Nr. 24

Die Gleichheit

neue die Zeit für die Aussaat des Friedens- und Brüderlich­feitsgedankens gekommen ist, wird Jaurès  ' Name und Werk in lebendiger Kraft und Schönheit leuchten. Für diese Zeit uns bereit zu halten- unerschütterlich in der Liebe zu allem, was Menschenantlig trägt; mutig in der Hoffnung auf Ge­schlechter, die unsere Ideale kühn vorantragen; stark im Glau­ben an den völkerverbindenden Sozialismus-, das sei unsere Pflicht, das der Schwur unserer stillen Totenfeier für Jean Jaurès  . Alara Zettin.

Unsere Aufgaben.

Parteivorstand und Generalfommission haben die profeta­rischen Frauen Deutschlands   aufgerufen zu einer allgemeinen Hilfsaktion.

Angesichts der unsäglichen Not und dem furchtbaren Jam­mer, die der Krieg über die Arbeiterfamilien bringt, gilt es, den verzweifelten Frauen, den verwaisten Kindern, den Ar­beitslosen, den Kranken und Leidenden mit Rat und Tat bei­zustehen. Die Genofsinnen sollten persönlich Fühlung nehmen mit den Hilfesuchenden und in kameradschaftlicher Weise ihnen beistehen.

Als wichtigste Arbeitsgebiete diefer Hilfsaktion kämen etwa die folgenden in Betracht, die am besten allerorts bestimmten Frauengruppen zugewiesen werden:

1. Auskunftserteilung;

2. Kommunale Arbeit;

3. Kinderfürsorge;

4. Kranken- und Wöchnerinnenhilfe.

Die Auskunftserteilung ist als Mitarbeit in Ar­beiter und Parteisekretariaten gedacht.

Die Auskunft und die Anfertigung von Schriftstücken wird eine mannigfaltige sein: über die Erlangung der Unter­ftüßungen, über Stundung von Zahlungsverpflichtungen und viel anderes mehr, was die Praxis ergeben wird.

Dabei wird es noch eine spezielle Aufgabe unferer dabei tätigen Genoffinnen sein, durch warmherzigen Zuspruch die Gebeugten aufzurichten, ihnen Trost zu spenden, ihren Mut zu heben, sie vor verzweifelten Schritten zu bewahren.

Die fommunale Arbeit ist gedacht als Mitwirkung in den kommunalen Unterstützungskommissionen, die entschei­den über die Bewilligung der Hilfe aus den von privater Seite gesammelten und den Kommunen zur Verfügung gestellten Geldern, deren Auszahlung nach erfolgter Prüfung der Be­dürftigkeit erfolgt; als Mitwirkung bei den nötigen Recherchen für die Zubilligung der staatlichen und kommunalen Unter­stützung an die Familien der Kriegsteilnehmer; als Mit­wirkung bei der Armenpflege, deren Hilfe für die durch den Krieg arbeitslos Gewordenen in Frage kommt; bei der Waisen­pflege; in den Volksküchen; bei der Kalkulierung der Maximal­preise für Nahrungsmittel und bei der Kontrolle, ob diese von den Händlern beachtet oder die Vorschriften übertreten werden.

Die Kinder fürsorge ist gedacht als Beaufsichtigung der schulpflichtigen und vorschulpflichtigen Kinder, deren El­tern arbeitslos, deren Väter im Felde stehen, deren Mütter der Erwerbsarbeit nachgehen oder deren Mütter bei unserer Silfsaktion helfen wollen, um der furchtbar lastenden Ein­samkeit des Hauses zu entrinnen.

Können die Kinder nicht ins Freie geführt werden, müssen Säle, Bureaus und sonstige Räume beschafft werden. Wenn die Kommunalverwaltung uns jetzt natürlich keine Horte, Kindergärten und Kleinkinderbewahranstalten beschaffen kann, die bestehenden Horte samt den Schulen vielmehr zum großen Teil als Lazarette Verwendung finden werden, wird sie doch für diese Zwecke die Kosten für die Beschaffung der Säle und sonstiger Räume übernehmen können. Ein solcher Antrag sollte schleunigst den Kommunalverwaltungen eingereicht wer­den; desgleichen ein Antrag auf Einführung einer allge­meinen Kinderspeisung.

Die Erfüllung dieser Aufgaben fällt unseren Kinderschutz fommissionen zu, die ihre Tätigkeit bedeutend erweitern müssen.

371

Die Kranken- und Wöchnerinnenhilfe ist ge­dacht als Pflege Kranker und Wöchnerinnen; als Hebammen­und Arzthilfe, soweit die Kräfte reichen, die sich freiwillig dazu melden; als Leistung der notwendigsten Hausarbeit und als Bereitung der Speisen für die Kranken, soweit deren Liefe­rung nicht durch private oder kommunale Hilfe erfolgt.

Durch diese Tätigkeit leisten die Genossinnen direkte Hilfe und schaffen reiche moralische Werte. Ihre liebevolle Anteil­nahme an den Sorgen und dem Leid der Hilfesuchenden, ihr trostreicher Zuspruch wird das Zusammengehörigkeitsgefühl unserer Arbeitsbrüder und-schwestern stark entfachen und heben. Ihr Vorgehen wird ein reicher Trost für die im Felde stehenden Arbeitsbrüder sein und den Hilfeleistenden selbst wird ihre jegensreiche Tätigkeit eine wohltuende Ablenkung bringen und die hohe innere Befriedigung, nach besten Kräften bei der Milderung seelischer und förperlicher Not mitgewirkt zu haben. Das Werk der Hilfeleistung wird ein Werk der Sammlung, des gegenseitigen Sichftüßens und Aufrichtens, der Ausdruck schöner Solidarität sein.

Deshalb, Genoffinnen, überall ans Werk! Schnelle um­Luise Ziet. fassende Hilfe ist notwendig.

Ein Erinnerungsblatt.

August Bebels Todestag hat sich am 13. August zum erstenmal gejährt. Wie kurz ist die verstrichene Spanne Zeit, seitdem die Kunde die Herzen erschütterte: August Bebel   ist nicht mehr, der jahrzehntelang den Arbeitern Deutschlands  , den Arbeitern der ganzen Welt führend vorangeschritten, Fleisch von ihrem Fleisch und Geist von ihrem Geist. Wir Frauen aber fühlten uns durch den Verlust besonders getroffen. Uns war Bebel mehr noch gewesen als der treue und hochragende politische Kämpfer und Führer allein. Der Prophet, der Millionen den Blick für das Land der Zukunft ge­öffnet hatte, in dem alle Frauen als Freie und Gleichberechtigte neben freien Männern wandeln und wirken werden, der Bahn­brecher, der uns im Vertrauen auf unseren Wert immer wieder auf unsere Kraft zur Selbsterhebung und Selbsterlösung verwies.

In drängender Flucht sind seit dem traurigen 13. August des vorigen Jahres die Ereignisse vorübergehastet, haben Triebkräfte der kapitalistischen   Ordnung Konfliktsstoff zu einem Weltkrieg zu= sammengeballt, in den auch das deutsche   Volk hineingerissen worden ist. Mit Blut werden die heurigen Augusttage in der Geschichte ver­zeichnet stehen. Bebel hat die Furchtbarkeit eines Krieges vorahnend empfunden und beredt auf dem Parteitag zu Jena   1911 geschildert. Seine Ausführungen schloß er unter lebhafter Zustimmung mit diesen Säßen: Wie viele von den heute Lebenden haben denn den Krieg von 1870 als urteilsfähige Männer erlebt? Wie sehr hat Bismarck   sich vor einem zweiten Zusammenstoß mit Frankreich   ge­hütet. Manche sprechen so leichthin von solchem Kriege.... Wer die Not, das Elend, die Arbeitslosigkeit jenes furchtbaren Winters von 1870/71 durchgemacht hat, der verlangt niemals nach einer zweiten Auflage. Und was kommt, wird unendlich schlimmer, gewaltiger sein und in keiner Richtung mit dem, was 1870 war, zu vergleichen sein." Nun hat alles Friedenswünschen der großen Mehrzahl des deut­schen Volkes die gefürchtete zweite Auflage" nicht abzuwenden ver­mocht. Sie ist da, und wie Bebel   vorausgesagt, unendlich schlim­mer, gewaltiger und in keiner Richtung mit dem zu vergleichen, was 1870 war". Sie ist da als der Krieg mit drei Fronten. Deutsch­ land   muß nicht nur den russischen Barismus zurückschlagen, gegen den Bebel den Kuhfuß" zu schultern bereit war. In dem Malstrom der kapitalistischen   Entwicklung werden auch die Franzosen und Engländer gegen die Deutschen   geschleudert, die fleinen Staaten nicht mitgerechnet. Die drei großen europäischen   Kulturnationen zerfleischen einander, von deren Zusammenwirken, von deren fried­lichem Wettbewerb Bebel   die höchste Blüte Europas  , ja der ganzen Welt erhoffte. Denn so stark und stolz Bebel auch als Deutscher empfand und dachte, so vorurteilslos und gerecht wertete er als Vorkämpfer des internationalen Sozialismus die Vorzüge und die großen geschichtlichen Leistungen anderer Nationen. Sein Blick für die Bedeutung der nationalen Unabhängigkeit und Selbständigkeit schloß sich zum Ringe mit einem flaren und festgegründeten Be­wußtsein von der Solidarität, der Brüderlichkeit der Völker. Deshalb ist er nie müde geworden, die wirksamsten Mittel zu fordern, das Bater­land start und unüberwindlich gegen äußere Feinde zu machen. Deshalb stand aber auch fast am Beginn seiner politischen Laufbahn der un­erschrockene Protest, den er mit Liebknecht zusammen im Parla­