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Die Gleichheit

Nr. 13

Für den Frieden.

Eine weitere Bekundung des Friedenswillens in Frankreich  ist durch den Aufruf der internationalen Sekretärin an die Frauen aller Länder veranlaßt worden. Das Tageblatt der sozialistischen  Organisation des Zentrums Le Populaire du Centre" hat den Aufruf unbehindert durch die Zensur zur Veröffentlichung gebracht. Und daß er nicht spurlos an den Seelen der Frauen vorüber­gegangen ist, dafür führt die Zeitung einige Tage darauf einen Beweis an. Eine junge Limousiner Arbeiterin, deren Gatte seit Beginn des Krieges im Felde steht, schrieb, daß der Aufruf ihr Herz und ihr Gewissen erschüttert habe. Zwischen ihrer Friedens­sehnsucht und dem Gefühl der Schwäche hin und her schwankend, fragt sie: Aber was fönnen wir armen Frauen tun, die wir zur Fristung unseres Lebens einen Platz in der Werkstatt, in der Fabrik, im Laden haben müssen? Wenn wir von Politik reden, lachen die anderen uns aus."

Unser französisches Bruderblatt antwortet auf diese Frage, die heute auf vielen Tausenden Frauenlippen liegt, in der Hauptsache wie folgt: Was müssen, was können die Frauen des arbeitenden Volkes tun? Nachdenken, lernen, handeln, damit der Friede ein­kehrt, damit in der Zukunft Kriege unmöglich werden. Das Schick­sal der Nationen, der Friede der Völker war in die Hände der Ar­beiter gegeben. Möge die Lehre der Ereignisse nun heilsam sein. Was wir gestern nicht getan haben, müssen wir morgen tun." Es. gilt den Mächten, die in der kapitalistischen   Ordnung zum Kriege treiben, die sozialistische Erkenntnis und den sozialistischen   Willen der Arbeitenden entgegenzustellen. Möge der Gedanke, zu han­deln, ohne Unterlaß von nun an zu kämpfen, die Frauen durch dringen und mit Begeisterung erfüllen, möge er sie kräftigen und trösten.... Sie müssen den Männern zurufen: Wir fordern un­seren rechtmäßigen Plaz in den ersten Reihen des sozialistischen  Kampfes für die Befreiung der Menschheit, die Freiheit, das Recht der Arbeit, für den endgültigen Völkerfrieden."

Stellungnahme des Kongresses der sozialistischen   Frauen Schwedens   zum Krieg. Im November 1914 hat in Stockholm  ein Kongreß der schwedischen Genossinnen getagt, der in überein­stimmung mit der Auffassung und Haltung der Sozialdemokratie des Landes diese Resolution annahm:

Am Ende des sozialdemokratischen Frauenkongresses fühlen wir uns gedrungen, uns abermals um das Manifest zu sammeln, das beim Ausbruch des Weltkriegs von dem sozialdemokratischen Partei­tag angenommen worden ist, und wir stimmen namentlich seinem Schlußabsatz zu, der lautet:

Die schwedische Arbeiterschaft wird auch in diesen ernsten Tagen zeigen, daß sie sich nicht von ihren Bestrebungen und Idealen ab­lenken läßt. Diese gelten jedoch der Zukunft. Während in einer dunklen und drohenden Gegenwart die schwedische Arbeiterschaft schwere Opfer bringt, um zu verhindern, daß der Weltbrand auch über unser Volk hereinbricht, blickt sie unentwegt vorwärts, der Zeit entgegen, die kommen wird trotz alledem, die Zeit, wo der Weltbund der Arbeiter endgültig den Weltfrieden verbürgt."

Seit das ausgesprochen wurde, sind nicht weniger als vier Mo­nate verflossen, vier Monate des grausigsten Krieges, der die Welt erschüttert, denn man bedenke, daß er möglich geworden ist, nach­dem die Kultur auf vielen Gebieten die Welt bereits erobert zu haben schien. Es drängt uns, dankbar die Bemühungen anzuer­kennen, die in unserem Lande für die Erhaltung der Neutralität gemacht werden. Das neutrale Belgien  , dessen Unglück und Ver­heerung jeder Beschreibung spottet, ist buchstäblich ein Schlacht­opfer des Krieges. Wir appellieren an unsere Volksgenossen in Schweden  , daß sie den notleidenden Belgiern beistehen.

A. L.

Der Forderung des Friedens und des Frauenstimmrechts soll ein internationaler Frauenkongreß gewidmet sein. Seine Abhaltung und seine Vorbereitung haben Frauen aus den kriegführenden und neutralen Ländern beschlossen, die am 9. Februar in Amsterdam   zu einer Konferenz zusammenge= treten waren, zu der Holländerinnen die Initiative ergriffen hatten. Der Kongreß soll sobald als möglich in den Niederlanden statt­finden und prüfen, was die Frauen zur Wiederherstellung fried­licher, guter internationaler Beziehungen und zur Bereitlung fünf­tiger Kriege tun können. In Verbindung mit dieser Frage soll die Tagung aussprechen, daß die volle politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts eine Vorbedingung dafür ist, daß die Frauen machtvoll und erfolgreich für den Frieden und die Solidarität der Völker wirken. Des weiteren ist eine Resolution vorgesehen, die fordert, daß Frauen unter den Vertretern der Mächte sein müssen, die die Bedingungen für den Frieden festlegen, der den gegenwär­tigen Krieg abschließen soll. T. G.

Familienrecht.

Frauenrechte im österreichischen bürgerlichen Recht. Der Krieg hat dazu geführt, daß den Frauen in Österreich   ein Teil jener Rechte gewährt worden ist, die sie so lange und oft gefordert haben. Im Oktober hat die Regierung durch eine Verordnung nach§ 14( es ist jener berüchtigte Paragraph, der immer hervor­geholt wird, wenn die Regierung aus irgend einem Grunde das Parlament beiseite schiebt), die längst fällige Novelle zum Bürger­lichen Gesetzbuch in Kraft gesetzt. Die Frau ist nun dem Manne als Vormünderin gleichberechtigt, sie bedarf keines Mitvormundes mehr, wenn sie über eigene oder fremde Kinder die Vormundschaft führt. Immerhin ist eine Beschränkung vorgesehen. Verheiratete Frauen bedürfen zur Übernahme der Vormundschaft der Zustim­mung des Ehemannes, und wenn der Vater vor seinem Tode ver­fügt hat, wer Vormund sein soll, so geht die Vormundschaft an die vom Vater bestimmte Persönlichkeit über und nicht an die Mutter. Auch die uneheliche Mutter kann Vormünderin über ihr Kind sein, nur wenn es zur Wahrung der Interessen des unehelichen Kindes notwendig erscheint, kann ein Mann zum Mitvormund ernannt werden. Der Frau kann auch das Amt als Kuratorin übertragen werden. Falls ein Ehemann unter Kuratel steht, so kann jetzt die Ehefrau vom Kuratelgericht fordern, daß dieses sie als Kuratorin einsetzt. Frauen sind auch zur Mitgliedschaft bei den Vormund­schaftsräten berechtigt, die die kaiserliche Verordnung vorgesehen hat. Sie werden aus Vertretern der Religionsgenossenschaften, der Schulen und der Gemeinden gebildet. Bei Rechtsgeschäften und Testierungen werden die bisher unfähigen Frauenspersonen"( so hieß es im Gesetz) nun auch vollgültige Zeuginnen sein können. Das Erbrecht, das ja für proletarische Frauen weniger in Betracht kommt, wurde ebenfalls zugunsten der Frauen abgeändert.

Wesentlich verbessert wurden die Bestimmungen über die un­ehelichen Kinder. Der barbarische Saz: Uneheliche Kinder sind überhaupt von den Rechten der Familie und der Verwandtschaft ausgeschlossen" existiert nun nicht mehr. Das uneheliche Kind wird in die Familie der Mutter aufgenommen und erhält in dieser das Erbrecht. Aber nicht verwandt bleibt das uneheliche Kind mit dem Bater! Das ist wohl eine der empörendsten Grausamkeiten, die sich Gesetzgeber leisteten. Es ist eine Grausamfeit im Interesse der be sizenden Klassen. Der Reichtum der legitimien Kinder soll durch die unglückseligen Kinder der Liebe" nicht geschmälert werden. Selbst wenn der uneheliche Vater sein ganzes Leben lang für das un­eheliche Kind sorgte, hat es kein Erbrecht, denn uneheliches Kind und Vater sind nicht verwandt"! Ein wirklicher Fortschritt zugunsten der unehelichen Mutter ist die dem Vater auferlegte Verpflichtung, für sie sechs Wochen nach der Niederkunft zu sorgen. Ebenso muß er eventuelle Heilungskosten zahlen. Die Leistung des Vaters für die uneheliche Mutter muß drei Monate vor der Niederkunft fest= gestellt werden. Auch hier gibt es eine Hintertür für die Herren Väter, denn Frauen mit unzüchtigem Lebenswandel" ist dieser An­spruch versagt. Von wem und wie wird über den durch das Gesetz vorgeschriebenen Lebenswandel entschieden werden? Gibt es Väter, die so niedrig stehen, daß sie die Mutter ihres unehelichen Kindes des unzüchtigen Lebenswandels" beschuldigen, um ihrer Verpflich­tungen enthoben zu sein? Die Erfahrung lehrt, daß dem so ist. So ist diese§ 14- Verordnung, deren wesentlichste Bestimmungen wir angeführt haben, trotz des wirklichen Fortschritts doch auch ein Herrengeset", behaftet mit allen Vorsichtsmaßregeln im Inter­esse der unehelichen Väter aus den besser fituierten lassen. a. p.

Verschiedenes.

Kurse für Hortnerinnen und Schulpflegerinnen. Uns ging dieses Zirkular zu:" Das sozialpädagogische Seminar des Vereins Jugendheim, Charlottenburg  , Goethestraße 22, beginnt seine neuen Kurse zur Ausbildung von Hortnerinnen, Hortleiterinnen und Schulpflegerinnen am 8. April dieses Jahres. Der Hortnerinnen­fursus dauert anderthalb Jahre und schließt mit einer staatlichen Prüfung ab. Bu gleicher Zeit beginnt ein neuer Kursus der all­gemeinen Sprengelschen Frauenschule, die dem Jugendheim an­gegliedert ist."

Die sozialdemokratische Partei Rußlands   hat, wie der Vor­wärts" meldet, den Dumaabgeordneten Mankow ausgeschlossen, weil er für den Krieg gestimmt hat.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  . Druck und Berlag von J. H. W. Die Nachf. G.m.b.H. tn Stuttgart.