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Die Gleichheit
dem Einigungsamt ermäßigten sie ihre Forderung, aber die Unternehmer verweigerten jedes Entgegenkommen. Sie bezeichneten das Vorgehen der Arbeiter als Tarifbruch. Die Arbeiter nahmen schließlich ihre Beschäftigung zu den alten Bedingungen wieder auf.
Um den„ Burgfrieden" kümmern sich die bekannten Scharfmacher herzlich wenig. Natürlich sind es die Bergherren, die sich den kecksten Angriff erlauben. Auf einer Tagung der Bergwerksbesiger erhob Herr Kommerzienrat Kirdorf Vorwürfe gegen die Regierung, vorab gegen den preußischen Handelsminister. Dieser sollte mit den " sogenannten" Arbeiterorganisationen zu stark Fühlung genommen und mit den Arbeiterführern Konferenzen abgehalten haben, zu denen auch Unternehmer geladen waren. Natürlich hätten die Unternehmer es abgelehnt zu erscheinen. Gegen diesen Herrenstandpunkt wandten fich die vier Bergarbeiterorganisationen( freie, christliche, HirschDunckersche und polnische) in einem öffentlichen Aufruf.
Biel nüzen wird ja der Aufruf nicht, aber die Arbeiter wissen wenig stens, woran sie sind. Auch eine Verhandlung im sächsischen Ministerium mit Vertretern der Bergarbeiter zeigte, daß die einfachsten Forderungen der Arbeiter, die nur einigen guten Willen, keinerlei Kosten erfordern, auf völlige Verständnislosigkeit und Abweisnng stoßen. Nicht einmal die Errichtung eines Einigungsamts und das Verbot der Sperren durch die Bergherren konnte erreicht werden.
Etwas mehr Verständnis finden die Arbeiter im Baugewerbe. Für den Wiederaufbau der durch den Krieg verwüsteten Wohnstätten im Osten wird eine größere Anzahl Bauarbeiter benötigt. Auf Anregung des Oberpräsidenten von Ostpreußen hat eine Konferenz mit den Arbeiterorganisationen stattgefunden, in der es zu einer Einigung über die Arbeitsbedingungen fam. Zur Beschaffung der erforderlichen Arbeitskräfte wird eine Zentral- Arbeitsvermittlungsstelle in Königs berg geschaffen. Sind auch die Löhne nur knapp bemessen, so sind doch die sonstigen Bedingungen derart, daß der Arbeiter vor allzu großer Ausnüßung und Bedrückung geschützt wird. Einige der jetzt getroffenen Maßnahmen wurden schon früher häufig, aber umsonst von den Arbeitern gefordert.
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Arbeitslosenzählung im Deutschen Textilarbeiterverband. Bei der Zählung für Monat März wurden Arbeitslose festgestellt: 1189 männliche, 2288 weibliche, zusammen 3477; im Vormonat waren die entsprechenden Ziffern 1859, 2719 und 4578; im März des Vorjahres 1372, 628 und 2000. Von je 100 Mitgliedern waren im März 3,9 arbeitslos, im Februar 4,8 und im März des Vorjahres 1,5. Die Prozentziffer für März 1915 dürfte in Wirklichkeit etwas höher sein als angegeben, da mehr und mehr Mitglieder ausgesteuert und von der Zählung nicht länger erfaßt worden sind. Für das gesamte erste Quartal 1915 waren Arbeitslose zu verzeichnen: 4890 männliche, 5319 weibliche, zusammen 10209. Die Summe der gemeldeten Arbeitslosentage betrug 213125. Unterstützt wurden 2707 männliche Mitglieder für 41402 Tage mit 24447 Mt., und 2213 weibliche für 44659 Tage mit 18960 Mt. Die Zählung erfaßte 94,8 Prozent der Mitglieder. Dem Deutschen Textilarbeiterverband gehörten am Monatsschluß 46707 männliche und 43086 weibliche Mitglieder an, zusammen also 89793 Personen. Zum Heere waren 23536 Mitglieder eingezogen, darunter 27 Verbandsangestellte.
Genossenschaftliche Rundschau.
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sk.
Der jetzt überall herrschende und gepredigte Burgfriede wird von den Gegnern der Arbeiterkonsumvereine recht wenig beachtet. Die Mittelstandsorganisationen der verschiedensten Art nehmen nach wie vor im Stampfe gegen die gehaßten Genossenschaften tein Blatt vor den Mund. Es behagt ihnen besonders nicht, daß Regierungen , und Behörden nach den Beobachtungen und Erfahrungen während des Kriegs die Konsumvereine etwas wohlwollender behandeln als früher. Wortführer der unentwegten Mittelständler finden diese Hal tung der Behörden unbegreiflich". Sie behaupten, daß später" der Kampf gegen die Konsumvereine im Interesse des bedrängten Mittelstandes" mit allen Kräften fortgesetzt werden müsse. Den Konsumvereinen kann das nur recht sein, denn sie haben sich bisher gar nicht unwohl dabei befunden. Im Gegenteil. Druck erzeugt Gegendruck. Und der Kampf der Gegner hat die Arbeiter den Konsumbereinen in großen Massen zugeführt. Also nur weiter so! Im übrigen ist nichts einzuwenden, wenn die Gegner der Konsumvereine dafür sorgen, daß in Arbeiterkreisen die Bäume des Glau bens an irgendwelche Loyalität nicht in den Himmel wachsen. Nach dem, was man jezt, in der Zeit des Burgfriedens", zu beobachten Gelegenheit hat, haben auch die Konsumvereine mit Bestimmtheit
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Nr. 17
damit zu rechnen, daß nach dem Kriege der Kampf zwischen ihnen und ihren Gegnern in der alten Heftigkeit entbrennt. Im so mehr, als die Konsumvereine während des Krieges ihre soziale Nüßlichkeit noch mehr erweisen konnten als in normalen Zeiten. Und die starke Zunahme an Mitgliedern zeigt, daß diese Tatsache in den Kreisen der Minderbemittelten auch Anerkennung findet.
Der große und bekannte Hamburger Konsum, Spar- und Bauverein Produktion, dessen Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr gleichläuft- bei den meisten Konsumvereinen ist es anders, hat den Bericht über sein 15. Geschäftsjahr herausgegeben. Es umschließt mit die fünf Kriegsmonate August bis Dezember vorigen Jahres. Die Genossenschaft hatte Ende Dezember 78517 Mitglieder, das sind über 10000 mehr als im Jahre vorher. Der Umsatz betrug in den 207 Verkaufsstellen reichlich 24 Millionen Mark, rund 1,1 Millionen mehr als 1913. An dem Umsatz ist die Schlächterei allein mit über 7 Millionen Mark beteiligt, die auch für die Militärverwaltung und einige Gemeinden zu liefern hatte. Das muß bei der Steigerung des Umsatzes berücksichtigt werden, ebenso die bei allen Konsumvereinen in Betracht kommende Tatsache, daß die Warenpreise während der Kriegszeit start gestiegen sind. Am wichtigsten ist aber die große Zunahme an Mitgliedern; wenn sie treu bleiben, wird das für die Produktion und für alle Genossenschaften, auf die es zutrifft, von großem Wert sein. Die Bäckerei hat einen Umsatz von 3154000 Mt. zu verzeichnen. Der Notfonds, der für jedes Mitglied bis zu einem Betrag von 100 Mt. von der Rückvergütung aufgespart wird, wurde in der Kriegszeit von 30776 Mitgliedern in Anspruch genommen, die 787000 Mt. abhoben. Man kann nur wünschen, daß alle Arbeitergenossenschaften die Kriegszeit so überstehen wie diese Hamburger.
In der Eigenproduktion der deutschen Arbeiterkonsumbereine ist wieder ein Schritt vorwärts getan. Die Großeinkaufsgesellschaft in Hamburg hat in Düsseldorf eine zweite Seifenfabrik errichtet, die vor kurzem fertiggestellt wurde. Der Betrieb wird freilich zurzeit wohl kaum regelrecht in Gang kommen, denn für die Seifenfabritation fehlt es an den ausländischen Rohmaterialen, die durch den Krieg ferngehalten sind. Bor zwei Jahren wurde mit den Vorarbeiten für den Bau begonnen. Das 18000 Quadratmeter große Grundstück liegt im Gelände des Düsseldorfer Hafens; 6000 Quadratmeter des Anwesens sind bebaut. Es ist also noch viel Platz für weitere Betriebe vorhanden.
In den nächsten Wochen finden eine Reihe genossenschaftlicher Veranstaltungen statt. Mitte Juni tagt in Frankfurt a. M. der zwölfte Genossenschaftstag des Zentralverbandes deutscher Konsum vereine. Die Tagesordnung ist diesmal mehr geschäftsmäßig und formell. Der Jahresbericht wird naturgemäß von den Kriegsverhältnissen stark beeinflußt sein. Ihretwegen hat man auch von allen geselligen Veranstaltungen abgesehen. Unmittelbar vor dem Genossenschaftstag hält der Generalrat mit Vorstand und Ausschuß eine Sigung ab. Wie üblich schließen sich die Generalversammlungen der Großeinkaufsgesellschaft und der Verlagsgesellschaft des Zentralverbandes an den Genossenschaftstag an. Vor letzterem werden in den verschiedenen Bezirken die Tagungen der neun Unterverbände abgehalten.
Die Genossenschaften des Verbandes schweizerischer Konsumvereine hatten im Jahre 1914 einen Umsatz von 45% Millionen Franken zu verzeichnen, 1,3 Millionen mehr als im Vorjahr. Die Schuhfabrik des Verbandes hat das erste volle Betriebsjahr hinter sich. Sie lieferte für 781551 Franken fertige Schuhwaren mit zirka 120 Arbeitern und bei vorübergehender gänzlicher Betriebseinstellung nach Kriegsausbruch. Die bezahlte Lohnfumme beträgt 181882 Franken. Außer der Verzinsung und Amortisation der Anlagen mit 20000 Franken wurde noch ein kleiner Überschuß erzielt. Die Schuhfabrik hat infolge des Kriegs ein kritisches Betriebsjahr hinter sich, aber sie wird sich in den wiederkehrenden Friedenszeiten gut weiterentwickeln wie der gesamte Verband der schweizerischen Konsumvereine, der auch während des Krieges für die gesamte H. F. Stonsumentenwelt sich als sehr nüßlich bewährte
Notizenteil. Burgfrieden.