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Die Gleichheit
fönnen nicht nur den weiblichen Mitgliedern selbst zugebilligt werden, sondern auch den versicherungsfreien Ehefrauen der Versicherten. Man sieht: es sind mancherlei Leistungen, die die Krankenkassen zur Fürsorge für die Mutterschaft gewähren können, die sie aber nur zum kleinen Teil gewähren müssen, wie es die Sozialdemokratie verlangte.
Leider stoßen sich auch bei den Kassen oft genug ,, hart im Raume die Sachen". Bei allem guten Willen ist es ihnen vielfach nicht möglich, die verschiedenen freiwilligen Mehrleistungen einzuführen. übersteigen die Beiträge für die Kasse ein gewisses Maß, so ist die besondere Zustimmung der Unternehmer zu den Fürsorgeeinrichtungen nötig. Diese erfolgt feineswegs immer. Auch sonstige Schwierigkeiten treten den Mehrleistungen für Mutterschutz hindernd in den Weg. Bei der Einführung der Reichsversicherungsordnung und der Aufstellung der neuen Kassensazungen kamen die Ärzte mit ungeahnten Forderungen, ebenso fast überall die Krankenhäuser, die Bandagisten, Optiker, Zahntechniker usw. Die erhobenen Ansprüche waren so erhebliche, daß zu ihrer Erfüllung allein schon meist eine Beitragserhöhung beschlossen werden mußte. Unter diesen Umständen unterblieb leider vielfach die Einführung der Mutterschaftsfürsorge, soweit sie nicht gesetzlich vorgeschrieben war.
Durch eine Umfrage bei einer Anzahl allgemeiner Ortsfrankenkassen hat der Unterzeichnete festzustellen versucht, inwieweit diese Rassen die Möglichkeit ausgenuẞt haben, die Unterstützungen für Wöchnerinnen und Schwangere weiter auszugestalten. Die Antworten besagen häufig, daß die Zeit nicht dazu angetan gewesen sei, neue Mehrleistungen einzuführen. Zu den größeren Kassen, die erklärten, aus finanziellen Gründen zurzeit nicht über das gesetzliche Minimum hinausgehen zu können, gehören die in: Barmen, Halle an der Saale , Magdeburg , München , Osnabrück , Harburg, Görlitz , Köthen , Koburg , Cannstatt, Spremberg , Speyer , Sanger hausen , Ludwigsburg , Arnstadt , Plauen , Zittau , Pirna , Hei delberg , Freiberg , Reichenbach i. V., Stendal , Worms , Zerbst , Nowawes , Annaberg, Buchholz usw..
Eine große Anzahl von Kassen haben den§ 196 der Reichsversicherungsordnung ganz oder teilweise in ihre Satzungen übernommen. Danach kann an Stelle des Wochengeldes Kur und Verpflegung in einem Wöchnerinnenheim oder Hilfe und Wartung durch Hauspflegerinnen gewährt werden. Unter welchen Bedingungen, das haben wir bereits oben angegeben. Unter den Kassen, die die Besserung haben, finden wir die von Braunschweig , Kattowitz , Neukölln, Rathenow , Dippoldiswalde , Flensburg usw. Im Grunde genommen handelt es sich dabei nicht um ,, Mehrleistungen" im Sinne des§ 179 der Reichsversicherungsordnung. Erstens können die angegebenen Dinge auch von einer Kasse gewährt werden, wenn sie das nicht in ihren Sagungen stehen hat. Zweitens ist die Durchführung ganz in das Belieben der Kasse gestellt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist es möglich, daß sie jahrelang in der Sagung gedruckt steht, ohne daß sie in einem einzigen Falle zur Anwendung kommt.
Zu den wirklichen Mehrleistungen gehören zunächst die in § 198 vorgesehenen Hebammendienste und ärztliche Geburtshilfe, die bei der Niederkunft erforderlich werden. Die Sagung kann diese Fürsorge nur den versicherungspflichtigen Ehefrauen oder auch allen weiblichen Versicherungspflichtigen zubilligen, mit anderen Worten: es ist in ihr Belieben gestellt, ob sie auch für ledige Mütter etwas mehr tun will. Das letztere ist fast immer der Fall, z. B. bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Berlin . Sie bezahlt allen weiblichen Versicherungspflichtigen die Hebammendienste im Betrag bis zu 15 Mk. Die Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin- Pankow gewährt freie ärztliche Geburtshilfe und eine Beihilfe von 15 Mk. zu den Hebammendiensten. Die Allgemeine Ortskrankenkasse zu Greiz gibt 5 Mr. Beihilfe zu den Hebammendiensten; die Ortskrankenkasse zu Jena gewährt ,, Hebammendienste im ortsüblichen Umfang und bis zum Betrag von 12 Mr. und kassenärztliche Geburtshilfe";
Nr. 25
die Allgemeine Ortskrankenkasse zu Stiel: ,, bei Lebendgeburten einen Zuschuß von 10 Mk. zu den Hebammendiensten"; die Allgemeine Ortskrankenkasse Sonneberg:„ ein Entbindungsgeld im Betrag von 6 Mt. für alle Wöchnerinnen"; die Allgemeine Ortsfrankenkasse für das rechtsrheinische Düsseldorf ,, Vergütung von 5 Mk. für die Hilfe einer Hebamme bei der Entbindung sowie freie ärztliche Geburtshilfe". Die Hebammendienste bezahlen noch, teils in vollem Umfang, die Ortskrankenkassen in: Bremen , Kottbus , Eilenburg , Lud wigshafen a. Rh., Merane, Frankfurt a. M.( Schluß folgt.)
Auf die Holzindustrie hat der Kriegsausbruch geradezu verHeerend gewirkt. So waren zum Beispiel in der Berliner Klavierindustrie von vordem über 7000 Beschäftigten in der zweiten Kriegswoche nur noch 140 in Arbeit. Andere Berufe haben noch zahlreiche Entlassungen vorgenommen, obgleich ihnen viele Arbeitskräfte durch die Mobilmachung entzogen worden sind. Auf eine Anregung des Deutschen Holzarbeiterverbandes hat der Vorsitzende des Arbeitgeberschußverbandes für das deutsche Holzgewerbe, Herr Rahardt, an die Mitglieder dieser Organisation öffentlich die herzliche Bitte" gerichtet, angesichts des Krieges ..jeden Groll zu vergessen, alles zu tun, das schwere Los der Fa= milienangehörigen aller im Felde Stehenden zu mildern und nach Möglichkeit für die Frauen und Kinder der kämpfenden Mitarbeiter einzutreten und zu erwächen, ob nicht in Gemeinschaft mit der örtlichen Organisation der Arbeiter eine Hilfsaktion eingeleitet werden kann". Weiter heißt es in dem Aufruf:„ Es wird ferner notwendig sein, die geringe Arbeitsmöglichkeit für die Zurückbleibenden in der Weise zu verteilen, daß die Arbeitszeit auf ein beliebiges Maß herabgesetzt wird, denn auch diese Leute gehen mit ihren Familien schweren Wochen entgegen. Auf gar keinen Fall darf die Zeit zum eigenen Vorteil ausgenutzt oder der Versuch gemacht werden, die vereinbarten Arbeitsbedingungen illusorisch zu machen, denn das wäre im Augenblick eines gerecht und billig denkenden Arbeitgebers unwürdig, ja im höchsten Grade unpatriotisch gehandelt."
Die Freie Vereinigung deutscher Pianofortefabrikanten hat ebenfalls ihre Mitglieder ersucht, die Betriebe möglichst aufrechtzuerhalten und die Arbeitszeit zu verkürzen. Es muß abgewartet werden, inwieweit diese Mahnungen praktische Wirksamkeit erlangen und vielleicht einzelne unter dem ersten Eindruck der Mobilmachung geschlossene Betriebe die Arbeit teilweise wieder aufnehmen. Es ist leider damit zu rechnen, daß dafür andere Betriebe noch Einschränkungen erfahren. Die wöchentliche Umfrage des Deutschen Holzarbeiterverbandes hat schon für den Schluß der ersten Kriegswoche ein recht trübes Bild ergeben. Die eingegangenen Berichte erstreckten sich auf gut drei Viertel der Gesamtmitgliedschaft, die Berichte der ausstehenden Orte dürften infolge der langsamen Postbeförderung oder auch der Einziehung der ganzen Zahlstellenverwaltung zum Militär ausgeblieben sein. Die Umfrage ergab, daß 18 Prozent der Mitglieder in den berichtenden Orten eingezogen, 33 Prozent arbeitslos und 49 Prozent noch in Arbeit waren. Insgesamt waren am 8. August von den 145 688 Mitgliedern, über die Angaben vorlagen, 25 497 zum Militär einberufen, darunter 16828 Verheiratete; arbeitslose Mitglieder wurden 48341 gezählt, nämlich 36 021 verheiratete und 9837 ledige männliche, 2201 weibliche und 282 jugendliche. 71 770 unserer Mitglieder standen noch in Arbeit. Unter ihnen befanden sich allerdings bereits viele, die nur tage- oder stundenweise Beschäftigung hatten. Die Zählung vom 15. August zeigt, daß die Dinge sich noch verschlechtert haben. Angaben wurden von Zahlstellen mit zusammen 146 342 Mitgliedern gemacht, davon waren 51 623 gleich 35 Prozent arbeitsIos, 30 835 gleich 21 Prozent einberufen und nur noch 63 884 gleich 44 Prozent in Arbeit. 1218 ledige Arbeiterinnen und 1452 verheiratete Frauen waren unter denen, die ihre Beschäftigung verloren hatten. Mit der weiteren Einberufung des Landsturms dürften diese Zahlen noch eine wesentliche Verschiebung erfahren. Da der Holzarbeiterverband jezt sämtliche arbeitslosen Mitglieder unterstützt, die ihm mindestens ein Jahr angehören, erwachsen ihm ganz außerordentliche Ausgaben, die er um so leichter wird decken fönnen, je pünktlicher die in Arbeit Gebliebenen in der Beitragszahlung sind. Die leider noch vorhandenen vielen Unorganisierten dürften jest empfinden, wie sie sich mit ihrem unsolidarischen Verhalten selbst geschädigt haben.
fk.