Nr. 24

Die Gleichheit

macht sie weite Kreise erbittert oder mutlos. Die Presse soll aber für das Gegenteil wirken. Das stellvertretende Generalkommando der zweiten bayerischen   Armee hat daher mit Verfügung vom 27. jede weiteren Erörterungen und Betrachtungen über Lebensmittel­teuerung unter Präventivzensur gestellt, einerlei, ob es Driginal­artikel oder bereits anderwärts zensierte find.

Zu neun Monaten Gefängnis wurde Genosse Heinrich Hüneke, Vorsitzender des Verbandes der Maschinisten und Heizer, Zahlstelle Bremen  , von der Bremer Straffammer II verurteilt. Die Anklage lautete auf Aufreizung zum Klassenhaß, Verleitung von Soldaten zu Vergehen gegen die militärische Zucht und Ordnung und Auf­forderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze. Beantragt war ein Jahr Gefängnis. Der Angeklagte hatte auf der Werft der A.-G. Weser etwa 100 Exemplare des Flugblatts Der Hauptfeind steht im eigenen Land" verbreitet.

Hanssuchungen und Verhaftungen

In Hamburg   wurde bei Genosse Dr. Laufenberg nach den von ihm verlegten Broschüren Imperialismus und Demo­fratie" und Organisation, Krieg und Kritit" gehaussucht. Auch nach einem Schriftstück wurde gefahndet, das auf einer Versamm­lung der Hamburger Landesorganisation verteilt worden und sofort in die Hände des Generalkommandanten gelangt war.

In Berlin  , wo Genosse Piet seit Mai in Haft ge­halten wird, fanden ebenfalls eine ganze Reihe von Haussuchungen statt. Es scheint sich hier um den Aufruf der Internationalen Frauen­Konferenz in Bern   zu handeln. Auch in Dresden   wurde bei einer Reihe Parteigenossen gehaussucht. Man fahndete hier nach der Zeit­schrift Die Internationale  ". In Württemberg   fanden neue Haussuchungen in Stuttgart  , Cannstatt, Gmünd, Göppingen   und Ilm statt. Bei einer Haussuchung in der Redaktion des Sozial­demokraten, des Mitteilungsblattes des alten sozialdemokratischen Vereins, handelte es sich um die Ermittlung eines oder mehrerer Berichterstatter an schweizerische Zeitungen. Seit 31. Juli ist denn auch die Berner Tagwacht in Württemberg   verboten.

Für den Frieden.

Arbeiterbewegung in Rußland  . Während die russische Bour­geoisie Anstrengungen macht, um eine Reorganisation der Verwal­tung und Kriegsvorbereitung in ihrem Sinn durchzusetzen, und die Duma hierbei in einer für Rußland   unerhört energischen und selbst= bewußten Art vorgeht, erwacht in den proletarischen Schichten unter. dem Eindruck des Kriegselends immer mehr der Klassenbewußte Kampf gegen jede Ausbeutung und für den Frieden. Aus Furcht, der Tag der Dumaeröffnung( 1. August) möchte zu Straßenkund­gebungen führen, ließ die Regierung bereits am Vorabend alle Staatsgebäude polizeilich absperren und die Arbeiterviertel mili­tärisch überwachen. Im Umkreis des Dumagebäudes waren die Straßen für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Jm Dumagebäude war mit Genehmigung des Präsidenten eine Militärwache unter­gebracht. Für Petersburg   erging ein allgemeines Versammlungs­verbot, Briefe werden nur unverschlossen befördert, der Stadttele­graphenverkehr ist nur mit besonderer Erlaubnis gestattet. Solche strenge Maßnahmen weisen auf eine starke innere Gärung hin, die ihren Herd in den klassenbewußten Arbeitermassen hat. So

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haben denn auch die Arbeiter der Putilowwerke und anderer staat­licher Fabriken die Arbeit aus politischen Gründen nieder­gelegt. Selbst das Angebot von Lohnerhöhungen fruchtete nichts. In Kostroma   fand am 22. Juni ein großer Streit der Textil­arbeiter statt. Die Arbeiter gingen von Fabrit zu Fabrik, und hielten schließlich eine von vielen Tausenden besuchte Massenversammlung unter freiem Himmel. Der Gouverneur wollte die Versammlung durch Polizei und Militär sprengen lassen. Die Polizisten gaben eine Salve ab, durch die 3 Arbeiter getötet, 12 schwer verwundet wurden. 41 Arbeiter wurden als Hezer" verhaftet. Zwischen den Verhafteten nnd der sie bewachenden Landsturmfompagnie kam es aber zu einer regen ,, Diskussion", und man einigte sich auf folgen­den Kompromiß: 25 Verhaftete wurden freigelassen, nur 16 meist ältere Leute blieben in Haft. Am folgenden Tage wurden 10 Pro­zent Kriegszulage zugebilligt. Eine Reihe Streiks, die in anderen Ortschaften folgten, wurden gütlich beigelegt. Überall mußten die Unternehmer fich zu Kriegszulagen bequemen. Ein Versuch, auch in Kostroma   wie in Moskau  , den Arbeiterstreit in einen Deutschen­pogrom zu verwandeln, scheiterte, da die Arbeiter auf der Hut waren und die Pogromagitatoren durchprügelten.

Eine Heldentat der polnischen Sozialdemokratie. Sowohl in Rußland   wie in Polen   entfalten die sozialistischen   Organisationen dem zarischen Henkerregiment zum Troß eine gesteigerte Propaganda. In Flugblättern, die trotz Polizei und Spigeltum massenhaft ver­breitet werden, klären sie die Massen über die wahren Verhältnisse auf, zeigen die tieferen Ursachen und Wirkungen des Kriegs und protestieren gegen die blutigen Mittel der Judenverfolgungen und Deutschenpogrome, durch die der Zarismus seine ganze ver­rottete Unfähigkeit verschleiern möchte. Außer den Flugblättern des Agitationskomitees der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands  und den Flugblättern der Petersburger Organisation und des jüdischen Arbeiterbundes werden nun auch Aufrufe der Sozialdemokratie Russisch- Polens( der sogenannten Opposition) bekannt. Geradezu von historischer Bedeutung ist das Manifest, das im Juni 1915 vom Landesvorstand dieser polnischen Organisation in Warschau   verbreitet worden ist, und das in scharfer, grundsätzlicher Form die Stellung des sozialistischen   Proletariats zum Zarismus, zur Bourgeoisie und zum Kriege bezeichnet. In der Hand des Proletariats liege das Schicksal des Krieges, denn die Arbeit in den Bergwerken, Werk­stätten und Fabriken mache seine Weiterführung erst möglich. Die Sprache des Aufrufs ist voll, todesverachtender Kühnheit und einer von der Bedeutung der Stunde hingerissener Begeisterung. Troß den Schergen des Barismus, trotz der unumschränkten Gewalt des Höchst­kommandierenden, trotz der stets lauernden Todesgefahr haben sich Männer genug in Warschau   gefunden, die den Aufruf schrieben, setzten, verbreiteten.

Die Aktion des Balkanproletariats. Am 18. Juli tagte die zweite Konferenz der sozialistischen   Parteien der Balkanländer in Bukarest  . Bulgarien  , Rumänien  , Griechenland   waren vertreten, die serbische Partei gab ihre telegraphische Zustimmung zu den Be­schlüssen. Ihre Regierung hatte die Beteiligung an dem Kongreß verboten. Die Konferenz hat beschlossen, einen Föderativ- Verband der sozialistischen   Parteien der Balkanländer zu konstituieren. Der Verband errichtet ein permanentes Bureau, das sich regelmäßig versammelt, und dessen ständiger Ausschuß seinen Sig in Bukarest  nimmt. Der Zwed ist gemeinsame Arbeit aller sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften des Balkans für die Aufrechterhaltung des Friedens und die Verwirklichung einer Föderativ- Republik der Balkanstaaten. In einer Prinzipienerklärung verspricht die kleine Internationale des Balkans dem Klassenkampf treu zu bleiben, den Sozialpatriotismus mit aller Schärfe zu bekämpfen.

Die italienische Sozialdemokratie im Kriege. Unter dem Drud der bürgerlichen Kriegsheter hat sich die italienische Regierung zu gewaltsamem Vorgehen entschlossen gegen die italienische Sozial­demokratie, die unentwegt an der Sache des Friedens und des inter­nationalen Sozialismus festhält. In der Provinz Brescia   hat man den Anfang gemacht. In der rasch aufblühenden Industriestadk