Nr. 22 Die Gleichheit 147 Dieser Protest gegen die offizielle Politik der französischen   So- zialdemokratie ist nicht in allen Punkten ganz konsequent und klar, aber eins geht daraus hervor: daß immer größere Teile der französischen   Arbeiterschaft den Krieg nach außen und den Burg- frieden nach innen gründlich satt haben. Sie besinnen sich auf ihre rein proletarischen Interessen. Die trüben Wasser nationalistischer Verhetzung verlaufen, der feste Boden des Sozialismus erscheint wieder. Im lokalen Pariser Föderationskomitee versuchte V a i l l a n t der Versendung des Berichts an die Pariser   Sektionen entgegen­zutreten. Aber mit Hinblick darauf, daß sowohl das Zentralorgan, dieHliumnitö", wie auch HervösGuerre Sociale" den Bericht totschweigen, wurde die Versendung an die einzelnen Sektionen beschlossen, ein Beweis, daß die Unzufriedenheit mit der offiziellen Parteipolitik auch in der Pariser   Arbesterschaft wächst. Noch stärker ist die Unzufriedenheit in der Provinz. Die Föde- ration A u b e, Hauptstadt Trohes, hat sich der Losung von Li- moges bereits angeschlossen. Bemerkenswert dabei ist, daß Aube im Gebiet der Kricgsoperationen, teilweise von den Deutschen be- setzt ist, also die Nachteile der Durchhaltepolitik am schärfsten zu kosten hat.__ Arbeitslosigkeit der weiblichen Erwerbstätigen. Eher eine Verschlechterung als eine Verbesserung deS gewerb- lichen Arbeitsmarktes für die Arbeiterinnen ist für den Mai zu melden. Die Zahl der weiblichen Beschäsligten hat zwar nach den Statistiken der Krankenkassen gegen den Vormonat um 31 333 zuge- nomiuen, und nach den Berichten von industriellen Firmen wurden im Mai 1315 in 334 Unternehmen 7673 weibliche Arbeitskräfte mehr beschäftigt als im gleichen Monat des Vorjahres. Jedoch diese Mehr- beschäftigten rekrutieren sich fast ausschließlich aus Frauen und Mädchen, die früher keinem Erwerb nachgingen, jetzt aber infolge der wucherischen Lebens mittelteuerung gezwungen sind, mit- zuverdienen, um einigermaßen bestehen zu können. Sowardennauch der Andrang weiblicher Arbeitsuchender zu den Arbeitsnachweisen sehr stark. Nicht weniger als 137 333 weibliche Arbeitsuchende wur- den im Mai gezählt gegen 134 333 im gleichen Monat des Vor- jahres. Die Zahl der offenen Stellen ist aber erheblich zurückge- gangen. Sie verminderte sich von 134 333 im Mai 1314 auf 83 333 im Mai 1315. Von den gemeldeten offenen Stellen konnten nur 64 333 im Laufe des Monats besetzt werden. Es blieben demnach im Mai rund 73 333 Arbcitsgesuche von Frauen und Mädchen un- berücksichtigt. Auf 133 offene Stellen kamen im Berichtsmonat 158 weibliche Arbeitsuchende; die entsprechenden Zahlen betrugen im Vormonat 165 und im vorjährigen Mai 133. Wie schon im April, so bot auch im Mai das Königreich Sachsen mit 363 weiblichen Arbeitsuchenden auf 133 offene Stellen die wenigste Verdienstmöglichkcit. Hier dürfte der außerordentlich schlechte Ge- schäftsgang in der H u t i n d u st r i e ausschlaggebend gewesen sein, denn auf die 5 offenen Stellen in dieser Industrie kamen nicht weniger als 2831 arbeitsuchende Hutarbeiterinnen. Im all- gemeinen war das Überangebot von weiblichen Arbeitskräften am stärksten bei Fabrikarbeit ohne nähere Bezeichnung, im Handelsgewerbe sowie in der Textil-, Metall- und P a p i e r i n d u st r i e. Noch deutlicher als bei den Arbeitsnachweisen tritt die Zunahme der Arbeitslosigkeit bei den gewerkschaftlichen Arbeitslosenzäh- lungen zutage. Diese liegen für den Monat Mai 1315 von 23 Or- ganisationen vor, die über 147 323 weibliche Mitglieder berichteten. Von diesen waren arbeitslos: Zu Ende Januar. Februar. März. April.. Mai.. Zm Jahr« wis 16745= 11,1 Proz. 13382= 9,4- 12295 8,3- 12793 9,1- 13701 13,0- Im Jahre iw« 4959 2,4 Proz. 4461 2,1- 4033 1,9- 3569 1,7- 5509 2,6- Die rückläufige Bewegung der Arbeitslosigkeit, die bereits im zweiten Kriegsmonat einsetzte und durch die weiteren Monate an- dauerte, ist danach im März zum Stillstand gekommen. Im Monat April erhöhte sich die Zahl der arbeitslosen organisierten Arbeite- rinnen um 438 und im Mai wieder um 1963. Verglichen mit dem Monat Mai 1314 ist die Zunahme noch erheblich größer, sie be- trägt 3252 weibliche Beschäftigungslose. Dieses Ansteigen ist in ersterLinie auf die stärkere Arbeitslosigkeit in der H u t i n d u st r i e zurückzuführen. Stieg doch im Hutarbeiterverband in den ersten fünf Monaten dieses Jahres die Zahl der weiblichen arbeits- losen Mitglieder von 1329 auf 3579. Aber auch im Textil- arbeiter-, im Buchbinder  - und im Buchdruckerei- h i I f s a r b c i t e r v e r b a n d hat sich die Zahl der weiblichen ar- beitslosen Mitglieder erhöht. Wenn man nur die Verbände mit größerer weiblicher Mitgliederzahl in Betracht zieht, so stellen die Hutarbeiterinnen mit 66,1 Prozent auch verhältnismäßig die meisten Arbeitslosen. Erst in weitem Abstand reihen sich an: die Glasarbeiterinnen mit 33,6, die Porzellanarbeiterinnen mit 21,3, die Holzarbciterinnen mit 16,1, die Buchbindereiarbeiterinnen mit 14,9, die Buch- und Steindruckereihilfsarbeiterinnen mit 3,7, die Lederarbeiterinnen mit 9,3, die Textilarbeiterinnen mit 8,4 und die Metallarbeiterinnen mit 8,3 Prozent Arbeitslosen. Die niedrigsten Prozentsätze weiblicher Arbeitslosen wurden wie schon im Vormonat im Gemeindearbeiterverband mit Ich und im Tabak- arbeiter- und Transportarbeiterverband mit je 1,8 Prozent fest- gestellt. In allen Kriegsmonaten war die Tatsache zu beobachten, daß die weibliche Mitgliedschaft mehr mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat als die männliche. Sie tritt auch im Mai zutage, und zwar in noch stärkerem Maße wie in den Vormonaten. Bei allen berichtenden Verbänden zeigt die weibliche Mitgliedschaft eine höhere Arbeitslosenziffer als die männliche, und bei manchen Organisationen ist der Unterschied sehr beträchtlich. b. Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Die achte Jahresversammlung des Bundes der fozialdemo- kratifche» Frauenklubs in Holland  , über die dieGleichheit" bereits kurz berichtet hat, fand am 3. April 1315 in A r n h e i m statt. Sie war von 22 Klubs in den wichtigsten Städten der Niederlande   mit Vertreterinnen beschickt. Einige Vereine hatten von einer Delegierung absehen müssen, da die große Demonstration vom 1. April ihre Kräfte außerordentlich in Anspruch genominen hatte. Die Vertreterin deS Arnheimer Klubs begrüßte mit herz- lichen Worten die Tagung. Die Bundesvorsitzende, Genossin M. W i b a u t, dankte dafür und stellte in ihrem Jahresüberblick fest, daß die Genossinnen angesichts der gegenwärtigen schweren Ereig- nisse zufrieden sein können, daß die Jahresversammlung so regem Interesse begegnet und dementsprechend gut beschickt ist. Auch in Holland   wurde vor dem Kriege von den sozialistischen   Frauen Schönes geleistet. Besondere Erwähnung verdienen die Vorberei- tungen des Bundes für die Internationale Konferenz der sozia- listischen Frauen, die im August 1914 in Wien   stattfinden sollte. Dazu gehörte auch die Beteiligung an der großen internationalen Friedensdemonstrationsversammlung zu Berlin   im Frühling 1314. Sozialistische Frauen aus Deutschland  , Ost erreich, England, Rußland   und Holland   nahmen daran teil, aus Schweden  , Finnland  , Frankreich   usw. hatten die Ge- nossinnen Zustimmungskundgebungen geschickt. Die große Frie- densdemonstration der holländischen Frauen am 1. April dieses Jahres in Amsterdam   hat das Solidaritäts- und Freund- schaftswerk im Geiste des internationalen Sozialismus weiter- geführt. Sie beweist, daß die sozialistische Frauenbewegung wächst. Die Frauen kamen zu Tausenden und bekundeten, daß sie reif für das öffentliche Wirken sind. Die große Anzahl einge- laufener Sympathiekundgebungen spricht dafür, daß die Friedens- demonstration im ganzen Lande Widerhall gefunden hat. Genossin A n k e r s m i t schloß die Bemerkung an, daß sie bei der Amster- damer Demonstration eine Mitteilung verabsäumt hatte. Die ruf- fischen Genossinnen hatten sie gebeten, den holländischen Frauen zu sagen, sie möchten des schweren, gefahrvollen Kampfes eingedenk sein, den ihre Schwestern im dunklen Rußland   führen. Sie glau- ben ein Recht zu haben, daran zu erinnern, damit die Genossinnen der Niederlande   mit ihnen fühlen. In der Diskussion kain die Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß der Bund die internationale Solidarität des Proletariats und seiner sozialistischen Vorhut so hoch hält und unermüdlich dafür wirkt, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den sozialisti- schen Frauen der verschiedenen Länder zu kräftigen. Beim Aufbau der neuen Internationale werden die Frauen Bedeutendes zu leisten haben. Die Begeisterung, die bei der Amsterdamer Demon- siration so schön aufgeflammt ist, soll das ganze Land ergreifen. Genossin Ankers mit machte darauf aufnierksam, daß die Pro- paganda gegen den Krieg im Geiste der Stuttgarter   und Berncr Beschlüsse zu führen ist. Die folgende Resolution wurde einstim- mig angenommen: Die Jahresversammlung bekundet ihre warme Sympathie und Solidarität mit den sozialistischen   Frauen der kriegführenden Länder. Sie dankt den Genossinnen dieser Länder, die am 26., 27. und 28. März zu der Außerordentlichen Internationalen Sozia- listischen Frauenkonferenz in Bern   zusammengekommen sind, um eine gemeinsame Grundlage für den Kampf um den Frieden fest,