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Die Gleichheit

seiner Tagesordnung stehen außer der Berichterstattung des Zen­tralvorstandes noch diese Punkte: Statutenabänderung( zukünftige Abhaltung der Delegiertenversammlung in Verbindung mit dem sozialdemokratischen Parteitag und Einführung einer einheitlichen Eintrittskarte); Veranstaltung eines dreitägigen Vereinsleiter- und Referentinnenkurses; Agitations- und Bildungsarbeit in den Ar­beiterinnenvereinen; die Kriegsnotlage der Arbeiterfrauen; die sozia­listische Fraueninternationale; Veranstaltung von Mai- und Früh­lingsfesten für die Arbeiterfrauen und-kinder. Eine reichhaltige Tagesordnung, die viel Förderliches für die Weiterentwicklung der sozialdemokratischen Frauenbewegung in der Schweiz   zeitigen kann.

Für den Frieden.

Eine imposante internationale Kundgebung für den Frieden und die proletarische Solidarität in Mailand   ist zu verzeichnen. Sie war von der sozialdemokratischen Partei der Stadt einberufen und organisiert worden und hatte einen Riesenbesuch, zu dem die politisch und gewerkschaftlich organisierten Proletarier das Haupt­fontingent stellten; die Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen waren ebenfalls auffallend stark vertreten. Ein großes Plakat mit der In­schrift: Nieder mit dem Krieg! Es lebe die Internationale!" fün­dete weithin den Zweck der Veranstaltung, zu der der Gemeinderat von Mailand   und viele Kommunalverwaltungen aus allen Teilen Italiens   Sympathieschreiben geschickt hatten. Für die italienische  Sozialdemokratie sprachen die Genossen Serrati, Redakteur des " Avanti", Modigliani  , Abgeordneter für Budrio, und Agostini. Die serbischen Sozialisten waren durch den Genossen Miro Savliewitsch vertreten, der kürzlich aus österreichischer Kriegs­gefangenschaft entwichen ist. Für die schweizerische Sozialdemo= tratie sprachen die Genossen Naine und Grimm, Nationalräte. Alle Redner vertraten bei der Beurteilung des Krieges und der Aufgaben, die er den Sozialisten, der Arbeiterklasse stellt, mit über­zeugender Kraft die Grundsäße der sozialistischen Internationale. Ihre Ausführungen fanden begeisterte Zustimmung,

Die Versammelten erklärten sich einstimmig für die strikte Neutralität Italiens  . Die russischen Sozialistinnen im Kampfe für den Frieden und die Solidarität der Proletarier aller Länder. Mit einem flammenden Aufruf an die sozialistischen   Frauen aller Länder sind unsere russischen Schwestern in die Bewegung zur Beendigung des Weltkriegs und für den Wiederaufbau der Internationale ein­getreten. In ihrem Namen und Auftrag hat die sozialistische Frauen­organisation der Stadt N. N. das Wort ergriffen. Es wirft ein helles Streiflicht auf die ungeheuren Schwierigkeiten und Gefahren, unter denen die russischen Sozialistinnen sich dem Krieg entgegen­werfen, daß sie nicht einmal den Namen der Stadt nennen durften, deren sozialistische Frauenorganisation ihnen das Banner der inter­nationalen Solidarität voranträgt. Trotzdem haben sie es gewagt! Der Aufruf ist so klipp und klar vom Standpunkt der proletarischen Fraueninteressen aus geschrieben, er atmet so stark unverfälschtes sozialistisches Fühlen und Denken: daß wir in der Ära des Burg­friedens darauf verzichten müssen, ihn auch nur im Auszug wieder­zugeben.

Das Gewerkschaftskartell des Rhonedepartements für den Frieden. Das gute Beispiel der Confédération Générale du Travail  , der Generalkommission der französischen   Gewerkschaften, hat Nach­ahmung gefunden. Das Gewerkschaftsfartell des Rhonedepartements hat einstimmig eine Erklärung angenommen, die im Gegensatz zu imperialistischen Schlagworten die Solidarität der Proletarier aller Länder stark betont und brüderliches Zusammenwirken für den Frieden fordert. Die Erklärung wurde als Flugblatt verbreitet. Es heißt darin unter anderem:

Ohne nach den Ursachen des gegenwärtigen Stonfliktes in den geheimen Intrigen zu suchen, die sich im Laufe der letzten Jahre im geheimen abgespielt haben, erinnert das Gewerkschaftskartell des Rhonedepartements daran, daß das internationale Proletariat zwar unter dem Kriege leidet, daß es aber nie und nimmer eine Ver­antwortung dafür übernehmen kann, denn alle seine Bestrebungen waren stets gegen den Kampf mit Waffengewalt zwischen den Völkern gerichtet. Die Arbeiterschaft erduldet und trägt bis jetzt in Ruhe die furchtbare Katastrophe, die seit sechs Monaten auf Europa   lastet, und deren wirtschaftlichen Folgen sich der ganzen Welt fühlbar machen, allein der heiße Wunsch der organisierten Arbeiter und ihrer Familien gilt einem raschen, wohltätigen Frieden.... Jeder weitere Tag des Kriegs bedeutet Tausende von Leichen braver und nüß­licher Arbeiter, bedeutet, daß Tausende von Witwen und Waisen den Lebensunterhalt ihrer Familien verlieren.... Das Gewerkschafts­

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kartell des Rhonedepartements stellt das allgemeine menschliche Inter­esse über Erwägungen untergeordneter Natur und bekennt sich daher laut zu den alten Grundsägen, die immer in der Arbeiterinternatio­nale fortleben. Es erklärt deshalb, sich jeder aufrichtigen Aktion an= zuschließen, die darauf abzielt, binnen kurzem einen ehrlichen und endgültigen Frieden herbeizuführen. Krieg dem Kriege! Es lebe die Arbeiterinternationale!"

Das Gewerkschaftskartell des Rhonedepartements ist neben der Seineföderation die stärkste Bezirksvereinigung organisierter Ar­beiter in Frankreich  . Seiner Kundgebung haben sich angeschlossen das Zentralkomitee des Verbandes der Nahrungsmittel­arbeiter, mit dem Siz in Paris  , und die Föderation der sozia= listischen Parteigruppen im Departement Ain. Hoffentlich findet das Vorgehen der Arbeiterorganisationen Nachahmung, und nicht bloß in Frankreich  . Im Anfang war die Tat."

Ein Gruß der sozialistischen   Frauen Schwedens  . Mit diesen Zeilen möchten wir euch, ihr beklagenswerten Genossinnen in den kriegführenden Ländern, einen Gruß senden, der euch versichert, daß unsere Gedanken stets mit euch sind. Wir, die wir Bürgerinnen eines kleinen Landes sind, vermögen nur wenig, wir können nur schaudern vor dem furchtbaren Dunkel, in dem die zivilisierte Welt jetzt lebt; wir können nur grenzenloses Mitgefühl mit denen emp­finden, die ihm zum Opfer fallen. Wir sind stolz auf den Mut und die Ausdauer, die die Frauen in den kriegführenden Ländern an­gesichts des gewaltigen Unheils betätigen.

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Mit großer Freude haben wir die Aufforderung erhalten, am 7. März d. J. alle Sozialdemokratinnen zum internationalen Frauentag zu sammeln dem Kriege zum Troß. Am 7. März werden unsere Gedanken einig wie nie zuvor in einem einzigen Brennpunkt zusammentreffen, in der Forderung: Nieder mit dem Kriege; Sieg den sozialistischen   Ideen! Stockholm  , im Februar 1915.

Für den Zentralvorstand der sozialdemokratischen Frauen Schwedens  : Anna Lindhagen  , Anna Sterky  , Vorsitzende.

Frauenstimmrecht.

Die allgemeine Einführung des Frauenstimmrechts in den Bundesstaaten der nordamerikanischen   Union   war im Januar Gegenstand der Entscheidung des Repräsentantenhauses zu Washington  . Es hatte sich mit dem Antrag des Abgeord­neten Mondell zu beschäftigen, der vom Bundesparlament die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts für das ganze Gebiet der Republik   forderte. Der Antrag fiel mit 204 gegen 174 Stimmen. Die Entscheidung bestätigte neuerlich die bekannte Tatsache, daß die Südstaaten ein starkes, geschlossenes Bollwerk gegen die Einführung des Frauenwahlrechts bilden, weil sie die Rückwirkung auf die politische Gleichberechtigung der Neger fürch ten. Die parlamentarischen Vertreter der Nordstaaten waren in der Frage gespalten, im allgemeinen stellt dort der Westen mehr An­hänger, der Osten mehr Gegner des Frauenwahlrechts.

Die Abstimmung des Repräsentantenhauses wird sowohl von den Freunden wie den Feinden der politischen Frauenemanzipation. als ein Erfolg angesprochen. Die Frauenstimmrechtlerinnen er­klären, daß der Antrag vor fünf Jahren nicht einmal die Hälfte der 174 Stimmen erhalten haben würde, die er heuer auf sich ver­einigt hat, und daß nicht viel weiter zurück es überhaupt unmöglich gewesen wäre, ihn im Bundesparlament einzubringen. Sie sind entschlossen, ihre Kampagne weiterzuführen und zur Abwechslung nun beim Bundessenat zuerst die allgemeine Einführung des Frauenwahlrechts zu fordern. Die Gegner dieser Forderung be­haupten ihrerseits, daß die Sache mit der Ablehnung des Antrags Mondell auf absehbare Zeit erledigt sei. Jedenfalls geht troß­dem der Kampf dafür weiter, durch eine Amendierung der allge­meinen Bundesverfassung das Frauenwahlrecht mit einem Schlage in den Einzelstaaten einzuführen, wo es noch nicht besteht. Natür­lich besagt das nicht etwa, daß die Bestrebungen eine Abschwächung erfahren, das Frauenwahlrecht durch Abänderung der Verfassung in den einzelnen Bundesstaaten zu erobern. Im Gegenteil. Im laufenden Jahre kämpfen die Frauenstimmrechtlerinnen mit aller Energie dafür, daß dem weiblichen Geschlecht volles politisches Bürgerrecht in den wichtigen Oststaaten New York  , Massa­ chusetts  , New Jersey   und Pennsylvanien zuerkannt wird. Ein Sieg hier würde für den weiteren Erfolg der Frauen­wahlrechtssache in der ganzen Union von sehr großer Wichtigkeit

sein.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Zetkin  ( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  .

Druck und Verlag von J. H. W. Dtez Nachf. G.m.b.6. in Stuttgart  .