Nr. 22

25. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.

Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart

23. Juli 1915

Einigkeit und Zielbewußtsein in der italienischen sozialdemokratischen Partei. Von Angelita Balabanoff. Zwei Grundfragen der sozialen Fürsorge für Kriegerwitwen und Striegerwaisen. IV. Frauen und Kinderarbeit in Sachsen . II. Von H. F.

Aus der Bewegung: Zehn Jahre Frauenbewegung in Mannheim . Von Therese Blase . Politische Rundschau.

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Notizenteil: Burgfrieden. Für den Frieden. Arbeitslosigkeit der weiblichen Erwerbstätigen. Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Frauenstimmrecht.

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Einigkeit und Zielbewußtsein in der

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Partei nicht angehörenden Kriegsschreier werden weiter als ihre Mitglieder vorgestellt. Damit nicht genug, wird von Spaltungen in der Partei geschrieben, und daß sich etwas einer Spaltung ähnliches nach Kriegsausbruch aus der ersten gemeinsamen Sizung zwischen Vorstand und Fraktion ergäbe, war der heißeste Wunsch der Sozialistentöter. Daß es anders gekommen ist, daß die Partei nach wie vor auf dem prin­zipiellen Standpunkt steht und sämtliche Organisationen hin­ter sich hat, erhellt zur Genüge aus der Resolution, die der Parteivorstand in bezug auf die innere Politik angenommen hat, wie auch aus dem Beschluß, Verbindungen mit den lismus treu geblieben sind.

italienischen sozialdemokratischen Partei. Parteien oder Parteifraktionen zu pflegen, die dem Sozia­

Zu dem sehr zeitgemäßen Thema der Einigkeit und des Bielbewußtseins der Sozialdemokratie in Italien schreibt im Vorwärts" Genossin Balabanoff:

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Die Parteivorstandssitung der italienischen Sozialdemo­kraten, die kürzlich in Rom stattfand, hat den Sozialisten­tötern wieder einmal eine bittere Enttäuschung verursacht, hatten diese doch angenommen, daß die sozialistische Partei entweder ganz im Burgfrieden" aufgehen oder jedenfalls fein Lebenszeichen geben werde. Als der Parteivorstand ein­berufen wurde, schrieben gewisse Zeitungen, die sonst nicht zu den offiziell humoristischen gehören, es sei überhaupt un­erhört, daß die sozialistische Partei trop der vorherrschenden öffentlichen Meinung eine Sondereristenz führe und gegen den Strom schwimme. Eigentlich, meinte eines dieser Blätter, sei es Schuld der bürgerlichen Presse. Würde die sich mit den Erscheinungen innerhalb der Partei nicht beschäftigen, so merkte überhaupt niemand etwas von der Eristenz der Partei, und die effekt- und reklamesüchtigen Sozialisten würden sich beruhigen. Bezeichnend ist es, daß man noch heutzutage es so hinstellen kann, als sei die sozialistische Partei nicht etwa Aus­druck einer Massenbewegung, Verfechterin eines sozialen und politischen Programms, einer Weltanschauung, sondern die Organisation einer kleinen Minorität, die nur deshalb eri­stiert und eine Tätigkeit entfaltet, weil die bürgerliche Presse von ihrem Dasein Notiz nimmt!

Daß dem nicht so ist, beweist gerade die Haltung der italie­nischen sozialistischen Partei in der letzten ereignisschweren Zeit. War die Einberufung des Parteivorstandes schon an und für sich eine Enttäuschung für die Gegner aus bürger­lichem und ehemalig revolutionärem Lager, so mußte der Ver­lauf der Vorstandsarbeiten erst recht dazu angetan sein, die Totengräber der italienischen sozialistischen Partei und der Internationale Lügen zu strafen.

Trotz der Weltereignisse, die die Öffentlichkeit ganz in An­spruch nehmen, wimmelte es auch nach Kriegsausbruch in der italienischen antisozialistischen Presse von Spaltungen", von ,, Demissionen und Bekehrungen" hervorragender Sozia­listen zum friegsfreundlichen Nationalismus. Das System ist das bereits gekennzeichnete: ein Sozialist wird in demselben Augenblick zur hervorragenden Persönlichkeit gestempelt, wo er der Partei untreu wird, und die bereits seit Jahren der

Die Resolution über die innere Politik der italienischen Sozialisten ist insofern typisch, als in ihr alles das gesagt wird, was die Partei den Organisationen zur Richtschnur gibt, und weil gerade aus ihr zu ersehen ist, daß diejenigen, die auf Spaltungen in der Partei spekulieren, sich auf dem Holzweg befinden. An und für sich waren die Gerüchte über die Spaltungen schon insofern ein demagogischer Kniff, als die Annahme töricht wäre, daß eine Partei sich nachträglich spalten werde, die trotz allem, was in den letzten zehn Mo­naten innerhalb und außerhalb Italiens geschehen, sich ge­schlossen um das Banner des Sozialismus geschart und ihre Stellung in der feierlichen Erklärung Turatis und des Par­teivorstandes feftgelegt hatte. Es mögen immerhin Gefühls­äußerungen einzelner Genossen manchmal nicht ganz im Ein­flang mit dem von der Partei als Ganzes und von dem sozia­listisch organisierten Proletariat eingenommenen Standpunkt stehen, aber was das mit der Partei und ihrer Aktion zu tun haben soll, ist nicht leicht zu ergründen. Daß es sich dabei um Ausnahmefälle handelt, bestätigt die Tatsache, daß der Partei­vorstand gerade in seiner legten Sigung den Abgeordneten Piccinato aufs strengste verurteilt hat, das einzige Fraktions­mitglied, das sich im letzten Augenblick, unmittelbar vor der Kriegserklärung weigerte, die Politik der Partei und der Fraktion zu unterstüßen, und an der entscheidenden Par­lamentssigung am 20. Mai nicht teilnahm.

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Die Polemik, die in der Partei auftaucht, bezieht sich auf ganz formelle Fragen oder aber auf programmatische Mei­nungsverschiedenheiten, die in der Partei stets vorhanden waren und mit der Stellung zum Kriege in keiner Beziehung stehen. Im Gegenteil, der Umstand, daß sie gerade jetzt auf­tauchen und zwar zwischen dem Genossen Treves in der ,, Critica Sociale" und dem Avanti", dessen Antwort übri­gens von der Zensur unterdrückt wurde, beweist gerade, daß, solange es sich um eine Aktion gegen den Krieg handelte, gar keine Gruppendifferenzen in der Partei hervortraten. Die Linksreformisten teilten ganz den Standpunkt des Partei­vorstandes und des Avanti", die sich seit dem Kongreß von Reggio Emilia im revolutionären Geiste betätigt haben.

Nachdem die Aktion gegen den Krieg bis zum letzten Augen­blick und bis zur letzten Möglichkeit von der Partei in ihrer Gesamtheit durchgeführt worden ist, treten untergeordnete