Nr. 13
Die Gleichheit
stellen die Frage hinter der Aufgabe zurück, zu siegen, und die Freikonservativen haben eine schroffe Absage erteilen lassen. Damit ist die Situation erfreulich geklärt, und eine solche Klärung ist um so nötiger in einer Zeit wie heute, wo das Wort vom„ Burgfrieden", von der„ Einmütigkeit des Volkes" und andere schönschillernde Worte von einem„ freien deutschen Volke in Zukunft" manchen Sinn umnebelt. Wir sind froh, daß dieser Nebeldunst fortgeblasen ist. Die falte Wahrheit ist: in Preußen bleibt alles beim alten....
Die politischen Phantast en dürften jetzt ernüchtert sein überall, wo sie sind. Die schwärzesten Bessimisten haben recht behalten.... Wenn die Nationalliberalen den Kampf für dies Voltsrecht zurückstellen, weil ihnen der Sieg wichtiger ist, so ist das begreiflich. Für sie ist der Krieg ein ungeheures poli= tisches und wirtschaftliches Geschäft, hinter dem die Volfsrechte wohl zurücktreten können. Die Mundtefelder( Erzgruben) von Brieh und Longuhon, die Kohlengruben in Polen und manch andere besetzten Gebiete, die Kolonien sind wahrlich kein Pappenstiel für das deutsche Kapital, da kann das Volk warten... In der Zeit des Belagerungszustandes, der Pressezensur, der Aufhebung des kümmerlichen Versammlungsrechts, in einer Zeit, wo die Reaktion unter dem Titel„ Burgfrieden" Triumphe feiert, haben wir wahrlich keinen Anlaß, unsere Forderungen nach Demokratisierung zurückzustellen, sie sind brennender als je.
Gerade in diesen Tagen hat sich der Klassencharakterder heutigen Gesellschaft schroff und unverhüllt offenbart.... Als Abgeordneter Bachnide in der Kommission meinte, die jeßige Zeit biete neue Stüßpunkte für die Wahlrechtsforderung, rief Herr v. Zedlib: Im Gegenteil! Das ist ein Wort, das wie ein Blitzlicht die Lage erhellt..... Niemals war so wie heute der grelle Nontrast zwischen den schwersten Pflichten der Allgemeinheit und dem Privilegiencharakter des Staates und der Verwaltung in Preußen offenbar. Der gleichen Verpflichtung als Kanonenfutter steht eine Gleichberechtigung im Staate leider nicht zur Seite. In dem Halbabsolutismus, in der Geheimdiplomatie, in dem persönlichen Regiment erblicken wir eine wichtige unmittelbare Ursache für den Ausbruch dieses Krieges, der allerdings international tapitalistisch bedingt ist.
Wenn die imperialistischen Bestrebungen des Kapitalismus die schwersten Gefahren und selbst den Krieg heraufbeschworen, so haben wir immer gesagt, daß es um so mehr der Kontrolle der auswärtigen Politik durch das Volk bedarf. Die Borbedingung dafür ist die volle Demokratie im Innern. Die Millionen Opfer dieses Krieges sind zu einem ganz wesentlichen Teil verschuldet durch die Rechtlosigkeit der Bolts Volksmassen in den beteiligten Ländern.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir alle, möge es sonst auch Meinungsverschieden heiten unter uns geben, sind darin einig, daß die Volksmassen in feinem der beteiligten Länder den Krieg gewollt haben.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Daraus ergibt sich aber in dem Moment, wo Europa in Blut und Mord und Brand eine alte Kultur und die Blüte seiner Menschheit begräbt, die Forderung nach der Demokratisierung der auswärtigen Politit, aufgebaut auf der inneren Demokratisierung.
Jch begrüße die Zerstörung der Illusion, die in weiten Volfsfreisen in bezug auf die Bereitwilligkeit der herrschenden Klassen und der Regierung in Preußen zu einer Reform des Wahlrechts bestanden haben. Diese Klarheit wird nicht nur denen gepredigt, die im Bürgerrockt sich jetzt bemühen, dem Vaterland zu dienen, sondern auch denen, die draußen im Schüßengraben liegen und die, wenn sie den Bericht über die Verhandlungen der Budgetkommission vom Sonnabend lesen, ingrimmig die Faust in der Tasche ge= ballt haben und denjenigen ihren Fluch gesandt haben werden, die sich bemüht haben, in ihnen Jllusionen zu wecken, sie über die Wahrheit hinwegzutäuschen über die Wahrheit, daß dieser Krieg von den Interessen der großen Volts= massen nicht gerechtfertigt wird, daß die Massen des Volkes nach dem Kriege so rechtlos bleiben werden wie sie vor ihm gewesen sind....
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Nach wie vor wird das Volk nicht durch Nachgiebigkeit, Anpassung und Schmiegsamkeit sein Recht gewinnen, sondern im I assen fampf allein ist sein heil. Wir hoffen, daß wir diesen Klassenkampf recht bald wieder in offener Gemeinschaft international mit den Proletariern aller anderen Länder, auch der jetzt friegführenden, werden führen können. In diesem internationalen Klaffenkampf beruht nicht nur die einzige Hoffnung auf Demokratisierung und Erweiterung der Volksrechte, sondern nach meiner Überzeugung auch das einzige Heil für die Masse der
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Völker in den beteiligten Ländern schon während des Krieges. Sie haben für die Dauer des Krieges das Wahlrecht shroff bersagt, nach dem Kriege werden sie es auch nicht geben. Flidreformen sind das Höchste, was der fortschrittliche Redner in Aussicht gestellt hat. Das heißt, der Masse des Boltes die Fauft entgegenhalten.( Sehr wahr! bei den Sozialdemofraten.) Angesichts dieser Haltung der bürgerlichen Parteien und der Regierung gibt es für mich nur die eine Parole: Fort mit der Heuchelei des Burgfriedens! Auf zum internationalen Klassenkampf für die Befreiung der Arbeiterklasse und gegen den Krieg!( Bravo ! bei den Sozialdemokraten.)
Die Frauen und die Presse.
Genossinnen! Kürzlich verbreitete die Parteipresse einen Bericht über Frauenversammlungen, die während des Krieges stattgefunden haben. Darin war nachdrücklich hervorgehoben, welche Pflichten den Frauen durch den Krieg erwachsen sind: Pflichten gegen die Familie, gegen die Gesamtheit und gegen die Partei.
In einer Anzahl Feld post briefe von Genossen aus den Schügengräben, die ich darauf erhielt, erstatteten diese ihren lebhaften Dank für alles im Bericht Gesagte. Ausdrücklich wurde ausgesprochen, ihr Dank gelte nicht nur der Tatsache, daß unsere Genossinnen in den Hilfsaktionen den Kriegerfrauen mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern ebensosehr dem mahnenden Rufeandie Mütter, ihre Familien vor Verrohung und Völkerhaß zu bewahren, dafür aber um so mehr den Geist der Menschlichkeit und treuer Solidarität wach und lebendig zu erhalten, und der spornenden Aufforde rung, ihr Bestes zu leisten, um Organisationen und Presse der Parteizu fördern.
Es ist ein herrliches Erlebnis, das erhebend auf uns alle wirkt, zu sehen, wie unsere Genossen im Felde, umlauert vom Tode in mancherlei Gestalt: inmitten des feindlichen Kugelregens, den verschiedenartigsten Strapazen fast erliegend, den größten Entbehrungen ausgesetzt, unter riesenhafter Nervenspannung und ungeheurem seelischen Drucke, in bewunderungswürdiger Liebe und Treue an der Partei und ihren Einrichtungen hängen; wie sie mit sorgender Seele alle Parteiborgänge verfolgen und dankbaren Herzens sich jeder Parteiförderung freuen. Das ist ein Heldentum, welches die allgemein anerkannte glänzende kriegerische Tapferkeit unserer Feldgrauen noch übergipfelt.
Genossinnen, wird dies heldenhafte Geschehen auch auf euch in der wünschenswerten Weise wirken? Wird es euch anfeuern, nun auch tapfer und unermüdlich im Dienste der Parteirast loszuarbeiten, um den Organisa tionen und der Verbreitung unserer Presse freudigeure ganze Kraft zu weiben?
Ich hoffe und erwarte es!
Wir müßten ja elendige Feiglinge und pflichtvergessene Mitglieder unserer großen politischen Gemeinschaft, der Partei, sein, wenn es anders wäre.
Heute sind noch viele Kriegerfrauen und noch viele männliche Arbeiter Nichtleser der Parteizeitung; sie müssen aufgesucht und an ihre Pflicht gemahnt werden. Dem Manne sagt, daß ein stolzer, selbstbewußter Arbeiter natürlich die Arbeiterpresse, die seine Intereffen vertritt, lesen muß; sagt ihm, wie die Genossen in den Schüßengräben darüber denken.
Der Kriegerfrau erzählt, wie die Arbeitsbrüder im Felde, also auch ihr Mann, hungern nach der sozialdemokratischen Bresse, wie jeder Feßen Papier " gelesen wird, wie die Männer sich gegenseitig voll Stolz erzählen, wenn ihre Frauen Mitglied der Partei sind und wenn sie für die Nachsendung der Parteizeitung Sorge tragen. Sagt ihr, daß sie selbst die sozialdemokratische Zeitung abonnieren und lesen, und wenn gelesen, ihrem Manne als Feldpostbrief nachsenden soll. Die Versendung macht ihr dann durchaus keine weiteren Unkosten und beide, Mann und Frau, sind durch das Lesen ihrer Parteizeitung um so inniger miteinander verbunden.