Nr. 20
Die Gleichheit
In Berlin besteht ein zentraler Kriegsausschuß für Konsumenteninteressen", der aus Vertretern aller Boltskreise zusammengesetzt ist. Neben Konsumvereinlern und Gewerkschaftern machen da die honorigsten Kreise soziale Kriegspolitik, besonders auf dem Gebiet der Lebensmittelversorgung. Welche praktischen Ergebnisse diese Arbeit bis jetzt hatte, wird sich kaum feststellen lassen, denn mit Vorschlägen allein, und wären es die besten, ist noch nichts erreicht. Er wäre allerdings dringend erwünscht, wenn dieser Ausschuß rücksichtslos und energisch gegen den herrschenden Lebensmittelwucher ankämpfen würde. In seiner letzten Sitzung Mitte Mai fand er es für nötig, sich gegen den Vorwurf zu wehren, daß er mittelstandsfeindlich sei, er wolle nur gegen die„ Auswüchse" des Geschäftslebens Front machen. Die Konsumvereine haben denselben Vorwurf mit der nötigen Ruhe ertragen, er brauchte auch diesen Kriegsausschuß nicht nervös zu machen, sintemalen man sich unter Mittelstandsfeindlichkeit recht Verschiedenes vorstellen kann. Den Vorschlägen, die der Ausschuß auf jener Sizung beschloß, stellte er den Grundsatz an die Spike:" Sicherstellung auskömmlicher Menschenernährung zu erträglichen Preisen." Man darf annehmen, daß unter solchen Preisen die verstanden werden sollen, die für die Masse der Unbemittelten„ erträglich" sind. An diesen Grundsatz reihen sich dann durchaus zweckmäßige Einzelforderungen, denen weiter nichts fehlt als die Durchführung. Darauf zu dringen, wird die Hauptsache sein. Dem Berliner Ausschuß gehören eine Anzahl Unterausschüsse an, die sich in Großstädten verschiedener Bezirke des Reiches gebildet haben.
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Der Konsumberein Leipzig- Plagwib hat im ersten Geschäftshalbjahr 1914/15 einen Umfaß von reichlich 13 Millionen Mark zu verzeichnen. Das sind 626 000 Mark weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Mitglieder hatte sich jedoch bis Ende Februar um etwa 6150 gesteigert. Bemerkenswert ist, daß in den großen Warenhäusern des Vereins der- Umsatz im ersten Kriegsmonat um 40 bis 50 Prozent zurückging und sich erst in den späteren Monaten wieder hob. Die Sorge um den Lebensunterhalt war eben in der ersten Zeit so groß, daß alle anderen Bedürfnisse da= hinter zurückgestellt wurden. Die Generalversammlung des Vereins hat beschlossen, daß die Delegierten auf der nächsten Generalversammlung der Großeinkaufsgesellschaft für eine Gehaltsstaffel der Vorstandsmitglieder einzutreten haben, um dadurch den einzelnen Vereinen der Gesellschaft ein Mitbestim= mungsrecht in dieser Frage einzuräumen. Jetzt beschließt der Aufsichtsrat allein. Bemängelt wurden die jetzigen Gehälter von 12 000 Mark. Dazu kommen noch erhebliche Spesen für Reisen. Während im Jahre 1905 in den dänischen Städten nur erst 22 Konsumvereine bestanden, deren Zahl bis 1910 auf 44 anwuchs, zählt man jet 92 Vereine, von denen allein auf Kopenhagen 17 entfallen. Sowohl der Umfaß wie die Mitgliederzahl find in den letten Monaten gewaltig gestiegen; doch haben nicht nur die Auszahlung des überschusses von 1914, die Preissteigerungen, die Kämpfe zwischen den kapitalistischen Ringen und den Genossenschaften, sondern vor allem auch das wachsende Verständnis für die wirtschaftliche Bedeutung der Konsumvereine für die Arbeiter dazu beigetragen. Die Kopenhagener Konsumbereine haben sich organisiert zum Zwed besseren Zusammenarbeitens. Von Bedeutung ist auch, daß in den Kopenhagener Vereinen die Barzahlung völlig durchgeführt ist.
Notizenteil. Burgfrieden.
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H. F.
Morgenrot. Seit 20 Jahren erscheint in Elberfeld im Verlag Molkenbuhr die Zeitschrift Morgenrot". Wie viele andere Zeitschriften stellte sie in den ersten Kriegsmonaten ihr Erscheinen ein, um erst in diesem Frühjahr wieder mit einem Heft vor ihren Leserkreis zu treten, in dem die Friedensfrage behandelt war. Das Heft wurde verboten, und am Samstag, den 22. Mai wurde der Redakteur der„ Elberfelder Freien Presse", Genosse Otto Niebuhr, der für die Zeitschrift Morgenrot" verantwortlich zeichnete, durch zwei Kriminalbeamte verhaftet. Die Verhaftung geschah mit der Begründung, es handle sich um eine neue Beitschrift, die nicht genehmigt sei. Der Fall ist im Reichstag zur Sprache gekommen. Erst nach vierzehn Tagen wurde Genosse Niebuhr gegen eine Raution von 5000 Mark aus der Haft entlassen. An demselben Samstag wurde in den Räumen des Solinger Parteiblatts und im Solinger Parteisekretariat nach Eremplaren des„ Morgenrot" gehaussucht, jedoch ohne Erfolg.
Genosse Haase auf dem Index. Der Vorsitzende unserer Reichstagsfraktion, Genosse Haase, sollte am Mittwoch, dem 9. Juni in
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einer Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Vereins in Düsseldorf über„ Vergangenheit und Zukunft der Sozialdemofratie" reden. Obwohl die Anmeldebescheinigung für die Versammlung die früher soviel als die Erlaubnisbestätigung bedeutete- sich schon seit einigen Tagen in den Händen des Parteisekretärs befand, so wurde die Versammlung doch noch am Mittwochmittag verboten. Denselben Vortrag hatte Haase in Solingen gehalten. In Bremen sollte Genosse Haase am 14. Juni in einer Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Vereins sprechen. Das stellvertretende Generalfommando in Altona versagte die Genehmigung.
Für den Frieden.
Internationale Konferenz für die Zukunftsinteressen der Menschheit. Unter diesem etwas anspruchsvoll flingenden Titel fand am 28. und 29. Mai in Bern eine internationale Nonferenz statt, die einer Verständigung unter den kriegführenden Völkern dienen sollte. Die Konferenz ist auf Einladung des Bundes zur Organisierung des menschlichen Fortschritts zustande getommen. Aus Deutschland waren anwesend der Reichstagsabgeordnete Vogtherr aus Dresden und der Vizepräsident der Deutschen Friedensgesellschaft Pfarrer Um fried aus Stuttgart . Aus Frankreich war der Abgeordnete Hubbard gekommen, der als Offizier im Schüßengraben liegt, aber Urlaub zum Besuch der Veranstaltung erhalten hatte. Außerdem waren Vertreter aus Holland , Italien , Rußland , Amerika und der Schweiz erschienen. Unter anderem nahm die Konferenz auch eine Entschließung an gegen die Verbreitung des Völ= terhasses durch Greuelberichte. Umano, der Präsident der Friedensgesellschaft in Rom , erklärte, daß das italie. nische Volk wider den Willen der großen Mehrheit von der Regierung in den Krieg gestürzt worden sei. Hubbard sprach sich leidenschaftlich für eine Verständigung der Völker aus. Die Konferenz beschloß die Schaffung einer ständigen Kommission mit dem Sit in der Schweiz zur Vorbereitung der Wiederannäherung der feindlichen Nationen nach dem Kriege. Auch bei dieser Konferenz liegt wie bei dem Friedenskongreß der Frauen im Haag die Bedeutung weniger in den einzelnen Entschließungen und Maßnahmen. Die Konferenz ist ein Beweis mehr, daß in allen Ländern die Völker
anfarieges satt zu sein und von selbst sich die ver
des
föhnende Hand entgegenzustreden. Der Gang dieses blutigsten aller Kriege hat manchen Jrrwahn geheilt, manchen Geist aufgerüttelt; man kommt aus dem Stadium eines ohnmächtigen Friedenswünschens heraus und sucht nach einer Möglichkeit des Handelns. Bei der innigen Verquickung des geistigen wie materiellen Lebens der Völker unserer Zeit ist der Kriegszustand auf die Dauer ein Wahnsinn. Die Regierungen, die jetzt die Hand zu einem ehrlichen Frieden bieten, werden hüben wie drüben die Völker für sich haben. Die Friedenspetition der Kinder in den Vereinigten Staaten , von der wir schon früher berichtet haben, ist am 25. Februar von zwölf kleinen Mädchen der Stadt Washington dem Staatssekretär für die ausländischen Angelegenheiten überreicht worden. Die Delegation wurde bei ihm von zwölf bekannten Frauenstimmrechtlerinnen eingeführt. Herr Bryan sagte bei dem Empfang:" Ich bin hocherfreut, hier Friedenspetitionen von irgend jemand zu erhalten. Jedoch meine ich, daß sie von keinem besseren Teil der Bevölkerung kommen können, als von den Frauen und Kindern. Die Frauen müssen daheim die meisten Lasten des Krieges tragen und deshalb müßten sie bei der Regelung der Verhältnisse etwas zu sagen haben, die den Krieg verursachen oder ihn verhindern."
Arbeitslosigkeit der weiblichen Erwerbstätigen.
Auch im Monat April 1915 war für die weiblichen Erwerbstätigen die Lage auf dem Arbeitsmarkt ganz unbefriedigend. Bei den Arbeitsnachweisen hat sich zwar die Zahl der weiblichen Arbeitsuchenden bon rund 144000 im März auf 140000 int April vermindert; da aber auch die offenen Stellen während dieser Zeit von rund 95000 auf 85000 zurückgegangen sind, so kamen im Berichtsmonat auf 100 offene Stellen 165 weibliche Arbeitsuchende gegen 152 im Vormonat und 94 im April 1914. Es ist somit im April eine merkliche Verschlechterung gegenüber beiden Vergleichszeiten eingetreten. Diese geringere Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften machte sich am meisten bemerkbar in der Textilindustrie, im Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe, in der Papierindustrie, im graphi= schen Gewerbe, bei Fabritarbeit, im Handelsgewerbe und in der Gruppe Freie Berufsarten. Von den angeführten Bandesgebieten bietet das Königreich Sachsen am wenigsten Ver