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Die Gleichheit

Städten wie Breslau  , Görlik und anderen war damit schon früher begonnen worden. Hier ist längst eine ansehnliche Zahl von Genoffinnen vorhanden, bei jeder öffentlichen Versammlung wird darauf Bedacht genommen, ihre Schar zu vermehren. In Breslau  wurde vor und nach der roten Woche eine eifrige Haus agi­tation betrieben, die der Partei einen schönen Zuwachs weib­licher Mitglieder brachte. Man könnte nur wünschen, daß sich noch mehr Genossinnen an solcher Hausagitation beteiligen. Zurzeit ist in Breslau   das zweite Tausend politisch organisierter Genos­sinnen überschritten. Auch andere Orte verdanken der Hausagi­tation neue weibliche Mitglieder. Eine gut vorbereitete Haus­agitation hat sich neuerlich als treffliches Mittel erwiesen, auch folche Frauen zu gewinnen, die sonst nicht von unserer Agitation erfaßt werden. Das Versammlungsleben war ein sehr reges. Die Parteisekretärin für Schlesien   allein hat in 75 öffent­lichen Frauenversammlungen geredet; die öffentlichen Versamm­lungen für Frauen, in denen andere Genossinnen oder Genossen sprachen, lassen sich für die ganze Provinz nicht genau zahlen­mäßig angeben. Unser Frauentag wurde durch eine stattliche Anzahl Versammlungen begangen und zeitigte schöne Erfolge. Im Görlißer Bezirk gab es freilich nur eine Versammlung- in Görlig selbst, hier waren die Genossen zu stark mit den Ge­meindewahlen beschäftigt. Ganz besonders wurde das Augenmerk auf die Einrichtung und Pflege von Frauenabenden ge= richtet. In vielen Orten bestanden solche bildende Veranstaltungen schon, im letzten Jahre ist aber ihre Zahl ganz beträchtlich ver­mehrt worden. Es wurde darauf hingewirkt, daß die Frauenabende überall regelmäßig und möglichst in demselben Lokal stattfanden. Immer mehr erwies sich die Nüßlichkeit, daß besondere Ein­ladungszettel an die Genoffinnen durch Genossinnen ausgetragen wurden. Bei den meisten Frauenabenden fanden Vorträge statt. Die Sekretärin allein hat bei 64 Frauenabenden gesprochen. Es sei rühmend hervorgehoben, daß viele Genossen helfend ein­sprangen, um dem Mangel an weiblichen Vortragenden zu be gegnen. Die Verbreitung verschiedener Broschüren unter den neuen und zum Teil auch unter den älteren Genossinnen ergänzte die mündliche Aufklärung und Belehrung. Es wurde angeregt, den weiblichen Funktionärinnen die Broschüren der Frauenbibliothek anzuschaffen. 1400 Exemplare davon kommen zunächst zur Ver­teilung. Zu wünschen wäre, daß unsere Genossinnen in die sozia­listische Gedankenwelt tiefer eindringen und sich auch sonstiges Wissen aneignen. Der Anfang dazu ist gemacht. Überall, wo Bildungskurse abgehalten wurden, waren auch Frauen unter den Schülern. In Breslau   und Liegniß haben Kurse statt­gefunden, in denen Genossin Wulff Vorträge über unser Pro­gramm hielt. Dadurch wurden einige Genossinnen geschult, später selbst Vorträge abhalten zu können. Einige neu herangebildete Rednerinnen sprachen am Frauentag und darauf an Frauen­abenden. Die Zahl unserer tätigen Genossinnen ist gewachsen. Be­sonders dort, wo ein größerer Stamm weiblicher Mitglieder vor­handen ist und wo Frauenabende abgehalten werden, gehören Frauen dem Vorstand der Organisation an. Die betreffenden Genossinnen sind zum großen Teil außerordentlich tätig und scheuen keine Mühe, kein Opfer im Dienste der Partei. Unter den Beitragseinholern befindet sich manche Genossin. So tassieren zum Beispiel im Breslauer Landkreis die Genossinnen bei den weib­lichen Mitgliedern. In Görlitz   ist es ähnlich, dort tragen auch unsere Genossinnen die Gleichheit" aus, die obligatorisch gegeben wird.. Alles in allem beweist die rege Tätigkeit der Genossinnen, daß sie verstehen, sich in Reih und Glied zu stellen und tüchtig zu arbeiten, Daher gewährt man uns auch meist gern, was für die besondere Frauenagitation notwendig ist. Mehr und mehr ver­schwindet dabei das ehrwürdige Gerede von der berühmten Extra­wurst", die die Frauen gebraten haben wollen. Das neue Tätig­teitsjahr hat gut begonnen. Hoffen wir auf weitere Erfolge. F. W. Eine Frauenkonferenz für den oberrheinischen Agitations. bezirk wurde am 5. April in Köln   abgehalten. Trotz der großen Entfernungen, mit denen wir in diesem riesigen Agitationsgebiet rechnen müssen, waren 30 Genossinnen und 21 Genossen aus fast allen Kreisen zur Beratung zusammengekommen. Als Vertreterin des Parteivorstandes nahm Genossin Bie an ihr teil und er­stattete zugleich das vorgesehene Referat über die Mitarbeit der Frau in der Jugendbewegung. Eine sehr reiche und gründliche Diskussion folgte dem vorzüglichen Referat und zeigte, daß die Genossinnen voll Eifer find, ihre volle Pflicht zur Förderung der Jugendbewegung zu tun. Genossin Juchacz  referierte über die Frage: Wie fördern wir die Frauen­bewegung?" Auch an ihre Darlegungen knüpfte fich eine sehr lebhafte Debatte. Es geht vorwärts am Oberrhein, so schwer auch

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hier der Boden zu beackern ist, wie überall, wo Klerikalismus und Zentrum herrschen. In einzelnen Kreisen haben wir sogar einen ganz erflecklichen Zuwachs an weiblichen Mitgliedern, auch ist es gelungen, sich gut entwickelnde Frauenabende in Orten ein­zurichten, wo noch vor kurzem nur ganz schwache Ansäze geistiger Anteilnahme der Frauen an unserer Bewegung vorhanden waren. Als einen weiteren Erfolg können wir buchen, daß die Frauen systematisch und zielbewußt daran arbeiten, durch Hausagitation Mitglieder für unsere Partei zu werben. Zähigkeit, Ausdauer und Begeisterung sollen uns wertvolle Bundesgenossen sein, mit ihrer Hilfe hoffen wir kraftvoll vorwärtszudringen.

M. J.

Ferienwanderungen und Ferienspiele in Köln  - Stadt und Land haben die Genossinnen des Sozialdemokratischen Vereins auch im letzten Jahre organisiert. Sie können auf ein Werk zurückblicken, das zwar an die persönliche Opferfreudigkeit der beteiligten Ge nossinnen große Anforderungen stellte, aber auch die schöne Genug tuung brachte, etwas Gutes geleistet zu haben. Auf der rechten Rheinseite, in den Vororten Kalt, Humboldtkolonie, Deuß, Wingst   usw. zog man an drei Nachmittagen jeder Woche hinaus in Wald und Heide. Die Kinder erquickten sich nach der Wanderung zuerst an den mitgebrachten Mundvorräten und vertrieben sich dann die Zeit in ungezwungenem Spiel. In Köln   und einer ganzen Reihe Vororten auf der linken Rheinseite wurden an zwei Nachmittagen der Woche Wanderungen und Spiele veranstaltet; meist war hier der schöne Stadtwald das Ziel, wo die Kinder es sich wohl sein ließen. Elf und zwölfjährige Kinder erklärten, den im Weichbild der Stadt liegenden Stadtwald noch nie betreten zu haben! Stann man sich einen bündigeren Beweis dafür denken, wie entseglich das Leben so vieler fleiner Proletarier ist! Die sozialdemokratische Partei organisation, einzelne Gewertschaften und andere Arbeitervereini gungen unterſtüßten die Ferienveranstaltung mit den nötigen Mitteln. Dadurch wurde es möglich, eine größere Summe für die Anschaffung guter Spielsachen zu verausgaben, die sehr fleißig benützt wurden. Bum Schlusse gab es auch bei uns ein Fest mit Kaffee und Kuchen, Bonbons und einem wundervollen Fackelzug nebst Musik. Das Fest war gut organisiert und verlief vorzüglich. Wie notwendig es ist, die proletarischen Kinder wenigstens während der großen Ferien hinauszuführen aus den unfreundlichen Hösen, den lärm- und ge­fahrvollen Straßen der Großstadt, zeigte die ständig wachsende Be­geisterung an unseren Veranstaltungen. An Sammelplägen, wo sich zu Anfang nur 60 bis 80 Kinder einfanden, waren es später weit über hundert. Am Schlußfest war die Beteiligung mit gegen 1500 Kindern so start, daß es in drei Gruppen gefeiert werden mußte. Und wieviele waren der Kinder, die uns mit sehnsüchtigen Blicken nachsahen, wenn wir hinauszogen zu frohem Spiel. Gar zu gern wären auch sie mit uns gegangen, aber sie hatten nicht die Erlaub. nis der Eltern dazu erhalten oder mußten kleinere Geschwister be­treuen, während die Mutter wie der Vater dem Verdienst nachging. Unsere Genossinnen wissen ganz genau, daß es ihnen unmöglich ist, das Meer furchtbaren Kinderelends abzudämmen, das auch hier in Köln   vorhanden ist. Jedoch soweit es in ihren schwachen Kräften steht, wollen sie etwas Sonnenschein in das Leben unserer Prole­tarierjugend bringen. Was unsere Genossinnen in sehr vielen Städten tun, um durch Ferienveranstaltungen die leibliche und geistige Ent wicklung unserer Kinder zu fördern, müßte die Gemeindeverwaltungen auf die wichtigen Aufgaben hinweisen, die in dieser Beziehung für die Gesellschaft vorliegen. Freilich haben bis jetzt die wenigsten Kommunalvertretungen davon gelernt. Die Klassenlage macht die bürgerlichen Mehrheiten darin blind und vorurteilsvoll. Unsere Spiele wurden aufmerksam von bürgerlichen Zuschauern verfolgt. Ob sie wohl darüber nachgedacht haben, was unsere Veranstaltungen für die proletarischen Kinder bedeuteten, und wieviel Opferfreudig. keit und Einsicht unserer abgeraderten Frauen sich darin bekundet, wenn sie ihre Zeit den Kindern widmen? Die Genossinnen haben die frohe Zuversicht gewonnen, daß ihnen bei den Ferienveranstal tungen dieses Jahres manches besser gelingen wird, weil sie aus den Erfahrungen gelernt haben. Sie bleiben eingedent, daß in naher Zukunft aus den jungen, dankbaren Menschenkindern, die sie hinaus. führten, Erwachsene werden, deren Entwicklung auch durch die Wande­rungen und Spiele beeinflußt worden ist. Diese Veranstaltungen sind ein wertvolles Mittel, das alt und jung im Proletariat zu­sammenhält und die Kinder von früh auf mit dem Geist erfüllt, der sie einer freien, schönen Zukunft entgegenführen soll. Marie Juchacz  .

Politische Rundschau.

Die vergangenen Wochen haben die tiefe Schmach und Schande ber deutschen   Bustände hüllenlos gezeigt. Und zwar in den Barla menten Preußens und des Reiches. Diese beiden geseggebenden