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Die Gleichheit
Spiegelglasindustrie leiden. Hoffentlich tritt nun eine Milde rung des Jammers ein.
Außerordentlich traurig ist auch die Lage der Arbeiterinnen, die in der Perlenindustriedesbayerischen Fich telgebirges beschäftigt sind. Die Arbeiter des Gewerbes stellen in der Fabrik bei zwölfstündiger Arbeitszeit Glasperlen her, die dann in Heimarbeit von Frauen und Kindern auf Fäden zu Ketten aufgereiht werden. Die Perlenindustrie des Fichtelgebirges ist ebenfalls im höchsten Maße auf den Export angewiesen. Sie wurde durch den Ausbruch des Krieges gelähmt und liegt noch heute vollständig danieder. Die Arbeiterinnen dieses Industriezweiges gehören zu den Frauen, die den niedrigsten Verdienst haben, er beträgt wöchentlich im Durchschnitt 4 bis 5 Mk. Er wird bei einer täglichen Arbeitszeit von vier bis fünf Stunden erzielt; auch die Kinder werden zur Arbeit herangezogen. Irgendwelche Ersparnisse sind bei solchem Erwerb sicher nicht zu machen. Gerade die in der Glasperlenindustrie beschäftigten Frauen wurden durch den Ausbruch des Krieges überaus hart getroffen, denn auch im Fich telgebirge gibt es keine anderen Gewerbezweige, in denen Arbeiterinnen Verwendung finden könnten. So hat der Krieg der Einwohnerschaft dieses Bezirkes tiefe Wunden geschlagen. In der Glasindustrie Thüringens wird zum größten Teil Christbaumschmu d angefertigt, und fast die ganze Welt bezieht aus Thüringen ihre Thermometer. Die Nachfrage nach ärztlichen Thermometern muß gerade während der Kriegszeit eine recht große sein. Die Christbaumschmuckindustrie wurde beim Kriegsausbruch sofort lahmgelegt, und besonders in Lauscha , Steinach und Steinheid griff die Arbeitslosigkeit erschreckend um sich. Darunter litten und leiden naturgemäß auch die kleinen Geschäftsleute, die auf die Kundschaft der Glasarbeiter angewiesen sind. Die Frauen haben wie die Kinder zu jeder Zeit bei der Herstellung von Christbaumschmuck tüchtig die Finger rühren müssen, damit die Familien einigermaßen durchkamen. Nun, da die wehrfähigen Männer zum Kriegsdienst eingezogen wurden, hatten sie die Sorge für die Existenz allein zu tragen. Dazu fam, daß die Frauen der Gegend fast ausnahmslos auf die bescheidene Staatsunterstützung angewiesen waren: die Gemeinden sind zu arm, um aus ihren Mitteln einen Zuschuß dazu zu gewähren. Dieser Stand der Dinge besserte sich nicht, als die Regierung die erwähnten 200 Millionen zur Unterftützung von Arbeitslosen bereitstellte. Eine Subvention aus diesem Fonds ist an gewisse Bedingungen geknüpft, die die armen Gemeinden nicht erfüllen konnten. Der Geschäftsgang der Thüringer Glasindustrie war nur in den Bezirken gut, in denen ärztliche Thermometer und die kleinen dünnwandigen Gläschen hergestellt werden, die zur Aufbewahrung von Pastillen oder anderen Apothekerwaren dienen. Bezeichnend ist, daß trotzdem die Lieferanten die festgesetzten Tarif löhne zu drücken versuchten. Zum Glück ohne Erfolg, weil die Arbeiter und Arbeiterinnen sich mit aller Entschiedenheit gegen das Treiben wehrten.
In der Glashüttenindustrie werden die Arbeiterinnen in den Schleifereien, Einbindstuben und Badkräumen beschäftigt. Der Krieg hat auch diesem Industriezweig Wunden geschlagen, sofort nach dem Ausbruch trat Arbeitslosigkeit ein, die einen sehr großen Umfang annahm. Nach der Statistik des Verbandes der Glasarbeiter waren am 23. August 67,22 Prozent der organisierten Glasarbeiter beschäftigungslos, am 26. September 41,53 Prozent. In den ersten fünf Kriegswochen wurden für sie nicht weniger als 408 800 Arbeitslosentage gezählt. Da die Arbeiterinnen zum großen Teil dem Verbande nicht angehören, hat die Statistik ihre Arbeitslosigkeit nicht erfaßt. Die Arbeitslosigkeit ist also bedeutend größer als sie sich in den angegebenen Ziffern widerspiegelt.
Auch in der Glashüttenindustrie können die Arbeiterinnen für gewöhnlich nichts auf die hohe Kante legen. Die meisten der in den Einbindstuben, Packräumen und leifereien beschäftigten Proletarierinnen haben einen wöchentlichen Ver
Nr. 19 dienst von 9 bis 14 Mt. Nur in den allerseltensten Fällen ist er höher. Das Zwischenmeistersystem drückt erheblich auf die Lage der Arbeiterinnen in den Schleifereien. Die Firma überträgt die Arbeit einem Meister, der zum Fertigmachen Frauen und Mädchen ganz nach Belieben einstellt und entlohnt, denn weibliche Arbeitskräfte werden bevorzugt, weil sie sich nur sehr selten gegen die Verfügungen der Meister auflehnen.
Für alle Arten von Arbeiterinnen der Glasindustrie hat der Krieg tribe Zeiten gebracht. Stockungen der Ein- und Ausfuhr traten sofort ein und zeitigten schlimme Folgen. Ob nach dem Kriege auf eine bessere Geschäftslage gerechnet wer den darf, ist noch zweifelhaft. Schon sind die Glasindustriellen Amerikas am Werke, um sich den Markt zu erobern. Das geht aus einem Briefe in der amerikanischen Zeitung„ The Glassworker" herbor. Dort wird mitgeteilt, daß ein Vertreter der International Bottle Comp.( Internationale Aktiengesellschaft für Flaschenfabrikation) in London große Aufträge nach den Vereinigten Staaten bringt, weil nach dem Aufhören des deutschen Exports die englische Glasindustrie den Bedarf an Flaschen, Glühlampen usw. nicht zu decken vermöge. Auch andere Berichte zeigen deutlich, daß zurzeit in England eine große Glasknappheit besteht. So meldet die„ Daily News" wiederholt, daß es an Fensterglas zum Bau der Baracken für Soldaten vollständig fehlt, ebenso an Gläsern aller Art für chemische und wissenschaftliche Zwecke, denn der Bedarf an solchen wurde vollständig vom Ausland gedeckt. Die amerikanische Glasindustrie hat zurzeit alle Veranlassung, sich um den englischen Markt zu bemühen und die deutsche Ware von dort dauernd zu verdrängen. Der Krieg hat auch sie erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die American Flint Glaẞworfer Union erklärt in ihrem letzten Bericht, die Geschäftslage in der Glasindustrie sei noch nie so schlecht gewesen wie gerade jezt, obgleich infolge des Krieges die europäische Konkurrenz fast aufgehört habe. Die Gewerkschaft mußte jede Woche 20 000 Mr. für Streifs und ebenso viel für Arbeitslosenunterstützung ausgeben. Die Kauffraft Amerikas sei durch den Krieg vermindert.
Die deutsche Glasindustrie wird nach dem Kriege die verzweifeltsten Anstrengungen machen müssen, die verlorenen Absatzgebiete wieder zu gewinnen. Jedenfalls werden daher die Arbeiterinnen, die früher in ihr Beschäftigung fanden, nicht darauf rechnen können, daß man sie sofort wieder einstellt. Die Hauptabnehmer von Erzeugnissen der deutschen Glasindustrie sind die Staaten, mit denen wir uns im Kriege befinden, und da ist es begreiflich, daß wir in der Zeit nach dem Friedensschluß nicht sofort wieder den gleichen Absatzmarkt haben werden wie vor der Katastrophe. Die nachfolgenden Zahlen lassen erkennen, daß die Ausfuhr eine Lebensnotwendigkeit für die deutsche Glasindustrie ist. Sie übersteigt die Einfuhr ganz gewaltig.
Die Einfuhr von Glaswaren aller Art nach Deutschland betrug in den legten fünf Jahren:
Jahr 1909 1910 1011
1912
1913
Menge in Doppelzentner 203 382
Wert pro Doppel
zentner in Mark
88,84
260146
20480 000
78,73
253196
20064.000
79,24
200599
19625 000
97,83
166212
17820000
107,21
Die Ausfuhr von Glaswaren aller Art aus Deutschland stellte sich in den legten fünf Jahren wie folgt: Menge
Jahr
1909.
1910.
1911.
1912.
1613.
in Doppelzentner 1490374
Wert in Mart 89 500 000
Wert pro Doppel
zentner in Mark
60,05
1806 320
99.785 000
55,21
1935 398
108 400 000
56,01
2116843 2458050
118409000
55,94
146 024 000
59,41