Nr. 19

Die Gleichheit

selbst, diese Art der Beschäftigung in der Konservenindustrie zu verbieten.

Ein besonders trauriges Kapitel der Heimarbeit in der Konservenindustrie ist die Kinderarbeit. Was hier und da durch gedankenlose Kinderausnutzung gesündigt wird, spottet jeder Beschreibung und ist wohl nur in der Konservenindustrie möglich, wo manchmal schon nach wenigen Stunden die fertige Arbeit abgeliefert werden muß. So wird unbarmherzig dar­auf losgeschanzt, die Kinder müssen ununterbrochen mehrere Stunden stillfißen und schaffen, ohne auch nur aufzusehen. Eine wahre Qual das, von der sie keine Bitten und keine Tränen erlösen, wenn draußen die Sonne lacht oder spielende Kameraden loden. Kinder werden aus der Schule zurück­behalten und als krank gemeldet. Wie verderblich diese elter­liche Lüge auf die Kinder wirkt, wird nicht bedacht. Nur ein Gedanke herrscht: arbeiten, arbeiten, Geld verdienen, solange die Saison dauert. An das Gute, das dabei im Kinde erstict wird, denkt man ebensowenig wie an dessen gefährdete Ge­sundheit. Da wird bei verschlossenen Türen gearbeitet, damit nicht kontrolliert werden kann, daß die Eltern selbst das Kinderschutzgesetz übertreten. Bermutet man eine Kontrolle, so werden die jüngsten Rinder rasch von der Arbeit gejagt, frank gemeldete Schüler ins Bett gesteckt, und in der Woh­nung fißt dann die Mutter allein mit einem größeren Kinde über Bohnen, Karotten oder Spargeln, die Sache sieht ganz harmlos aus.

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Unstreitig kennen sehr viele Eltern die Bestimmungen des Kinderschutzgesetzes gar nicht, so daß die kontrollierenden Be­amten bei festgestellten übertretungen oft von Strafanträgen absehen. Die Konservenfabriken find aufgefordert worden, Kenntnis über das Kinderschutzgesetz verbreiten zu helfen. Der Fabrikarbeiterverband läßt sich angelegen sein, in dieser Beziehung aufklärend zu wirker. Aber was nügt das alles, wenn die Not eine schlechte Beraterin ist und die Mutter er­finderisch macht, die Bestimmungen des Gesezes nur schlauer zu umgehen? Auch in dieser Hinsicht ist es in der erdrücken­den Mehrzahl der Fälle nicht die Heimarbeiterin, die Vor­würfe verdient abgesehen von dem einen, sich nicht über die Verhältnisse aufzuklären, die die Ursache ihrer Armut find. Sie denkt meist nur daran, daß sie ihren Kindern etwas in den Magen und auf den Leib schaffen muß, und daß der eigene Verdienst und der des Mannes nicht dazu reicht. Sie weiß nicht, daß das heimarbeitende Kind den Lohn der heim­arbeitenden Mutter drückt, und daß alle Heimarbeitenden den Erwerb der Fabrikarbeitenden schmälern und niedrig halten. Wirklich schuldig an dem Elend der Kinderausbeutung ist die Gesellschaft, die die Heimarbeit zuläßt, sind die Rapitalisten, die sie bis zum äußersten ausnüßen. Daß derartig ausge­beutete Kinderarbeit feine Erziehung zur Arbeit bedeutet, liegt auf der Hand. Das gesunde Kind ist bewegungsluftig, neuer Eindrücke froh und aufnahmebegierig. Das stunden­lange Gebanntsein an einen Fleck beim Bohnenabziehen und dergleichen wird als Härte, als Grausamkeit empfunden. In der Heimarbeit schafft sich die Gesellschaft Arbeitsscheue und Arbeitshasser.

Das gesetzliche Verbot der Heimarbeit in der Konserven­industrie ist und bleibt eine der dringendsten Forderungen, für die wir im Interesse der Allgemeinheit, der Heimarbeite­rinnen, der Kinder und der Fabrikarbeiterschaft kämpfen müs­sen. Sicherlich wird sich auch der Fabrikarbeiterverband näch stes Jahr bei dem Abschluß eines neuen Tarifs für die Ar­beiter und Arbeiterinnen in der Konservenindustrie mit der Frage der Heimarbeit befassen müssen. Die in Betracht kom­mende organisierte Fabrikarbeiterschaft darf nicht vergessen, daß es ihr erheblich erschwert wird, höhere Löhne zu erringen, wenn Heimarbeiterinnen die Rolle von Schmußkonkurren­tinnen und eventuell von Streifbrecherinnen spielen können. Auch das kaufende Publikum müßte auf das Verschwinden der Heimarbeit in der Konservenindustrie einwirken. Es hätte alle Konserven zurückzuweisen, die nicht nachweislich in Fabrikräumen unter Beobachtung der strengsten hygienischen

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Vorschriften hergestellt worden sind. Fort mit der Heimarbeit in der Konservenindustrie! Das sagen uns die Verhältnisse in klassischen Lande dieses Gewerbes. E. B.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Wenn Unterzeichnete auf die ihr übertragene Aufklärungsarbeit der letzten Zeit zurückblickt, so kann sie gleich anderen Genossinnen von guten Ergebnissen berichten. An die stimmungs­vollen Frauentage in Dresden- Neustadt und im vierten sächsischen Wahlkreis schlossen sich in der roten Woche prächtige Versamm­lungen in Hamburg an. Die christliche Nächstenliebe hielt es für würdig, die eine davon zu stören, nämlich die in Eppendorf . Ein Geistlicher veranstaltete dort im gleichen Lokal und zur gleichen Stunde, wo unsere Versammlung stattfand, kinemato­graphische Vorführung für die Jugend. Ihr wurde unter anderem zu ihrer Bildung der Teufel gezeigt. Natürlich war diese Offenbarung" von entsprechendem Gegröhle und Hallo begleitet. Auf unsere Bitte, die Jugend etwas ruhiger zu halten, erfolgte die Antwort, es werde auch noch gesungen und musiziert. Was prompt geschah. Wir möchten das Aufheben und die Polizeiverfügungen sehen, wenn unsere Jugend und ihre Führer sich ähnlich verhalten würden. Versammlungen in Ottendorf- Okrilla und Großschönau in der Lausitz folgten. Auch sie sollten die Aufrüttelung der Frauen fördern. Leider war die Versammlung in dem leẞtgenannten Orte nicht gut besucht, obgleich in Großschönau das Kapital die meisten Proletarierinnen mit der Hungerpeitsche regiert. In Jugend­versammlungen referierte die Unterzeichnete in mehreren Orten über diese Fragen:" Die Kriminalität der Jugendlichen und ihre Ursachen" und" Die sozialwirtschaftliche Bedeutung der jugendlichen Arbeiter". Für die Gruppen der weiblichen Jugend­lichen in Dresden - Alt- und Neustadt behandelte sie in zwei Ver­sammlungen die Entwicklung der Frauenarbeit in Deutschland . Alle diese Jugendversammlungen waren sehr gut besucht, und dent Vortrag folgte eine recht anregende Debatte. Ein schöner Beweis, daß die Jugendlichen die Bildungsmittel der politischen und ge­wertschaftlichen Organisationen nicht unbenußt laffen. Eine Volks­versammlung in Wachau beschäftigte sich mit dem Thema: Ar­beiterschaft und Schule". Anlaß dazu gaben schwere Mängel in der Ortsschule, unter anderem das überschreiten des Züchtigungs­rechts. Lehrer und Pastor glänzten trotz besonderer Einladung durch Abwesenheit. Die engere Ortsverwaltung unserer Partei­organisation wurde nach lebhafter Diskussion damit beauftragt, die vorgebrachten Beschwerden zu prüfen und weiter zu behandeln. Die gut besuchten Versammlungen unserer organisierten Genos­finnen in Groß- 3schachwitz und Mügeln hinterließen den guten Eindruck eifrigen geistigen Lebens.

In Dresden und Umgegend entfalteten einige Gewerk­schaften unter den Arbeiterinnen eine rührige Agitation. Der Fabritarbeiterverband suchte in 8 Versammlungen weibliche Mitglieder zu werben und zu bilden, der Glasarbei­terverband verfolgte dieses Ziel in 2 Versammlungen, der Hutarbeiterverband in 8 Veranstaltungen. Die Entwick­lung der Frauenarbeit schärft den Blick und belebt den Willen der Gewerkschaften für die Aufgabe, die Arbeiterinnen und Arbeiter­frauen aufzuklären, zu sammeln und aus Hindernissen im wirt­schaftlichen Kampfe zu Mitstreiterinnen darin zu machen. Der Er­folg bleibt nicht aus. Marie Wadwig.

Jahresbericht über die proletarische Frauenbewegung in Schlesien . Auf ein Jahr eifrigster Arbeit können die tätigen Ge­nossinnen in Schlesien zurückblicken. Und diese Arbeit hat sich ge­lohnt. Gewiß können nicht von überall große Erfolge gemeldet werden. Es geht in Schlesien vielleicht langsamer vorwärts als in mancher anderen Gegend. Aber unsere Bewegung entwickelt sich hier stetig. In Industriezentren schießt gewöhnlich unsere Saat schneller in die Halme als in ländlichen Gegenden. In Schlesien war es nicht immer so. Es kam vor, daß unsere Frauenbewegung in Industrieorten stagnierte, während sie in ländlichen Orten oft unerwartete Fortschritte machte. Die erstere Erscheinung erklärt sich durch die Krise wie auch durch die ganz miserablen Löhne, die zum Beispiel in der Textil- und Tabakindustrie gezahlt werden. Der Aufschwung der Bewegung in ländlichen Orten ist ein Triumph unserer sozialistischen Ideen. Überall erkennen die Genossen immer mehr, wie nötig es ist, die Frauen aufzuklären und zu organisieren. So bildet sich nach und nach in weltentlegenen Dörfern ein Stamm tüchtiger Genossinnen heran.

Im vergangenen Jahre wurde eine planmäßige Agitations­arbeit unter den Proletarierinnen betrieben. In den großen