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Die Gleichheit

lichen Auslands die Interessen des eigenen Landes schädigen zu wollen, wie es der Begriff des Landesverrats voraussetzt, hat jedem dieser Verhafteten durchaus ferngelegen. Durch die Handhabung der Zensur sind ganz unerträgliche Zustände hervorgerufen worden, sie ist geradezu eine Drangsalie­rung der politischen Presse, und ganz besonders der so­zialdemokratischen Presse.... Die Regierung hat anfangs ver­sichert, eine politische Zensur solle nicht stattfinden, sondern nur eine militärische; heute haben wir aber fast ausschließlich eine politische Zensur."- Redner gibt an der Hand seines Materials eine Fülle von Beispielen aus den verschiedensten Tei­len Deutschlands  , die die Einseitigkeit und Unberechenbarkeit der Zensurbehörden scharf beleuchten. Nationalliberale und konserva­tive Blätter dürfen hingegen ganz offen für Annexionspolitik ein­treten. Vielfach werde das Amt eines Zensors von dazu nicht be= fähigten Leuten ausgeübt. Den Redakteuren werden nicht selten Zumutungen gemacht, die Genosse Fischer in einem Fall als " schändlich" bezeichnete. Es kommt vor, daß verboten wird, sozial­demokratische Ziele in völlig gefeßmäßiger Weise zu erörtern. Die höheren Offiziere und das Generalkommando zeigen in der Regel mehr Verständnis und Achtung für die sozialdemokratische Über­zeugung, als manche Zensoren. Auch die Verbreitung von Werbe­flugblättern für die Gewerkschaften ist oft genug vom Zensor ver­boten worden. Der Redner sagte zum Schluß: Diese Handhabung weckt in Arbeiterkreisen selbstverständlich die Empfindung, daß die Zensur keinen anderen Zweck habe, als das Sozialisten= gesez, die Herrschaft der alten Polizeiwillkür wieder aufzu­richten. Das Reichsamt des Innern hat angeblich in einem Erlaß gesagt, wenn die Besprechung der Lebensmittelteuerung einen allzu politischen Charakter annimmt, dann solle das als eine militärische Frage angesehen und der Zensur unterstellt werden.( Hört! hört! links.) Wie steht das in Einklang mit den Erklärungen des Staatssekretärs? Die Folge des Erlasses war natürlich, daß die Zensoren förmliche Orgien feierten und kurzerhand jede Besprechung der Lebensmittelteue­rung verhindert haben. Ich habe nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des Materials vorgetragen.... Aber dieser Bruchteil be­weist schon, daß man heute nicht mehr von einzelnen Mißgriffen sprechen kann, sondern es handelt sich um eine Erscheinung, die geradezu das ganze Zensurwesen überwuchert hat. Gewiß gibt es noch Bensoren, die ihres Amtes mit größter Objektivität walten, leider begegnet man ihnen aber sehr selten.... Die Regierung ist verantwortlich, weil sie diese Zustände duldet. Wir haben das Recht, mit allen anderen Parteien gleichgestellt und nicht unter ein Ausnahmegesetz gestellt zu werden."

Staatssekretär Dr. Delbrüd nahm Belagerungszustand und Zensur, wie es sein Amt erheischte, in Schutz. Es sei aber un­möglich, auf eine solche Fülle von angeblichen Verstößen gegen die vom Reichskanzler und dem stellvertretenden Kriegs­minister aufgestellten Grundsäße einzugehen. Er gab einzelne Mißgriffe zu. Ein zentrales Kriegspresse amt sei bereits eingerichtet, das nicht nur oberste Zensurstelle sein, sondern auch die Zensoren über die Ziele der Regierungspolitik auf dem lau­fenden erhalten soll. Davon sei eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Zensur und Presse zu erwarten. Der nationalliberale Dr. Oberkircher meinte, man solle des Auslandes wegen den Ein­druck vermeiden, als ob wir allzuviel zu klagen hätten. Dem Ge­noffen Dittmann wurde durch Schlußantrag das Wort abgeschnitten. Der sozialdemokratische Antrag, den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß der Belagerungszustand aufgehoben und die Freiheit der Presse wieder hergestellt wird, wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt.

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Nr. 26

soll, sondern auch die genossenschaftlich organisierten Frauen in allen Ländern aufruft, ernsthaft für den Frieden zu arbeiten. In dem Aufruf heißt es unter anderem:

" Der Krieg hat die herzlichen Beziehungen der genossenschaft­lichen Internationale wohl unterbrochen, aber er hat nicht ver­mocht, die Gefühle der internationalen Solidarität zu ersticken. Wenn der Krieg im allgemeinen eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln genannt wird, so ist dieser Weltkrieg sicherlich eine Fortsetzung des wirtschaftlichen Kampfes mit politischen und gewaltsamen Mitteln. Unsere Bewegung beruht auf dem Prinzip, diesen Wettkampf, durch Zusammenarbeit, die Konkurrenz durch die Genossenschaft zu ersetzen; ihr Wesen ist der Frieden und die Eintracht.... Die genossenschaftlichen Organisationen wollen die Konkurrenz im eigenen Lande ausschließen und die Konkurrenz zwischen den Nationen durch den freien Warenaustausch ablösen, den nicht Schutzölle noch Handelskriege stören sollen. Die Ge­nossenschaften wollen durch die Organisation des inneren Waren­marktes eine Neuregelung der volkswirtschaftlichen Grundlage der staatlichen und gesellschaftlichen Organisation vorbereiten, und sie erstreben den friedlich- freien Warenverkehr und die offene Tür auf dem Weltmarkt. Sie lehnen jene Grundtendenzen des Wirt­schaftslebens ab, die zum Weltkrieg geführt haben, und beharren nach wie vor bei den Grundsäßen der internationalen Solidarität und des Friedens der Völker. Mehr noch aber als die Männer dieser Organisationen sind die Frauen bereit, auch jetzt, im Kriege treu zu ihren alten Jdealen zu stehen und allen Hindernissen zum Trop, die der Weltkrieg und seine Begleiterscheinungen zwischen den Nationen aufgetürmt haben, sich die Hände zu reichen und für den Frieden zu wirken. Die Genossenschafterinnen Groß­ britanniens  , Hollands  , Österreichs   und der Schweiz   rufen den Frauen aller Länder als Genossenschafterinnen und Frauen zu: Wirket für den Frieden, arbeitet unermüdlich, damit die inter­nationalen Beziehungen nicht nur bestehen bleiben, sondern immer leidenschaftlicher in den Herzen aller Kameraden erstehen, damit sie helfen, das völkermordende Ringen zu beenden und das Ideal der Volkssolidarität   neu erstehen zu lassen."

Ein nationaler Frauenausschuß für dauernden Frieden hat sich auch in Deutschland   in weiterer Verfolgung der Beschlüsse gebildet, die der Internationale Friedens- Frauentongreß im Haag gefaßt hat. Zu diesen Beschlüssen gehörte unter anderem, daß zur selben Zeit und an demselben Orte, wo die Konferenz der Staaten zur Fortsetzung der Friedensbedingungen tagen wird, ein internationaler Frauenkongreß veranstaltet werden solle, der den Mächten die Wünsche der Frauen beim Friedensschluß zu unter­breiten habe. Zur Vorbereitung dieses Kongresses find in allen neu­tralen und kriegführenden Ländern nationale Frauenausschüsse ge­gründet worden. Dem Nationalen Frauenausschuß für Deutschland   kann sich wie die Geschäftsleitung mitteilt ans schließen, wer der überzeugung ist, daß internationale Streitig­keiten durch friedliche Mittel zu schlichten sind, und daß das poli­tische Wahlrecht auf die Frauen auszudehnen ist." Der Anschluß er­folgt durch Meldung bei der Leiterin der Hamburger Geschäftsstelle, Fräulein Emilie Steiner, Hamburg  , Paulstraße 9, II. Die Höhe des Beitrags bleibt der eigenen Einschäßung" überlassen, soll aber nicht unter 50 Pf. betragen. Die eingehenden Beträge dienen zur Förderung der oben dargelegten Bestrebungen unter der gesamten Frauenwelt. Wer dem Nationalen Frauenausschuß für dauernden Frieden" beitritt, erhält sämtliche Mitteilungen dieser Organisation. Möchte dem Ausschuß der Erfolg beschieden sein, recht viele bürger­liche Frauen für das Ideal des Weltfriedens und die Forderung des Frauenwahlrechts zu gewinnen und Sträfte zu sammeln,

Für den Frieden.

Internationale Kundgebung genossenschaftlich organisierter Frauen. Die Genossenschaften bedürfen zu ihrem Gedeihen der Zusammenarbeit der einzelnen wie der Völker. Nicht die Konkur­renz, sondern der organisierte Warenaustausch ist ihre Basis. Sie verkennen daher ihr eigenes Wesen, wenn sie sich von einseitig nationalistischen Strömungen mitreißen lassen. In den Genossen­schaften sind es wiederum die Frauen, die in erster Linie dazu be= rufen sind, gerade jetzt ihre Solidarität, ihren gegenseitigen Frie­denswillen zu bekunden. Darum haben die Vertreterinnen der englischen, holländischen, österreichischen und schweizerischen Genossenschafterinnen eine Kundgebung er­lassen, die nicht nur ihren entschlossenen Friedenswillen betonen

Eine Aktion der italienischen Sozialisten. Die Leitung der sozialistischen   Partei Italiens   erließ an die etwa 500 sozialistischen Gemeindeverwaltungen Italiens  , unter denen sich auch große Städte wie Mailand  , Bologna   und Verona   befinden, ein Rundschreiben, worin zu einheitlichen, den sozialistischen   Grundsägen ent­sprechenden Kundgebungen und Werken aufgefordert wird. Einen bezüglichen Komentar des Parteiorgans Avanti", der von den sozialistischen   Gemeindeverwaltungen mehr Blanmäßigkeit und eine konkrete Tätigkeit im Hinblick auf die Kriegsprobleme verlangt, hat die Zensur offenbar insoweit unterdrückt, als er der andauern­den Opposition der sozialistischen   Partei Jtaliens gegen den Krieg Ausdruck gab.

Der Französische Gewerkschaftsbund( Confédération Générale du Travail  ) hat in Paris   einen Kongreß abgehalten. In einer langen Resolution wird zur Kriegsfrage Stellung genommen. Vorerst wird