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Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

Die Gleichheit

Der sozialdemokratische Frauentag in der Schweiz   wird heuer am 7. März abgehalten werden. So hat der Zentralbor= stand des Schweizerischen   Arbeiterinnenverbandes fülrz­lich beschlossen, und sein Beschluß hat ein freudiges Echo bei den Genoffinnen gefunden. Der Frauentag wird in der gleichen Weise wie in den vorausgegangenen Jahren begangen werden. Es sollen Bersammlungen mit entsprechenden Vorträgen usw. in allen Teilen der Schweiz   stattfinden. Da die Veranstaltungen im Zeichen des Weltkrieges stehen, wird in Verbindung mit der Frage des Frauen­wahlrechts das Thema behandelt werden: Die Frauen und der Krieg". So erhalten die Versammlungen den Charakter weiterer Friedensfundgebungen der schweizerischen Frauen; die sozialistische Aufklärung über die Natur des gegenwärtigen Weltkriegs und das hehre Ideal internationaler Solidarität und Brüderlichkeit des Prole­tariats aller Länder werden neue, wachsende Scharen des werk­tätigen Volkes erfassen Bei allen Veranstaltungen soll außer einer Genoffin auch ein Genosse referieren, um zu befunden, daß die schweizerische Arbeiterschaft ohne Unterschied des Geschlechts hinter den Rechts- und Friedensforderungen der Frauen steht.

Die Genoffinnen aller Länder werden es mit Freude begrüßen, daß in der Schweiz   ein Frauentag stattfindet, an dem es zum Aus­druck gelangt, daß die sozialistischen   Ideale dem Zuge der Prole­tarierinnen in das gelobte Land voller menschlicher Freiheit voran­leuchten. Sie fühlen sich eins mit ihren schweizerischen Schwesteru, solidarisch mit ihrer Willenskundgebung. Hoffentlich können wir be richten, daß auch in anderen Ländern ein Frauentag wie der schweize rische veranstaltet wird. Der Internationalität dieser Kundgebung würde dieses Jahr besondere Bedeutung zukommen.

Für den Frieden.

Eine Sympathiekundgebung englischer Genoffinnen für die Internationale Sozialistische Konferenz zu Kopenhagen  . In der Hauptstadt Dänemarks   hat am 17. und 18. Januar eine Ston­ferenz von Vertretern der sozialistischen   Parteien in Dänemart, Schweden  , Norwegen   und Holland   getagt. Es stand von vorn herein als selbstverständlich fest, daß sie den Friedenswillen der Sozialisten in den neutralen Ländern zum Ausdruck bringen würde. Unsere Schwestern jenseits des Stanals sendeten deshalb der Tagung diese Botschaft:

Der Internationale Frauenrat der sozialistischen   und Arbeiter­organisationen von Großbritannien   entbietet herzlichen Gruß den Delegierten zur Internationalen Sozialistischen Stonferenz in Kopen hagen und wünscht ihnen besten Erfolg ihrer Beratungen.

Er versichert fie, daß die Sozialistinnen und Frauen der Arbeiter­flasse Großbritanniens   für ihre Genossen sowohl in den neutralen wie in den friegführenden Ländern von Freundschaft und Mitgefühl beseelt find. Sehnsüchtig und hoffnungsstark harren wir auf die Zeit, wo eine größere Internationale und ein dauerhafter Friede begründet werden können."

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Was die Kopenhagener Stonferenz anbetrifft, so follte sie der Friedensaktion der sozialistischen   Parteien wenigstens zunächst in den neutralen Ländern einen Anstoß, Einheitlichkeit und Wucht geben. Das energische Auftreten der Sozialisten, der werftätigen Massen dort- so hofft man wird die betreffenden Regierungen zu ernsten Vermittlungsvorschlägen an die friegführenden Länder vorantreiben. Die Konferenz zu Kopenhagen   ist bemüht gewesen, zur Förderung der internationalen proletarischen Friedensbewegung zu leisten, was sie unter den vorliegenden schwierigen und verwirrten Umständen leisten konnte. In Verbindung mit der Tagung fand eine außerordentlich wirksame Stundgebung für den Frieden statt. Die Beratungen und Beschlüsse der Delegierten können die Friedensaktion der Sozialisten anregen und befeuern. Inwieweit aber das Werk der Konferenz fruchtbar werden wird, hängt von der Einsicht und Energie ab, mit der die breitesten Volksschichten der neutralen Länder dem Rufe der Sozialisten Folge leisten werden. Allein auch das genügt noch nicht, um einen baldigen Frieden herbeizuführen, der mehr als ein inhaltsloses Schenen ist. An letzter Stelle wird dafür die Kraft, Entschlossenheit und Zielflarheit entscheidend sein, mit der die So­zialisten in den friegführenden Staaten dem Volke nach diesem Ziel voranschreiten.

Aber die Friebenspropaganda hinaus sollte die Stopenhagener Ston­ferenz gleichzeitig ein Versuch sein, die im Weltkrieg zusammengebrochene zweite sozialistische Internationale der Arbeiter zu galvanisieren. Dieser Versuch ist gescheitert. Dafür spricht nicht nur die unvoll­ständige Beschickung der Konferenz nicht einmal die Sozialisten aller neutralen Staaten hatten Vertreter entfendet. Deutlicher noch Tommt das in den Auseinandersehungen zum Ausdrud, die der

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Konferenz vorausgegangen sind. Die Seonferenz selbst hat übrigens den Mißerfolg des Versuchs erwiesen, indem sie mit äußerster Vor­ficht eine Prüfung des Verhaltens der sozialistischen   Parteien in allen kriegführenden Ländern vermieden hat, ja wenn die vor­liegenden Berichte vollständig sind so ist sie sogar in ihrer Stel­lungnahme zum Strieg nicht über Allgemeinheiten hinausgegangen. Eine lebensfräftige Internationale, die von dem Vertrauen der Arbeiter aller Länder getragen ist, wird erst möglich, wenn inner­halb der sozialistischen   Parteien in jedem einzelnen Land eine Klä­rung über all die Fragen geschaffen wurde, die der Weltkrieg aus dem Reich der Theorie auf den Boden der Praxis, des politischen Handelns gestellt hat.

Ein Friedensgruß aus Norwegen   an die Frauen der ganzen Welt. Die Norwegische Frauen- Friedensvereinigung hat am 19. November 1914 im Robelhaus zu Kristiania   ein Meeting abgehalten. Es wurde beschlossen, den Frauen der ganzen Welt einen schwesterlichen Gruß zu entbieten. Er lautet: Die norwegischen Frauen sind Bürgerinnen eines neutralen Landes, das fernab von den Verheerungen des Kriegs liegt. Trotzdem haben wir tiefes Ver­ständnis für die Schrecken, die im Gefolge des Striegsgewitters ein­herschreiten. Auße stande irgend einen Wandel herbeiguführen und zu helfen, können wir nur unser herzlichstes Mitgefühl mit all dem Leid und dem Jammer zum Ausdruck bringen, die mun in so reichem Maße in den kriegführenden Ländern anzutreffen sind. Wir sind überzeugt, daß in der ganzen Welt jene Frauen, die bisher in inter­nationaler Gemeinschaft hohen Menschheitsidealen zustrebten, in der gegenwärtigen Zeit von ein und demselben Wunsch beseelt sein müssen: Nämlich innerhalb der Nationen den politischen Wahn­glauben auszurotten, der zu Gewalttätigteit führt, und dessen be flagenswerte Früchte wir jezt vor Augen haben. Das Dogma von der Notwendigkeit der Krlege muß überwunden werden. " Der von Recht und Gesez anerkannte Krieg steht im schärfsten Widerspruch zu den ethischen und geistigen Höhen, die die zivilisierten Völker seit Generationen zu erklimmen trachten. Sicherlich ist nun die Zeit erfüllet, daß dieser, legalisierte Strieg' einer menschenwürdigen Gesetzgebung Play macht, die die friedliche Beilegung internationaler Streitfragen sichert. Zu feiner Zeit noch ist die Friedensarbeit so wichtig und so notwendig gewesen, wie sie es in der nächsten Bu­funft sein wird., Eine neue Welt, in der die Gerechtigkeit wohnet, das ist eine Prophezeiung, für deren Berwirklichung namentlich wir Frauen uns einfegen müssen im Hinblick auf die kommenden Geschlechter. Wir senden den Frauen der ganzen Welt unsere schwester­lichen Grüße in der Hoffmung, daß der gegenwärtige Krieg, der die Menschheit schändet, bald vom Frieden auf Erden und dem Wohl­gefallen aller Völler gefolgt sein wird."

Für die Norivegische Frauen- Friedensvereinigung: Randie Blehr, Borsigende. Kläre Mjoen, Schriftführerin. Eine Kundgebung ber englischen Genoffinnen für das Ideal der internationalen Solidarität und des Völkerfriedens ist die Januarnummer der Arbeiterfrau"( The Labour Woman). Ste ist zum größten Teil angefüllt mit Freundschafts- und Friedensbotschaften sozialistischer Frauen aus verschiedenen Bändern und entsprechenden Beiträgen englischer Genossinnen. Das Blatt veröffentlicht unter anderem die Antworten der österreichischen Genossinnen wie der Ge­nofsinnen Zieg, Betkin auf die Botschaft der sozialistischen   Frauen Großbritanniens  , den Aufruf der internationalen Sekretärin für den Frieden usw. Unsere englischen Schwestern leisten treffliche Vorarbeit für den Frieden.

Die Frau in öffentlichen Aemtern.

Die Verwendung von Lehrerinnen in deutschen Landschulen erfolgt seit dem Ausbruch des Krieges in steigendem Maße. Die Lehrerinnen werden als Erfaz für die Lehrer eingestellt, die Kriegsdienst zu leisten haben. In Hessen   gab es früher einen großen überschuß an stellenlosen Lehrerinnen, er besteht nicht mehr, seit diese auch in den Landschulen amtieren können. Die Gelegen­heit für die Lehrerinnen, im Landschuldienst ihre Leistungstüchtig­feit zu erproben, dürfte manches Vorurteil gegen die Berufstätig­feit des weiblichen Geschlechts entfräften.

Die Verwendung von Frauen bei der Ordnungspolizei in England und Holland   bereitet sich vor. In England hat der Frauennationalrat, der Vorstand einer großen frauenrechtlerischen Vereinigung, Frauenpatrouillen organisiert, die in der Nähe von Felblagern Frauen zu beschützen und die Ordnung aufrechtzuhalten haben. In Amsterdam   wurde eine besondere Bürgergarde ge­bildet, bet der auch Frauen dienen dürfen.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe  , Post Degerloch bet Stuttgart  .

Bruck und Berlag von J. H. W. Diet Nachf. G.m.b.8. in Stuttgart  .