170

Die Gleichheit

gebend sei, da diese ja auch in Friedenszeiten unbeeinflußt von fran­ zösischen Anschauungen zu handeln pflege. Insbesondere wird dem deutschen Parteivorstand seine ablehnende Haltung zur internatio­nalen Frauenkonferenz in Bern , die von Genossin Zetkin einberufen worden, zum Vorwurf gemacht. Eine Resolution, die der inter­nationalen Sekretärin die Zustimmung zur Einberufung der Berner Konferenz und die Billigung der Teilnahme der deutschen Genossinnen aussprechen soll, sowie vom Parteivorstand ein energisches Eintreten für das Gebot der Stunde" fordert, wird von dem Vorsitzenden zur Abstimmung aus organisatorischen Gründen nicht zugelassen, da nach dem bisherigen Brauch Frauen­Konferenzen keine Befugnis haben, die Gesamtpartei betreffende Be­schlüsse zu fassen.

In dem Widerstreit der Meinungen trat erst etwas Ruhe ein, als eine Genossin erklärte, schließlich bedürfe es weiter gar keiner Re­solutionsannahme, die Stimmung der Versammelten habe in ihrer Mehrheit ja deutlich genug gezeigt, wie sehr sie mit der Berner Non­ferenz und wie wenig sie mit der Haltung des Parteivorstandes ein­verstanden seien. Nun verließen viele Genossinnen den Saal als Protest dagegen, daß der Vorsitzende die Abstimmung über die Re­solution nicht zugelassen hatte.

-

Es folgte dann das Referat der Genossin Wurm über Das weibliche Dienstjahr". Eine Diskussion darüber fand nicht statt. Genossin Ziez forderte dann die Genossinnen auf, ihre ganzen Kräfte in den Dienst der Partei zu stellen, die Lücken auszufüllen, die durch die Einberufung der Männer gerissen werden, und die Dr­ganisationen durch ihre Mitarbeit in alter Stärke zu erhalten. Die Konferenz schloß mit einer einstimmigen Sympathiekundgebung für unsere tapfere Genossin Zetkin .

Gewerkschaftliche Rundschau.

Die Kriegszeit verursachte eine starke Verschiebung der deutschen Industrie. Während in der eigentlichen Kriegsindustrie eine ver­stärkte Produktion eintrat und anfänglich die große Nachfrage nach gelernten Arbeitskräften nicht gedeckt werden konnte, lagen andere Industrien sehr stark danieder. Erst allmählich fand ein Ausgleich der Arbeitskräfte statt. Viele berufsfremde Arbeiter und Arbeiterinnen traten in die Betriebe ein, die mit Heeresaufträgen stark bedacht waren. In anderen Gewerben, besonders im Bau­gewerbe und im Holzgewerbe, trat mit der Zeit eine Belebung der Produktion ein. Durch die täglich wachsende Einberufung der männlichen Bevölkerung zum Kriegsdienst wurde eine weitere Entlastung des überangebots von Arbeitskräften herbei­geführt, so daß die Arbeitslosenziffer ständig sant. Eine Ver­schlechterung des Arbeitsmarktes kann aber im allgemeinen und besonders für einige Industrien wieder eintreten. Von der Textil­industrie wird das jetzt bekannt. Diese Industrie mit ihrem starken Export konnte wohl durch die großen Heeresaufträge einen Teil des Mankos decken, der unter dem Ausfall des Exports entstand, aber ein völliger Ausgleich des Ausfalls wurde nicht herbei­geführt. In einigen Branchen ist jetzt durch besondere Umstände ein stärkerer Rückgang der Produktion eingetreten. In der Wirker­branche, in der Baumwollspinnerei und-weberei machen sich er­hebliche Stockungen bemerkbar. Diese Produktionshemmungen und die daraus sich ergebende Arbeitslosigkeit zu mindern, ist die ge= werkschaftliche Organisation, der Deutsche Textilarbeiterverband bemüht. Sie verlangt, daß eine gleichmäßige Einschränkung der Produktion vorgenommen wird. Durch behördliche Anordnung müßte daher die Nachtarbeit, die jetzt noch vielfach üblich ist, ver­boten werden. Ebenso müssen Überstunden untersagt werden.( In­zwischen hat der Bundesrat einschlägige Verordnungen erlassen; Arbeiter dürfen nur an 5 Tagen in der Woche bei höchstens 10stündiger Arbeitszeit beschäftigt werden. Die Redaktion.)

Die Militärverwaltung hat weiter die Pflicht, ihre Aufträge gleichmäßig auf die Industriebezirke zu verteilen, so daß nicht manche Betriebe ganz stillgelegt werden. Bei Eintritt größerer Ar­beitslosigkeit müßte durch die Reichsregierung den Arbeitslosen aus Staatsmitteln eine Unterstüßung gezahlt werden. Das ist be= sonders notwendig, weil die Gemeinden hier nicht helfend ein­greifen können, denn diese sind dort, wo die Textilindustrie seß­haft ist, meist zu arm dazu. Auch eine Abwanderung überflüssiger Arbeitskräfte nach anderen Industrieorten und in andere In­dustriegruppen müßte planmäßig in die Wege geleitet werden, wobei weniger an eine Abwanderung der älteren verheirateten Arbeiter, sondern vielmehr an eine anderweitige Unterbringung der jüngeren, unverheirateten Arbeiter und Arbeiterinnen gedacht werden kann. In diesem Sinne hat denn auch die sozialdemo­

Nr. 25

kratische Fraktion in der Budgetkommission des Reichstags eine Resolution eingebracht. Der Staatssekretär hat versprochen, es solle alles getan werden, die arbeitslosen Textilarbeiter unterzu­bringen, schließlich soll auch finanziell eingegriffen werden. Der Fonds für Unterstüßungen, der bisher 200 Millionen Mark be­trug, soll um weitere 200 Millionen Mark erhöht werden. Es bleibt abzuwarten, in welchem Geiste diese Versprechungen nun auch durchgeführt werden.

Ein Eingreifen der Staatsbehörden zur Aufrechterhaltung der Produktion verlangen die Hausarbeiter in der Tabatindustrie. Be­kanntlich machte sich schon ein Mangel an Petroleum, dem wich­tigsten Beleuchtungsmittel des arbeitenden Mannes, im vergange­nen Winter bemerkbar. Da das für den kommenden Winter wieder zu befürchten ist, so muß Vorsorge getroffen werden, daß die Hausarbeiter zu gewerblichen Zwecken, das ist zur Beleuch­tung ihres Arbeitsplazes, genügend Petroleum erhalten. Der Deutsche und der Christliche Tabatarbeiterverband haben sich des­halb an die Landratsämter Herford , Minden , Lübbecke , Halle und Pyrmont mit einer Eingabe gewandt, in der gebeten wird, Maß­nahmen zur Behebung der Beleuchtungsschwierigkeiten zu treffen. Als solche wird die Feststellung des Bedarfs an Petroleum für jeden Hausarbeiter durch das Amt erachtet. Die Beschaffung des notwendigen Quantums soll dann durch die Kreise gemeinsam mit den Genossenschaften geschehen. Wie notwendig es ist, daß die Organisationen diese Maßnahmen rechtzeitig anregten, geht aus der Tatsache hervor, daß im Regierungsbezirk Minden und den Fürstentümern Lippe und Waldeck allein 13 000 Hausarbeiter und-arbeiterinnen beschäftigt werden.

Daß die sozialpolitischen Bemühungen um erweiterten Arbeiter­schutz selbst in der Kriegszeit nicht stille stehen, bewies eine Kon­ferenz, die Anfang August in Berlin stattfand und die sich mit Fragen des Heimarbeiterschutzes beschäftigte. Außer Vertretern der verschiedenen Gewerkschaftsrichtungen nahmen Vertreter von bürgerlichen sozialpolitischen Vereinen an dieser Konferenz teil. Es wurde darüber geklagt, daß dreieinhalb Jahre wach Inkrafttreten des Hausarbeitsgesetzes seine wichtigsten Be­stimmungen noch nicht erfüllt sind, weil Ausführungsverordnungen des Bundesrats fehlen. Gerade jezt kommt das Elend der Haus­arbeiter besonders zum Vorschein. Die Lohnverhältnisse sind we­sentlich verschlechtert. Während sonst in der Kriegsindustrie die Löhne gestiegen sind, sind sie in der Hausindustrie gleich geblieben oder gar gesunken. Frauen und Witwen der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigte suchen in der Hausindustrie Arbeit , sie drücken mit billigem Arbeitsangebot die Löhne. Auch hier wäre ein Ein­greifen der staatlichen Behörden sehr vonnöten. Zur Sprache kam ferner, welcher Lohnwucher von den Zwischenmeistern getrieben wird. Anerkannt wurden die Bemühungen der Militärbehörden, dem Lohnwucher entgegenzuarbeiten. Aber durch mancherlei Schliche der Zwischenmeister werden diese Bemühungen durch­kreuzt, und so kommen diese Herren doch zu ihren Kriegsgewin­nen. Notwendig ist eben, daß eine Lohnfestsetzung für die ein­zelnen Arbeiten erfolgt und daß diese Preistafeln im Lieferungs­raum ausgehängt werden müssen, damit jeder Heimarbeiter sie einsehen kann. Die Konferenz wählte zum Schluß eine sechs= gliedrige Kommission, die die Vertretung der Forderungen für die Hausarbeiter übernehmen soll.

Bu einer gemeinsamen Aktion haben sich die vier Bergarbeiter­organisationen verbunden. Im August mußten auf einer Reihe von Zechen die Wahlen der Sicherheitsmänner stattfinden. Die Besetzung dieser Posten mit zuverlässigen Leuten ist sehr wichtig. Im Bergbau herrscht troß der Kriegszeit starke Beschäftigung. Da aber auch von den staatlichen Kontrollbeamten viele zum Heeres­dienst eingezogen sind, im Bergbau aber viel Unfälle vorkommen, so liegt den Sicherheitsmännern die Sorge für die Verhütung von Unfällen ob. Auch werden aus ihrer Mitte die Arbeiterausschüsse gewählt. Die Ausschüsse sind gegenwärtig die Vertretung der Be­legschaft in Lohnfragen. Sie haben mitzubestimmen bei der Unterstüßung der Kriegerfamilien und der unterstützungsbedürf­tigen Belegschaftsmitglieder aus den Mitteln der Unterstüßungs­kassen und besonderen Sammelfonds. In einem gemeinsamen Auf­ruf des freien, des christlichen, des Hirsch- Dunckerschen und des polnischen Verbandes wird um Aufstellung geeigneter Kandidaten ersucht, wobei nach der Stärke der Organisationen verfahren wer den soll. Dringend ersucht aber wird, unter allen Umständen die Wahl von Zechenkandidaten( gelben) zu verhindern.

TT