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Die Gleichheit
Nr. 20
versammlungen wichtige Fragen und hielten mit der politischen und wahlen das allgemeine, geheime, gleiche und direkte Wahlrecht wirtschaftlichen Entwicklung gleichen Schritt.
Auf der Jahreskonferenz erwies sich, daß das vom Verband verschickte Material den Klubs zum großen Nußen gereicht. 23 Klubs haben im letzten Tätigkeitsjahr 208 Mitglieder und 42 öffentliche Versammlungen abgehalten, dazu 49 Kursusabende veranstaltet. Der Besuch war im ganzen ein guter. Einige Klubs organisierten, außer dem Leseabende, bei denen 8 bis 10 Genossinnen zusammen kommen, um eine Frage gründlich zu studieren, oder bei denen der erste Einblick in die sozialistischen Jdeen gegeben wird. Mehrere unserer Frauenvereinigungen haben Kinderklubs gegründet und hielten Elternabende ab, andere veranstalteten zum 1. Mai, zu Weihnachten usw. ein Kinderfest. Erstrebt wird die Errichtung von Kinderbibliotheken und Bibliotheken für die Genossinnen. Im allgemeinen find die Mitglieder unserer Klubs arbeitende, kämpfende Genossinnen. Wir verdanken ihnen die erhöhte Auflage der„ Proletarischen Vrouw". Viele Genossinnen lassen sich persönlich die Verbreitung des Blattes angelegen sein. Die„ Proletarische Vrouw" erscheint in vergrößertem Umfang und zu ein wenig erhöhtem Preis. Die Zahl der Abonnenten ist auf 7000 gestiegen, die Auflage von 6500 auf 8500. Der Frauentag wurde von 70 Parteiorganisationen begangen Es wurden Flugblätter verbreitet, die„ Proletarische Vrouw" erschien in Festschmuck in einer Auflage von 20000; der Verband stellte den einzelnen Orten einen Vortrag über die Bedeutung der Veranstaltung und der Forderung des Frauenwahlrechts zur Ver fügung. So wurde es möglich, den Frauentag mit Erfolg auch dort abzuhalten, wo es an rednerischen Kräften mangelte. Die Preßtommission des Verbandes hat gute Arbeit geleistet. 22 Gewerkschafts- und 14 Parteiblätter haben alle 14 Tage die Artikel aufgenommen, die die Kommission ihnen zuschickte.
Die Jahresversammlung des Verbandes war fast von allen Klubs mit Delegierten beschickt. Die Schriftführerin hielt ein Referat über die Fragen, die auf der Tagesordnung der Internationalen Frauenkonferenz zu Wien stehen, um das Interesse dafür zu wecken. Genossin Tilanus behandelte den Stand des allgemeinen Frauenwahlrechts. Die bisherige Redaktion der„ Proletarischen Vrouw" und des Kinderblatts wurde einstimmig wieder mit diesem Amte betraut. Seleine Wünsche über unser Organ famen zum Ausdruck, im großen ganzen aber liest man es gern. Die Konferenz zeigte, daß die Erkenntnis, die Kampfeskraft und das Selbst= bewußtsein der sozialdemokratischen Frauen gewachsen ist. Der Parteitag der sozialdemokratischen Arbeiterpartei hat die Frauentlubs und ihren Verband als Parteiinstitutionen anerkannt und der Gesamtpartei angegliedert. Damit ist ein lange gehegter Wunsch der Klubs endlich erfüllt worden. Die Mitglieder der Klubs sind ja alle Parteigenossinnen, die ihre Hauptaufgabe in der sozialdemokratischen Propaganda unter den Frauen erblicken, weil diese Agitation bitter not tut. Nun find unsere Propagandainstitutionen von der Partei als die ihrigen anerkannt worden. Künftig wird der Jahresbericht unseres Verbandes dem allgemeinen Parteibericht für den Parteitag einge fügt. Dem Verband steht auf den Jahrestagungen der Partei das Recht der Diskussion hierüber zu. In den„ Parteirat" entsendet er zwei Vertreterinnen. Das Arbeitsfeld der Klubs und des Verbandes wird nächstes Jahr von der Partei festgesetzt. Wie gesagt, entspricht diese Regelung dem Wunsche der sozialdemokratischen Frauentlubs. Ihre Arbeit wird nun als allgemeine Parteiarbeit gewürdigt. Diese Anerkennung muß die Arbeits- und Kampfesfreudigkeit der sozialdemokratischen Frauen anfeuern und die Energie ihrer Agitation unter den proletarischen Frauen steigern.
Frauenstimmrecht.
H. A.
Ein fortschrittlicher Frauenstimmrechtsverbändler gegen das Franenstimmrecht. Es ist sattsam bekannt, wie es mit dem Kampf für das Frauenwahlrecht seitens seiner bürgerlichen Befenner stebt. „ Worte, nichts als Worte!" heißt es bei Shakespeare . Diese ternfesten Herrschaften haben die Losung des Frauenstimmrechts auf ihr Fähnlein geschrieben, um durch Vorspiegelung falscher Tatsachen neuen Zuzug in ihr Lager zu gewinnen. Im übrigen scheren sie sich den Teufel um diese lockende Aufschrift. Wo es gilt, Farbe zu bekennen, da verleugnen auch die fortschrittlichen Frauenstimmrechtsfreunde ihr Ziel mit einem Mut, der ihnen sonst in politischen Dingen abgeht. Ehe denn der Hahn dreimal fräht, schlagen sie ebenso oft ihre Grundsäge in den Wind und stimmen öffentlich dagegen, ohne daß ihnen nur die Schamröte ins Gesicht steigt.
Einen neuen schlagenden Beweis dafür brachte vor kurzem eine umfangreiche Wahlrechtsdebatte in der Bremer Bürgerschaft ", bem Stadtparlament dieser freien Hansestadt. Dort hatten unsere Bertreter am 22. Mai den Antrag gestellt, für die Kommunal
einzuführen, und zwar für alle 20 Jahre alten Männer und Frauen. Den Bürgerlichen, insbesondere den Fortschrittlern, war dieser Antrag überaus peinlich. Sie mußten Stellung nehmen zu einer Forderung, die den konsequenten Grundsäßen der Demokratie entspricht. Und was ist für einen Fortschrittler unangenehmer, als zu den demokratischen Prinzipien stehen zu sollen? Genosse Waigand begründete den Antrag unserer Parteigenossen und insbesondere die Forderung auf Einführung des Frauenstimmrechts mit den durchschlagendsten Beweisgründen, die jeder sozialistischen Proletarierin geläufig sind. Unter anderem erwähnte er, daß der sozialistischen Gruppe der Bürgerschaftsvertreter eine Petition des Vereins für Frauenstimmrecht zugegangen sei." Die Frauen", so erklärte er,„ haben erkannt, daß sie nicht nur als Mütter, sondern auch im wirtschaftlichen Leben von ungeheurer Bedeutung sind, und daß sie ihre Rechte im Staate wahrnehmen müssen." In der folgenden Debatte machte ein bürgerlicher Reaktionär reinsten Wassers seinem gepreßten Herzen Luft durch einen ebenso lobigen wie törichten Angriff gegen jede Frauenbewegung überhaupt. Die bürgerliche Frauenbewegung, der Mutterschutz und dergleichen seien wenigstens nur unfittlich, aber die sozialistische Frauenbewegung o Graus! sei revolutionär und staatserschütternd. Nur von tatkräftigen Männern, so schloß er, kann der Staat regiert werden. Darauf trat der Fortschrittler Hormann auf den Plan. Dieser Herr, Mitglied des Frauenstimmrechts= verbandes, stellte zu dem sozialistischen Wahlrechtsantrag den Abänderungsvorschlag, die Worte und Frauen" zu streichen! Aus dem Munde eines Frauenstimmrechtlers ein öffentlicher Antrag gegen das Frauenstimmrecht- fann die Frauenwahlrechtsfreundschaft der Fortschrittler noch treffender gekennzeichnet werden? Herr Hormann gehört dem Vorstand der Ortsgruppe Bremen des Frauenstimmrechtsverbandes an. Was wird diese Organisation angesichts dieses Verhaltens tun? Herrn Hormann vielleicht einen Lorbeertranz stiften?
Hier zeigt sich's wieder einmal handgreiflich: die Frauenwahlrechtsparole des bürgerlichen Liberalismus ist nichts anderes als ein wesenloses Angstprodukt vor dem revolutionären Sozialismus. Und ein Angstprodukt ist auch der Verrat an dieser Parole. Die bürgerlichen Frauenstimmrechtsdamen aber können das nicht sehen oder wollen es nicht sehen.
Die Frau in öffentlichen Aemtern.
Die Anstellung zweier Franen in der städtischen Armenverwaltung Berlins ist endlich von der Stadtverwaltung nach langwie igen Stämpfen und Widerständen beschlossen worden.
Weitere staatliche Wohnungspflegerinnen im Königreich Sachsen hat die Regierung in den Amishauptmannschaften Stoll berg und Rochlig angestellt. Für Dresden - Stadt, Schwarzenberg und Marienberg ist die staatliche Genehmigung zur Anstellung solcher weiblichen Beamten erteilt worden.
Eine Frau als stellvertretende Vorsitzende im Stadtrat der dänischen Hauptstadt Kopenhagen wurde bereits zum zweiten Male gewählt.
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Jahrgang 1912/1913
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Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Zetkin ( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart .
Druck und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.8. in Stuttgart .