Nr. 19
Die Gleichheit
Vorbereitungsarbeiten für die Internationale Sozialistische Frauenkonferenz zu Wien .
Die Vorbereitungsarbeiten für die 3. Internationale Sozia listische Frauenkonferenz zu Wien schreiten rüstig vorwärts. Das vorbereitende Komitee hat in seiner Sitzung vom 20. April in Berlin eine stattliche Reihe von Wünschen und Anregungen beraten, die sich teils auf die Tagesordnung der Konferenz bezogen, teils auf die Behandlung der zu erörternden Fragen, oder die den Zweck verfolgten, die Verständigung und das Zusammenwirten zwischen den Genossinnen der einzelnen Länder noch fester zu gestalten. Der Sizung wohnten bei die Mitglieder des vorbereitenden Komitees, die Genossinnen Baader, Zetkin und Ziez aus Deutschland , die Genossinnen Boschet und Popp aus Österreich , Genossin Longman aus England, Genoffin Ankersmit aus Holland und eine Genossin aus Rußland .
Man tam überein, an dem seitherigen Modus der Dele. gierung zur Konferenz nichts zu ändern, weil es wünschenswert sei, auch schwächeren Organisationen eine Beteiligung zu ermöglichen. Da jede Nationalität selbst die Mandate ihrer Delegierten prüft, sind aus den weitherzigen Zulassungsbestimmungen keine Schwierigkeiten zu befürchten. In Verbindung mit der Konferenz soll eine große Demonstrationsversammlung der Frauen gegen den Militarismus und für das Ideal der sozialistischen Völkerverbrüderung stattfinden. Namentlich den englischen Genossinnen liegt sehr viel an dieser Rundgebung. Die ursprünglich für die Tagesordnung vorgesehene Frage der Teuerung wurde gestrichen. Ausschlag gebend dafür war, daß diese Frage seither auf die Tagesordnung des Internationalen Sozialistentongresses gestellt worden ist und daß man eine Überlastung der Konferenz mit Beratungsstoff vermeiden wollte. Die Genossinnen waren sich aber darüber einig, daß in Hinblick auf unsere Propaganda unter dem weiblichen Proletariat eine Stellungnahme der Konferenz zu den praktischen Mitteln sehr nützlich sei, der Teuerung und ihren Folgen entgegenzuwirken. Deshalb soll eine entsprechende Resolution eingebracht, begründet und dem Internationalen Kongreß vorgelegt werden.
Die Genossinnen der Schweiz , in Finnland und den Ver einigten Staaten hatten beantragt, von der Konferenz die einheitliche internationale Festlegung des Frauentags auf das gleiche Datum zu fordern. Die beratenden Genossinnen konnten sich diesem Antrag nicht anschließen. Es wurde das mit der Unmöglichkeit begründet, von vornherein die Genossinnen der einzelnen Länder und damit die sozialdemokratische Partei zu binden, der sie organisatorisch wie ihrer grundsätzlichen Auffassung nach eingegliedert sind. Alle Genofsinnen betonten start den sehr bedeutenden Nußen, den die proletarische Frauen bewegung wie die gesamte Sozialdemokratie von dem Frauentag gehabt hat. Sie waren einig darin, daß der Gedanke des internationalen sozialistischen Frauentags festgehalten werden muß, das heißt die Notwendigkeit, in jedem Jahre einmal die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Lage und die Forde rungen der Frauen zu lenken und für diese Forderungen selbst intensiv und konzentriert unter den breitesten Massen zu agitieren. Dabei soll der internationale Charakter der For derungen und die internationale Solidarität der sozialistischen Frauen und Arbeiterinnenorganisationen aller Länder stark betont werden. Zu diesem Behuf, so wurde ausgeführt, seien außer dem möglichst einheitlichen Datum eines Frauentags noch andere Mittel ins Auge zu fassen: die internationale Mitarbeit der Genossinnen an den Publikationen, die den Zwecken des Frauentags in den einzelnen Ländern dienen, schriftliche Sympathiekundgebungen aller Art, die Entsendung von Delegierten, Mithilfe bei der Agitation usw. Über Datum und Form der Demonstration und Agitation zu entscheiden, das müsse den Genossinnen und der Partei jedes Landes überlassen bleiben.
Zur Frage des Frauenwahlrechts selbst soll der Nonferenz dieser Antrag empfohlen werden, den Genossin Ziet
295
namens der deutschen Genossinnen einbrachte:„ Um die Propaganda für das Frauenwahlrecht intensiver zu gestalten, ist außer dem internationalen Frauentag, in welcher Form er immer begangen wird, eine lebhafte Agitation für das kommunale Frauenwahlrecht zu betreiben anläßlich der kommunalen Wahlen in den einzelnen Ländern( Stadtverordnetenwahlen, Gemeindevertreterwahlen). Desgleichen ist überall die ehrenamtliche Tätigkeit der Genossinnen in den Kommunen auf das eifrigste zu fördern, die ein Stück Wegbereitung für Erlangung der kommunalen Gleichberechtigung beider Geschlechter darstellt." Da die grundsätzliche Auffassung des Frauenwahlrechts wie die Frage der Taktik zu seiner Eroberung durch die Beschlüsse früherer Konferenzen und des internationalen Kongresses zu Stuttgart entschieden ist, wird die Wiener Nonferenz sich vor allem mit den Wirkungen des Frauenwahlrechts in der Praxis beschäftigen. Zu diesem Zweck sind kurze Referate von Genosinnen aus den Ländern vorgesehen, wo das weibliche Geschlecht auf politischem oder kommunalem Gebiet gleichberechtigt ist. Über das politische Frauenwahlrecht werden Genossinnen aus Finnland , Norwegen und den Vereinigten Staaten referieren, über das kommunale Frauenwahlrecht Genossinnen aus England, Dänemark , Schweden und Norwegen . Über den Kampf um das kommunale Wahlrecht und die kommunale Mitarbeit der Frauen wird eine Genossin aus Deutschland das Referat erstatten. Der Diskussion soll es vorbehalten bleiben, ein Bild der Situation in den Ländern zu geben, wo noch um das Frauenwahlrecht gefämpft wird. Die vorberatenden Genossinnen sind überzeugt, daß durch die vorgesehene Behandlung der Agitation für das Frauenwahlrecht neues wertvolles Material zugeführt wird.
Die Erörterung unserer Forderungen an gesetzlichem Schuß und sozialer Fürsorge für Mutter und Kind soll so umfassend und gründlich als nur möglich sein. Deshalb sind auch hierzu eine Reihe einleitender Referate vorgesehen. Da das Kind schon in der Mutter und umgekehrt die Mutter im Kinde geschützt werden muß, stehen an erster Stelle ein Referat über den gefeßlichen Arbeiterinnenschutz und ein solches über gefeßlichen Kinderschutz und Kinderschutzkommissionen. Das erstere wird von einer österreichischen, das letztere von einer deutschen Genossin erstattet. Über die verschiedenen Formen der staatlichen Mutterschaftsfürsorge soll eine russische Genossin referieren. Einer Anregung der Genossin Ankersmit entsprechend, wurde geprüft, ob es nicht möglich sei, daß die Konferenz auch durch Referat und Debatte gründlich die Frage erörtere, wie die proletarische Mutter als Hausfrau durch kommunale, genossenschaftliche und private Einrichtungen entlastet werden könne. Die Möglichkeit einer solchen Erörterung mußte in Hinblick auf die verfügbare Zeit verneint werden. Da es jedoch notwendig ist, im Zusammenhang mit der ganzen Materie die Aufmerksamkeit auch auf die hier vorliegenden Fragen zu lenken, soll eine entsprechende Resolution eingebracht und sachgemäß begründet werden.
Die internationalen Korrespondentinnen sollen der internationalen Sekretärin einen Überblick einsenden über die gesezlichen Bestimmungen, sozialen Einrichtungen und wichtige Tatsachen, die sich auf die zu behandelnden Fragen der Konferenz beziehen. Namentlich gilt dies für das ganze Gebiet der gesellschaftlichen Fürsorge für Mutter und Kind. Die englischen Genossinnen werden möglichst zuverlässiges Tatsachenmaterial über die Mutterschaftsfürsorge in Australien zu erhalten suchen. Die einlaufenden Zusammenstellungen werden in der„ Gleichheit" veröffentlicht. Die leitenden Genossinnen hoffen, daß auf diese Weise die sachkundige und gründliche Erörterung der Beratungsgegenstände gefördert, gleichzeitig aber auch das allgemeine Interesse an ihnen gehoben wird.
Die Resolutionen zu den Verhandlungsgegenständen sollen die Frucht internationaler Verständigung sein. Deshalb wiro die Konferenz selbst eine entsprechende Anzahl von Kommissionen einsetzen, denen die Aufgabe zufällt, die einlaufenden Resolutionen zu prüfen und durchzuarbeiten. Dadurch wird