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Die Gleichheit

Vernichtung anheimfallen; wir müssen arbeiten, der Not steuern, die der Krieg zeitigt; wir müssen Wunden heilen, die Männer unter Ausflügelung der raffiniertesten Vernichtungsmittel ein= ander schlugen.

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Uns Frauen aller Nationen einigt in Friedenszeiten das gleiche Los die Entrechtung- uns Frauen aller Nationen einigt in Kriegszeiten das gleiche Los schweres Leid zu tragen, tragen zu helfen und zu heilen. Wahres Menschentum kennt keinen Völkerhaß, keine Völkerverachtung. Frauen stehen wahrem Men­schentum näher als die Männer.

Wir wollen über Völkerkrieg hinweg uns die schwesterliche Hand reichen, wir grüßen uns gesenkten, trauernden Hauptes einiger denn je in dem Bewußtsein, daß nur, wenn die Frauen befreit sind und ihre Staaten lenken helfen, die Welt von der Wieder­holung eines gleichen graufigen Erlebnisses verschont bleiben wird." Die Kundgebung ist von folgenden Organisationen und führen­den Frauenrechtlerinnen unterzeichnet: Hamburg  - Altonaer   Verein für Frauenstimmrecht, Vorsitzende Jda Jens. Nürnberger Orts­gruppe für Frauenstimmrecht, Vorsitzende Maria Lange. Orts­gruppe Baden- Baden   für Frauenstimmrecht, Vorsitzende M. Maher. Anita Augspurg  , Lida Gustava Heymann  , Marg. Selenka  , Stora Max, Maria Holma- Oertel.

Als Sozialdemokratinnen können wir gewiß nicht jeden der vorstehenden Säße unterschreiben. Allein die Botschaft sagt so viel Richtiges und Mutiges, daß sie als charakteristisches Dokument für das Fühlen und Denken großer Kreise der Frauen auch an dieser Stelle Veröffentlichung verdient.

Frauenstimmrecht.

Die politische Gleichberechtigung der Frauen in Island  steht dicht vor einem Erfolg. Gegen Ende 1914 hat das Althing  , Parlament, einer im Vorjahr beantragten Verfassungsreform zuge stimmt. Nach ihr sollen die Frauen, die über 40 Jahre alt sind, die nämlichen politischen Rechte erhalten, wie sie den über 25 Jahre alten Männern zustehen. Gleichzeitig wurde bestimmt, daß das Alter der Wahlmündigkeit für die Frauen bei jeder neuen Anlegung der Wählerlisten stufenweise herabgesetzt werde, bis auch das weibliche Geschlecht mit dem überschrittenen 25. Lebensjahr das politische Wahl­recht erhält. Der Gesezentwurf zugunsten der Frauen wurde vom Oberhause einstimmig angenommen, im Unterhause fiel eine einzige Stimme gegen ihn. Damit sie in Kraft tritt, muß noch der König von Dänemark   seine Zustimmung geben. Diese scheint sicher zu sein, ist aber durch einen Konflikt über eine konstitutionelle Form­frage hinausgeschoben worden. Jsland hat ebenso wie sein eigenes Parlament so auch einen besonderen Landesminister, der vom däni­schen König ernannt wird. Der Minister hatte im Auftrag des is­ ländischen   Parlaments die Geseßentwürfe zur Verfassungsreform dem König zur Billigung vorzulegen. Das geschah jedoch in Abwesenheit des dänischen Ministerkabinets, das seinerseits die Auffassung ver­tritt, daß nur unter seiner Anwesenheit der König isländische Ge­segentwürfe sanktionieren dürfe. Daraufhin hat der isländische Landes­minister sein Amt niedergelegt, und alle Gesezentwürfe bleiben in der Schwebe, bis eine vorgesehene Konferenz die Streitfrage ent­schieden haben wird. Das Gemeindewahlrecht besigen die isländischen   Frauen bereits.

Das Wahlrecht der Frauen auf den Philippinen wurde fürzlich im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten gefordert. Der Abgeordnete Mann, Illinois  , ein Führer der Republikaner  , beantragte ein Amendement zur Verfassung der Kolonie, nach dem das Wort männlich" vor Bürger gestrichen und hinter dem Wort er" die Worte oder sie" hinzugefügt werden sollten. Der Antrag­steller trat mit großer Wärme für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts ein. Sein Amendement wurde von den Abgeordneten Bryan aus Washington und Mondell aus Wyo­ ming   kräftig befürwortet. Bekanntlich besteht in dem letztgenannten Staate das Frauenwahlrecht seit mehr als fünfzig Jahren und hat sich bewährt. Das Amendement wurde mit 84 gegen 58 Stimmen abgelehnt. Der oberste Verwaltungsbeamte der Vereinigten Staaten  auf den Philippinen hatte seine Annahme mit alten Philistergemein­plägen bekämpft, daß der Besitz des Wahlrechts die Fraueninteressen gefährde.

Ein Sieg der politischen Frauengleichberechtigung in Vik­toria ist zu berichten: Das Staatsparlament dieses englischen Ko­loniallandes hat einen Gesezentwurf zur Reform des Gemeinderechts angenommen, der den Frauen die Wählbarkeit zu kommunalen Ämtern verleiht. Die betreffende Bestimmung des Entwurfs stieß im Unterhause auf keinen Widerspruch und wurde sogar vom Ober­Hause einstimmig angenommen, dessen Mitglieder auf Grund eines

Nr. 11 beschränkten Besitzwahlrechts gewählt werden und früher in ihrer Mehrheit der Forderung von Frauenrechten nichts weniger als hold

waren.

Die Frau in öffentlichen Aemtern.

Frauen in englischen Kriegsfürsorgeorganen. Die Regierung Englands hat die Notwendigkeit anerkannt, Frauen zur Mitarbeit in den Körperschaften zu berufen, deren Aufgabe die Kriegsfürsorge ist. Dem amtlichen Hauptfürsorgeausschuß gehört eine Frau an, eine frühere Fabrikinspektorin. In einem besonderen Fürsorge­ausschuß für London   allein haben zwei Frauen Siz und Stimme; die eine davon ist die Beatrice Webb  , die angesehene Sozial­politikerin. Außerdem ist ein Ausschuß eingesetzt worden, der aus Frauen besteht und der besonderer Notlage von Frauen entgegen­wirken soll. Ihnen gehören die Führerinnen der Frauengenossen­schaftsgilde und bekannte Gewerkschaftsführerinnen an.

Eine Frau als Mitglied der Kommiffion für die Reform des schwedischen Familienrechts. Die Regierung Schwedens   er­nannte Frau Broomé als Mitglied der Kommission, die eine Re­form des Familienrechts zu beraten hat, und zwar namentlich im Hinblick auf das gegenseitige rechtliche Verhältnis der Ehegatten zueinander und die damit im Zusammenhang stehenden Dinge. Frau Broomé ist vollständig gleichberechtigt mit den männlichen Mit­gliedern der Kommission.

Ein Antrag zur Erweiterung der amtlichen Lehrtätigkeit der Frauen in Rußland   ist in der Duma eingebracht worden. Er fordert für die Frauen das Recht, an den Universitäten und allen höheren Bildungsanstalten als Dozenten und Professoren zu amtieren, an Knabenschulen und-Gymnasien im Zeichnen und in den modernen Sprachen zu unterrichten, als Schulinspektorinnen zu wirken. Die Anstellung soll bei gleichem Gehalt wie für die Männer erfolgen.

Verschiedenes.

Einige französische   Presstimmen über Liebknechts Abstim­mung am 2. Dezember 1914 verdienen besondere Beachtung. Nach dem russischen sozialistischen   Blatt Golos", Nr. 96 vom 3. Januar, schrieb die Action Française":" Glaubt Liebknecht   nicht! Glaubt ihm nicht! Jm heutigen Deutschland   gibt es feinen Jacoby und keinen Bebel  ; die deutsche Sozialdemokratie ist die Hauptstüße des Regimes, die Hauptschlagkraft der deutschen   imperialistischen Be­strebungen." In der Information" konnte man lesen: Karl Lieb­Inecht? Das ist einfach ein preußischer Agent, ein Protest für den Export, feine Aufgabe ist in unsere geschlossenen Reihen Ver­wirrung hineinzutragen, unsere Verteidigung zu zerstören."

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Noch genauer weiß es der Matin", ein großes Blatt, das in ganz Europa   verbreitet ist. Am 27. Januar 1915 führte er in einem Leit­artikel aus: Worin hat sich denn der Charakter des Krieges ge­ändert seit August 1914, als Herr Liebknecht die Kredite für den Krieg gegen das republikanische Frankreich   bewilligt hatte, bis zum Dezember 1914, wo er sie anscheinend verweigerte? Lediglich darin, daß der Krieg eben 5 Monate gedauert hat anstatt 5 Wochen, und daß dies für Deutschland   unbehaglich wird. Während Herr Lieb­knecht, einen baldigen Frieden' fordert, macht Herr Dernburg  , der kaiserliche Abgesandte nach New York  , den Vorschlag, diesen als , remis zu betrachten, als ein unentschiedenes Spiel, das man auf­schieben soll, bis Deutschland   wieder alle Trümpfe in der Hand hat. Ein bezeichnendes Zusammentreffen! Man begreift mun den Sinn und Zweck jener Kampagne, die uns einreden soll, daß es trotz alledem zweierlei Deutschland   gibt, davon eines, das friedlich und sanft sei, das die, Verbündeten sich hüten müßten zu brüskieren und zu kränken'."

Ebenso genau hört die Bataille Syndicaliste" nach derselben Nummer des Matin" das Gras der Teufelei wachsen, das Lieb­knecht gesät hat. Dort schrieb ein Veteran der Arbeiterbewegung": Deutschland   sah, daß in Italien  , in Schweden  , in Belgien   und in Holland   die Sozialdemokratie kein Glück mit ihren Versuchen hatte, sich anzubiedern.... Die Dinge gestalteten sich nun derart, daß die deutsche Regierung ein großes Interesse daran hatte, daß ihre Sozialdemokratie... in jenen Ländern ein wenig Ansehen wieder­gewänne.... Die neue Haltung Liebknechts im Reichstag   so glaubt man zweifellos in gewissen offiziellen Kreisen könnte die Mission erleichtern, die der neue Gesandte in Italien  , Herr von Bülow, übernommen hat."

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Wer als Sozialist handelt, wird von den Patrioten diesseits wie jenseits der Grenze der Verdammnis überliefert, wie Figura zeigt. Berantwortlich für die Nedaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  .

Druck und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.Ş. tn Stuttgart  .