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Die Gleichheit

wirkung wäre unmöglich, wenn nicht viel zu viele politisch und gewerkschaftlich Organisierte allmählich aufgehört hätten, nach dem sozialistischen   Endziel als nach der Sonne zu blicken, von der sie für die praktische Tagesarbeit Licht und Wärme empfangen, und deren Kraft den Tätigkeitslauf der proleta­rischen Vereinigungen bestimmt und regelt.

Mancherlei Umstände bewirken zusammen, daß die vom Sozialismus erfaßten Frauen seinen tiefen Gehalt als Welt­anschauung und Lebensauffassung stark und unmittelbar emp­finden. Wie viele von ihnen sind nicht an den sozialistischen  Idealen zu einem neuen, edleren Leben emporgewachsen! Was zuerst vielleicht oft genug mehr instinktiv, gefühlsmäßig auf­genommen wurde, das hat ernstes Ringen um Erkenntnis und Betätigung geklärt und vertieft. Bezahlen wir dem Sozia­lismus unsere Schuld für alles, was wir ihm danken. Nicht bloß dem Umfang, der Menge nach, nein, auch vor allem dem sozialistischen   Gehalt und Wert nach muß das Wirken der Frauen jetzt von höchster Wichtigkeit für die Arbeiter­bewegung sein.

Die Ereignisse, die der Weltkrieg in rasender Haft vor uns vorüberpeitscht, schreien geradezu danach, im klaren Lichte der sozialistischen   Geschichtsauffassung betrachtet und gewürdigt zu

werden.

im

Des weiteren haben Krieg und Burgfrieden den poli­tischen Kämpfen und Arbeiten Halt geboten, die gewerkschaft­lichen Konflikte eingeengt. Erlahmen wir Frauen nicht in dem Bestreben, diese Situation für die Klärung und Befestigung der sozialistischen   Ideen zu nutzen. Je weniger Politik engen, zünftigen Sinne, um so mehr Sozialismus. Sozia lismus als geschichtliche Erkenntnis, als Wissenschaft, Welt­anschauung. Die Organisationen mit ihrem vielseitigen Leben bieten den Frauen hunderterlei Anknüpfungspuntte, auch die unscheinbarste Kleinarbeit dem Sozialismus bewußt dienstbar zu machen und durch ihre klar hervorgehobenen Beziehungen zu ihm zu adeln. Hier gilt es, im Empfinden und Denken der Organisierten feste Dämme zu bauen, an denen sich der brandende Wogenschwall der imperialistischen Hochflut brechen muß, und hinter denen die sozialistischen   Jdcale sicher wohnen. In der gleichen Richtung müssen die Frauen die Arbeiterpresse beeinflussen. Raum eine Veranstaltung, bei der nicht daran erinnert wird, daß die Frauen mit ihrer Sympathie und Tatkraft hinter unseren Organen stehen, sich ihre Verbreitung angelegen sein lassen müssen. An den Genossinnen, ihre Macht zu gebrauchen, um die Parteiblätter überall zur klipp und flaren Vertretung sozialistischer Grundfäße zurückzuführen. Wie bitter not das an recht vielen Orten tut, ist offenes Ge­heimnis.

Mehr Sozialismus bedürfen wir aber auch als Lebens­auffassung. Wie der Gläubige das innere und äußere Ge­schehen seines persönlichen Daseins an seinen religiösen Über­zeugungen prüfte, so muß uns der Sozialismus sichere Maß­stäbe für unser Verhalten zur stillen Innenwelt in der eigenen Brust und zur Umwelt geben. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, den Sozialismus zu bekennen, unser heißes Bc­mühen muß sein, ihn zu leben. Lassen wir den Flügelschlag der Seele nach den sozialistischen   Idealen nicht durch die Ein­flüsterungen des gesunden Menschenverstandes" lähmen, daß wir in einer kapitalistischen   Welt leben, und daß man mit den Wölfen heulen müsse. Der gesunde Menschenverstand ist nur zu oft nicht bloß ein recht kurzsichtiger, sondern obendrein ein gemeiner Gesell. Seine Weisheit" ist in unserem Falle ein Lotterbett für die Faulheit und Feigheit. So gewiß die kapitalistische Gesellschaft die materiellen Vorbedingungen für die sozialistische Ordnung in ihrem Schoße trägt, so sicher feimen und sprossen auch in ihr die geistigen und sittlichen Voraussetzungen dafür im Empfinden, Denken und Wollen der Menschen. Und wenn schon es uns nicht gegeben ist, unter der lastenden Herrschaft des Kapitalismus die sozialistische Ge­

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sellschaft aufzurichten, können wir uns doch unseren Teil mensch­licher Zukunftsfreiheit vorausnehmen, indem wir treu und kühn jederzeit als Sozialisten handeln. Damit schlagen wir eine feste Brücke, die von den Organisationen, dem öffent­lichen Leben zu dem persönlichen Regen und Weben der ein­zeinen hinüberführt. Nur ein ganzer Mensch kann auch ein ganzer Sozialist sein.

Erachten wir Frauen es als unsere besondere Aufgabe, da­für zu sorgen, daß diese Erkenntnis sich durchsetzt. Mehr Sozia­lismus im Erkennen und Handeln, mehr Sozialismus in der Arbeiterbewegung und im Leben des einzelnen!

Der englische   Radikalismus und der Krieg.

Von Ed. Bernstein.

( Schluß.)

Selbst die Gegner Brights konnten sich dem Eindruck dieser Rede nicht entziehen, sie wurde von dem gefüllten Hause mit lautloser Stille entgegengenommen. Und nicht minder tiefen Eindruck machte etwas später, als es sich um die Eröffnung von Friedensverhandlungen in Wien   handelte, eine Rede Brights, die mit den Worten einseite:" Der Engel des Todes zieht durch die Lande, ihr könnt fast das Schlagen seiner Flügel hören." Bright erklärte darin, daß, wenn Palmerston ehrlich für den Frieden arbeiten wolle, kein Wort von ihm und keine seiner Abstimmungen darauf gerichtet sein würden, Palmerston aus dem Amte zu entfernen. Er selbst, obwohl sein Einfluß zunehmend wuchs, blieb bis zum Jahre 1880 außerhalb jeder offiziellen Stellung. Erst als in jenem Jahre der große Wahl­sieg Gladstones über Disraeli   der liberalen Partei eine un­bestrittene Mehrheit für das Programm Friede, Rüstungs­einschränkung und Reform" brachte, trat Bright als Kanzler für das Herzogtum Lancaster( Lancashire  ) in das Kabinett Gladstone- Hartington ein. Aber schon im Juli 1882 Iegte er dieses Amt und den Posten als Kabinettsmitglied wieder nieder, weil die Regierung aus Anlaß der Militärrevolte in Ägypten   Alexandrien   bombartieren ließ.

Jm Lichte neuerer Ereignisse war dies Bombardement, dem die Ermordung von 50 Europäern durch die Aufständischen vorangegangen war, eine verhältnismäßig unbedeutende Affäre, zumal die englische Regierung sich auf ein früher vom Sultan erteiltes Mandat berufen konnte. Damals war man indes noch nicht so abgehärtet. Es gab heftige Rämpfe im britischen Kabinett, ehe die Sache beschlossen wurde, und John Bright  ließ sich, als der Entscheid gefallen war, durch kein Zureden Gladstones und anderer davon abhalten, zurückzutreten. In der Erklärung, die er im Hause der Gemeinen darüber ab­gab, betonte er, daß der Gegensatz zwischen ihm und Gladstone samt Kollegen ein rein prinzipieller sei, und fuhr dann fort:

,, Das Haus weiß oder es wissen wenigstens viele Mitglieder, die Gelegenheit hatten, die Tatsachen meines politischen Lebens zu beobachten, daß ich während mindestens vierzig Jahren versuch! habe, meinen Landsleuten eine Anschauung und Lehre zu predigen, denen ich huldige, nämlich daß das moralische Gesetz nicht nur für das Leben des einzelnen, sondern auch für das Leben und die Praris der Staaten in ihrem Verkehr miteinander bestimmt ist. Ich kann nicht von mir abweisen, was ich während eines ziemlich langen politischen Lebens gepredigt und gelehrt habe. Ich kann meinen Rücken nicht gegen mich selbst tehren und alles Lügen strafen, was ich vielen Tausenden in den vierzig Jahren gelehrt habe, wo es mir vergönnt war, in diesem Hause und in öffentlichen Ver­sammlungen zu meinen Landsleuten zu sprechen. Noch ein Wort. Ich habe meine ruhige Überlegung und mein Gewissen gefragt, welche Bahn ich beschreiten soll. Sie haben sie mir, wie ich glaube, mit nicht irrendem Finger gezeigt, und ich bemühe mich, ihr zu folgen."

Gladstone suchte sich dadurch aus der Affäre zu ziehen, daß er Bright antwortete, er stimme mit ihm hinsichtlich der Gel­tung des moralischen Gesetzes für die Beziehungen der Staaten