Nr. 21
Die Gleichheit
von 229 988 auf 335770 Mt. angewachsen, davon dienten 42882 Mt. Unterstügungszwecken.
Von den gewerkschaftlichen Kämpfen des Jahres 1913 ift besonders eine Bewegung in Chemniz bemerkenswert. Dort ist ein neues Warenhaus H.& C. Tietz errichtet worden. 23 Detail geschäfte versuchten ihren Verkäuferinnen Konkurrenzklauseln aufzuerlegen, um zu verhindern, daß die Gehilfinnen Stellungen bei der neuen Firma annahmen oder die Gelegenheit zu Gehaltsforderungen benutzten. Durch das einmütige Vorgehen der Angestellten und durch die Solidarität der Arbeiter gelang es, die Geschäftsinhaber zum Verzicht auf die Anerkennung der Konkurrenzklausel zu zwingen. In dem neuen Warenhaus kam es schon bald nach seiner Eröffnung zu einer Lohnbewegung. Der erstrebte Tarifvertrag wurde zwar nicht erreicht, jedoch gelang es, verschiedene Verbesserungen der Arbeitsverhältnisse durchzusetzen. Die Zahl der abgeschlossenen Tarifverträge ist auf 192 Tarife für 8654 Personen angewachsen. Über die sozialpolitischen Kämpfe des Jahres 1918 haben wir in der Gleichheit" des öfteren berichtet. Das Konkurrenzflauselgesetz ist inzwischen vom Reichstag in einer Form verabschiedet worden, die selbst den Protest verschiedener bürgerlicher Handlungsgehilfenverbände herausgefordert hat. Wir haben es zum erstenmal erlebt, daß nicht allein die freigewerkschaftlichen Handlungsgehilfen, sondern auch große bürgerliche Harmonievereine - darunter fennzeichnenderweise nicht die frauenrechtlerisch geleit. Hammelten Handlungsgehilfinnenvereine hinter der Sozialdemo tratie standen, als diese das Gesez ablehnte. Die Kämpfe um das Sonntagsruhegesez haben infolge der schmählichen Haltung der bürgerlichen Handlungsgehilfenverbände zu feinem Erfolg geführt. Durch den Reichstagsschluß ist jetzt die ganze Vorlage unter den Tisch gefallen. Obwohl der Zentralverband schon eine beträcht liche Zahl organisierter Gehilfinnen umschließt, ist die Zahl der als Funktionäre tätigen weiblichen Mitglieder noch verhältnismäßig gering. Bei planmäßiger Arbeit wird es sicher möglich sein, besonders in den großen Drten, ihre Zahl erheblich zu vermehren. Vom 19. bis 21. Mai tagte die neunte Generalversamm lung des Verbandes in Hannover . Sie hörte Referate über die „ Arbeitslosenversicherung und die Stellenbermittlung für Handlungsgehilfen" und Die Handlungsgehilfen und die Vereinheit. lichung des Arbeitsrechts" und nahm Stellung zum Stonkurrenz tlauselgesetz und zur Sonntagsruhebewegung.
Kürzlich hielt der bürgerlich- frauenrechtlerische Kaufmännische Verband für weibliche Angestellte seine diesjährige Hauptversammlung in Berlin ab, in Verbindung mit einer„ Jubelfeier" anläßlich seines fünfundzwanzigjährigen Bestehens. An den Veranstaltungen nahmen unter anderen Vertreter der Berliner und Botsdamer Handelskammern teil. Diese Unternehmervertreter find offenbar völlig von der Harmlosigkeit der Organisation überzeugt. Auch Vertreter des Reichsamts des Innern und des Reichsjustiz amts ließen sich herbei, an der Tagung des„ Kaufmännischen Berbands" teilzunehmen, wenngleich fich die Handlungsgehilfen sonst des Wohlwollens der Regierung nicht erfreuen, wie besonders die letzten Monate gezeigt haben. Die Handlungsgehilfinnenvertreter haben nun die Gelegenheit nicht etwa wahrgenommen, um den Unternehmern und den Regierungsvertretern zu demonstrieren, wie groß die Empörung über das gänzliche Versagen der sozialpoliti schen Gesetzesmacherei ist. Nein, sie haben sich bei diesen Herren für die hohe Ehre ihres Besuchs und für das billige Wohlwollen bedankt, das sie dort den Handelsangestellten in Worten versicherten. Diese Tatsache ist nicht verwunderlich bei dem bürgerlichen Geist, der in dem„ Kaufmännischen Verband" herrscht und der diesen der Kraft beraubt, in entscheidenden Dingen wirklich die Interessen der Gehilfinnen zu verfechten.
Notizenteil.
F. O.
Berufsgefahren der Arbeiterinnen. Milzbranderkrankungen bei Arbeiterinnen. Eine im allgemeinen wenig bekannte und doch von den Beteiligten sehr gefürchtete Krankheit ist der Milzbrand. Er wird von Tierkörpern auf den Menschen übertragen und führt bei diesen nach schweren Leiden zu Entstellungen und verhältnismäßig oft zum Tode. Naturgemäß find der Gefahr am meisten die Arbeiter und Arbeiterinnen ausgesetzt, die in ihren Beruf mit Tierkadavern, Häuten und Tierhaaren oder -borsten zu tun haben. Trotzdem für das Hantieren mit diesen Dingen besondere Desinfektionsvorschriften bestehen, sind übertragungen der Krankheitsfeime bislang nicht ganz vermieden worden. Das Kaiserliche Gesundheitsamt hat für das Jahr 1912 insgesamt 266 Milzbranderkrankungen in Deutschland festgestellt, von denen
335
25 zum Tode führten, das sind fast 10 Prozent. Weibliche Personen erkrankten in 20 Fällen am Milzbrand und 6 der Betroffenen find der Krankheit erlegen. Die Art der Übertragung der Krankheitsfeime fonnte in 4 Fällen nicht festgestellt werden, von denen 3 zum Tode führten. Eine Frau haite bei einer Notschlachtung milzbrandtranter Tiere geholfen, eine andere war mit dem Kadaver eines solchen in Berührung gekommen, eine dritte mit Häuten solcher und in einem bierten Falle war eine fragende Kaze Trägerin des Ansteckungsgiftes gewesen. Ein zwölfjähriges Mädchen holte sich die Krankheit beim ständigen Durchschreiten eines Häutelagers im aufwirbelnden Staub, die Frau eines Schneiders wiederum beim Verarbeiten von Roßhaar als Futterstoff. Die Arbeiterin einer Filzwarenfabrik zog sich die Erkrankung am Fachwolf beim Mengen von Rinderhaaren mit russischer und amerikanischer Schafwolle zu. Von den Arbeiterinnen der Bürsten- und Binselindustrie erlagen 2 von 5 befallenen der Krankheit, und diese 2 waren Heimarbeiterinnen. Die eine war als Bürsteneinzieherin in einer Fabrik tätig und nahm Arbeit mit nach Hause, wo nach dem amtlichen Bericht die Ansteckung erfolgte. Die Krankheit nahm ihren Ausgang in den Schleimhäuten des Mundes und Nachens. Während in diesem Falle nur Material verarbeitet worden sein soll, das bereits einer Desinfektion durch zweistündiges Stochen unterworfen worden war, handelte es sich im zweiten Falle nur zum Teil um solches Material, zum andern aber mußte die Arbeiterin die chinesischen Borsten und französischen Roßhaare in ihrer eigenen Küche tochen, die Garantie für die Gründlichkeit der Desinfektion ist also wohl zweifelhaft. Das Material selbst lagerte offen in einer Niste in der Küche. Drei weitere Fälle von Milzbrand bei Arbeiterinnen, von denen einer tödlich verlief, kamen in Roßhaarspinnereien vor, und einer ist in einer Lumpenfortiererei berzeichnet. Alle, die mit Häuten, Fellen, Roßhaar oder Borsten in Berührung kommen, sollten sich durch peinlichste Reinlichkeit eventuell durch Waschen mit Sereosolseifenwasser gegen Ansteckungsgefahr zu schützen suchen. Vor allem müßten sie bei vorhandenen Hautverlegungen die Berührung mit solchen Dingen vermeiden.
Beachtenswert ist bei diesen fortgesetzten Erkrankungen, daß sowohl inländisches wie ausländisches, ja, daß sogar auch desinfiziertes Material Träger des Ansteckungsgiftes gewesen ist. Angesichts dieser Tatsachen muß man den einschlägigen Forderungen der beteiligten Arbeiter beistimmen. Es ist dringend notwendig, daß endlich der Desinfektionszwang vom ausländischen auf das inländische Material ausgedehnt und eine einheitliche gründliche Desinfektion vor. geschrieben werde. Des weiteren ist strikt die Verarbeitung solch gefährlichen Materials in der Heimarbeit zu verbieten. Die Zahl der Todesfälle an Milzbrand ist zwar im Verhältnis zur Zahl der in den beteiligten Berufen Beschäftigten nicht besonders groß. Nichtsdestoweniger bedeutet jeder Fall ein Verbrechen an der menschlichen Gesellschaft, indem es möglich gewesen wäre, durch bessere Maßnahmen ein Menschenleben zu erhalten. Das kapitalistische Unter nehmertum schreckt freilich vor Verbrechen dieser Art nicht zurück, wenn es seinen Profit gilt. Hier muß der Zwang des Gesetzes und die Macht der Arbeiterorganisation eingreifen.
Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
fk.
I. K. Der Frauentag in Galizien und Polnisch - Schlesien . Leider war es uns nicht möglich, den Frauentag zusammen mit der ganzen Internationale zu feiern. Wie ich schon berichtet habe, waren es sehr wichtige Gründe, die unsere Parteileitung bewogen, die Ver anstaltung auf den 7. Juni zu verschieben. Nicht ohne Bangen wur den alle Vorbereitungen getroffen, um den Frauentag zu einer ein drucksvollen Manifestation zu machen. Arbeitslosigkeit und Hunger sind einer solchen nicht günstig. In Galizien wütet noch die Krise, und namentlich die Frauen werden sehr hart von ihr getroffen. In allen größeren Städten des Kronlands wurden zum Frauentag Versammlungen veranstaltet. So in Lemberg , Kratau, Neu- Sandec, Stryj , Drohobycz . Es referierten außer Genossinnen auch unsere Abgeordneten. Obwohl es in Strömen regnete, tamen unsere Ge nossinnen und Genossen sehr zahlreich zu den Versammlungen. Leider mußten wegen des schlimmen Wetters die geplanten Straßendemon strationen mit Standarten ausfallen. In Schlesien hatten wir 15 Versammlungen einberufen, die geradezu einen glänzenden Verlauf nahmen. Alle unsere redegewandten Genossinnen sprachen, da aber ihre Zahl nicht groß ist, sprangen Genossen als Vortragende ein. Versammlungen fanden statt in Michaltonie, Steinau , Suchau, Dombrau, Dziedzic usw. Überall wurde die vorgelegte Resolu tion einstimmig angenommen, die zum Stampf für politische Frauenrechte auffordert. Zum erstenmal haben wir bei der Veranstaltung ein Flugblatt herausgegeben: Frauentag". In den anderen Jahren verbreiteten wir eine besondere Nummer unseres Organs„ Glos