Nr. 21

Die Gleichheit

Herausgegriffen sei nur Genossin Hannas anregungs­reicher Bericht über das Arbeiterinnensekreta­riat. Er bewies sachkundig aufs neue, wie notwendig eine Stelle ist, die die Entwicklung der weiblichen Erwerbstätig feit genau verfolgt und die die gesamten Tatsachen und Er­fahrungen der Agitation unter den Arbeiterinnen nuzbar macht. Die Gleichheit" wird auf diese Ausführungen noch besonders zurückkommen, denn es stimmt, was Genossin Hanna hervorhob: nicht bloß die Entwicklung des wirtschaft­lichen Lebens, auch soziale und politische Erscheinungen, die im Zusammenhang damit stehen, machen die Aufklärung und Organisierung der Arbeiterinnen immer notwendiger. Alles in allem: der Münchener Gewerkschaftskongreß gehört zu den ertragreichsten und bedeutsamsten Tagungen in der Ge­schichte der Arbeiterbewegung. Er hat gezeigt, daß die Ge­schlossenheit und damit die Stoßkraft der Gewerkschaften größer ist als vordem, und ihre Kampfesbereitschaft steht außer allem Zweifel. Das ist der starke Eindruck, den der Rongreß hinterläßt, und dieser Eindruck wird bleiben, wird die Probe in der Praxis bestehen. H. Jäckel.

Die Beteiligung der Frauen

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frankenkasse München mit rund 200 000 Mitgliedern und 83718 Wählern wird berichtet, daß die Mitarbeit der Frauen besonders auffällig gewesen sei. Doch es fehlt bis jetzt an An gaben darüber, wieviel Frauen das Wahlrecht ausgeübt haben. Das gleiche gilt für Halle a. d. S. und wohl für die meisten Kassen. Bei einer großen Zahl von Kassen hat man zwar die Frauen gezählt, die das Wahlrecht ausübten, jedoch nicht die Zahl der weiblichen Mitglieder und der weiblichen Wahl berechtigten festgestellt. Statistische Berechnungen sind also mit­hin auch in diesem Falle unmöglich. Nach alledem blieben nicht viel verwertbare Feststellungen übrig.

Immerhin konnte aus den Mitteilungen von 34 großen Kassen Wertvolles ermittelt werden. Diese 34 Kassen hatten zusammen 205 749 weibliche Mitglieder. Von ihnen waren 122769 wahlberechtigt, also über 21 Jahre alt, das sind 59,8 Prozent der betreffenden weiblichen Mitglieder. Die gesamte Mitgliedschaft jener Kassen- Männer und Frauen zuſammen­genommen hatten 67,3 Prozent Wahlberechtigte. Man er­sieht hieraus, daß sich unter den weiblichen Mitgliedern weit mehr Jugendliche befinden als unter den männlichen. Das ist verständlich. Durch die Verheiratung scheiden viele Frauen aus ihrer Berufsarbeit und der Versicherungspflicht aus, leider ohne daß sie die Mitgliedschaft bei der Kasse freiwillig fort­

an den Neuwahlen der Krankenkassenorgane. sehen. Bei unserer Statistik über die Beteiligung der Frauen

Die Änderung der Vorschriften über die gesetzliche Kranken­versicherung und die damit verbundene neugestaltete Organi­sation der Krankenkassen machten eine Neuwahl der Kassen­verwaltungsorgane nötig. Diese hat zum erstenmal einheitlich für das ganze Reich stattgefunden und rief in hohem Maß das Interesse der Frauen hervor. Die Krankenkassen waren früher die einzigen öffentlichen Institute, die in ihrer Ver­waltung die Gleichberechtigung der Frau kannten. Die Reichs­versicherungsordnung, die jetzt die Krankenversicherung ein schließt, hat die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts auch für die Verwaltung der Unfall- und Invalidenversiche rung gebracht. Die Praxis dieser Gleichberechtigung baut sich auf den Krankenkassenwahlen auf, die die Urwahlen für alle weiter zu wählenden Vertreterkörperschaften bilden. Dazu kommt ein anderer wichtiger Umstand. Die neuen gefeßlichen Vorschriften haben der Krankenversicherung große Gruppen von Mädchen und Frauen unterstellt die Dienstboten, Haus gewerbetreibenden usw. Diese sind damit natürlich auch Wähle­rinnen geworden, die in Frage kommende Wählerschaft ist also erheblich gewachsen. Schließlich hat die obligatorische Einführung der Verhältniswahl den Wahlen selbst ein anderes Gepräge gegeben. Entscheidend ist es nun nicht mehr, daß die einzelne Wählergruppe mit Stimmenmehrheit siegt, sondern wie viele Stimmen jede Wählergruppe erhält, denn die Vertreter wer­den jeder von ihnen im Verhältnis zu der für sie abgegebenen Stimmenzahl zuerteilt. Das spornt die Wahlagitation außer ordentlich an, die vornehmlich unter denen getrieben zu werden pflegt, die indifferent", das heißt unbeteiligt und unentschlossen waren. In unserem Falle waren das wenigstens die neu der Versicherung unterstellten Gruppen von Frauen. So stand bei den letzten Krankenkassenwahlen eigentlich die Frau im Mittel­punkt der Wahlagitation.

Der Unterzeichnete hat es unternommen, durch eine Um frage bei den Ortskrankenkassen eine Statistik über die Be­teiligung der Frauen an den Wahlen aufzunehmen. Diese Er­hebung stieß auf allerhand Schwierigkeiten. Infolge der Eigen­heiten des Verhältniswahlverfahrens fand bei einer stattlichen Zahl selbst recht großer Kassen eine Wahl überhaupt nicht statt. Der Grund dafür war, daß für die einzelnen Wahl­gänge immer nur ein einziger Wahlvorschlag eingereicht wor den war. Bei einer noch viel größeren Zahl von Kassen fand wohl eine Wahl statt, doch erfolgten keinerlei Feststellungen über die Beteiligung der Frauen an ihr. So hat zum Bei­spiel die Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin , bei der 38369 Mitglieder zur Wahl gingen, keine Aufzeichnungen darüber gemacht, wieviel Frauen sich darunter befanden. Von der Orts­

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an der Durchführung der Krankenversicherung im Jahre 1912 vergl. Gleichheit" 1912 Nr. 23 hatten wir gefunden, daß 64 Prozent der weiblichen Mitglieder über 21 Jahre alt und wahlberechtigt waren. Der jezige niedrige Prozentsatz weib­licher Wahlberechtigten erklärt sich daraus, daß die Reichsver­sicherungsordnung den Krankenkassen viele junge Personen zu­geführt hat, namentlich Dienstmädchen.

Von den wahlberechtigten weiblichen Mitgliedern der 34 Kassen sind 29167 zur Wahlurne gegangen, das sind 14,4 Prozent der weiblichen Mitglieder überhaupt und 24,0 Prozent der weiblichen Wahlberechtigten. Ziehen wir die ge­samte Mitgliederzahl jener Kassen zum Vergleich heran Frauen und Männer, so ergibt sich, daß 31,4 Prozent da­von und 43,6 Prozent der Wahlberechtigten das Wahlrecht ausgeübt haben. Es erweist sich, was auch gar nicht verwunder­lich ist, daß die Frauen noch nicht in dem Maße wie die Männer Gebrauch von ihrem Wahlrecht gemacht haben. Immer­hin liegt ein großer Fortschritt vor, denn im Jahre 1912 haben mur 3,5 Prozent der weiblichen Mitglieder überhaupt und etwa 7 Prozent der weiblichen Wahlberechtigten abgestimmt.

In einigen Orten war die Wahlbeteiligung der Frauen be­sonders start und ging über den Durchschnitt hinaus. So hatte die Allgemeine Ortsfrankenkasse in Breslau unter 7862 Wählern 5273 weibliche. Die Frauen stellten also rund drei Viertel der Abstimmenden. Von den wahlberechtigten Mit­gliedern der Ortskrankenkasse für die Wäschefabrikation in Berlin gingen 2240 Frauen und nur 317 Männer zur Wahl. In Göppingen befanden sich unter 7154 Wählern 2774 Frauen, in Godesberg waren von 790 Abstimmenden 331 Frauen. 10616 Frauen gingen in Leipzig zur Urne, wohl die größte Zahl, die sich bei uns jemals an einer Vertreter­wahl beteiligt hat. Die 10616 machten etwa 28 Prozent der weiblichen Wahlberechtigten aus und 20 Prozent aller über­haupt Abstimmenden. Von 1700 wahlberechtigten Frauen in Sebnih wählten 990, also weit über die Hälfte, die Zahl der männlichen Wähler betrug 1150, also nur wenig mehr als die der weiblichen. In Lauban i. Schl. waren 48 Prozent der Wähler Arbeiterinnen, in Mittweida gingen neben 1621 Männern 902 Frauen zur Wahl usw.

In Worms stimmten von 3447 wahlberechtigten versicher­ten Frauen 1380 ab. Hier zeigten auch die Arbeitgeberinnen ein großes Interesse an der Wahl, denn 246 von ihnen kamen zur Urne. Eine überaus große Wahlbeteiligung der Frauen, die ausschlaggebend wurde, wird ohne Angabe genauer Zahlen gemeldet von Barmen, Burkhardtsdorf , wo besonders viele verheiratete Frauen ihr Stimmrecht ausübten), Deuben, Iserlohn , Kattowik, Kissingen , Offenbach am Main ,