem weiblichen Proletariat die gewerkschaft­liche und politische Agitations- und Organisationsarbeit eifrigst und planmäßig zu betreiben und die bestehenden einzelnen Frauenber einigungen der allgemeinen Bewegung einzugliedern. Sie beschloß ferner, sich mit dem Parteivorstand zu verständigen, beziehungs­weise ihn um die nötigen Mittel zu ersuchen für die Besoldung des Redaktionspostens der Difesa delle Lavoratrici" und die Anstel­lung und Besoldung einer Sekretärin, deren Aufgabe es wäre, die Organisierung des weiblichen Proletariats zu betreiben. Die Ston ferenz erörterte auch die Frage, wie der Kampf für die sozialen Forderungen des weiblichen Proletariats wirksam zu fördern sei. So für den freien Samstagnachmittag, die Ausdehnung der Mutterschaftsversicherung auf die Landarbeiterin nen und Heimarbeiterinnen usw. Die Frauenkonferenz empfahl den Genossinnen, sich der Arbeitskonföderation zur Verfügung zu stellen, in der die gewerkschaftlichen Organisationen Italiens föde­ralistisch zusammengefaßt sind. Gemeinsam mit ihr sollen sie die Forderungen des weiblichen Proletariats auf dem Gebiet der sozialen Gesetzgebung verfechten.

Was das Wahlrecht betrifft, so wurde vom Landeskomitee der Genossinnen der Konferenz eine längere Resolution vorgelegt. Sie fordert außer dem Wahlrecht für alle Großjährigen ohne Unter­schied des Geschlechts das Proportionalwahlrecht und die Einfüh rung der Listenwahl. Das Frauenwahlrecht wird gefordert in der Erwägung, daß die sogenannte, große Reform des Wahlrechts in Italien nur die Ausdehnung eines Vorrechts auf einen größeren Teil der männlichen Bevölkerung bedeutet; daß es ein Hohn ist, von dem allgemeinen Wahlrecht zu sprechen, wenn die eine Hälfte der erwachsenen Bevölkerung und der Arbeiterklasse rechtlos ver­bleibt; daß die Frauen infolge der gleichen Lebensbedingungen und der sich daraus ergebenden Klassensolidarität denselben Anspruch auf die Waffe des Wahlrechts haben wie die Männer, dieser Waffe aber noch dringlicher als diese zu ihrer Verteidigung bedürfen, weil sie in ihrer Eigenschaft als Frauen und Arbeiterinnen doppelt aus­gebeutet werden und als Mütter das höchste soziale Interesse ver­treten, nämlich das Interesse der Gattung; daß keine proletarische Errungenschaft vollständig und dauerhaft sein kann und fein Sieg wirklich revolutionär, wenn nicht auch die Frau als Mitarbeiterin