Nr. 4 Die Gleichheit 27 letarierinnen je länger je mehr erweist. Wenn die deutschen Gewerkschaften zur Zeit ihres letzten Kongresses in München 225 000 weibliche Mitglieder umschlossen; wenn sie aus deren eigenen Reihen mehr und mehr geschulte, leistungstüchtige Agitatorinnen und Organisatorinnen stellen konnten, auf­opfernde Trägerinnen der nötigen Kleinarbeit: so sind sie für diese Erfolge ganz besonders Karl Legien zu Anerkennung verpflichtet. Neben seinem Namen wird aber die Geschichte der deutschen Arbeiterinnenbewegung mit der gleichen dauernden Dankbar­keit denjenigen seiner treuesten Mitarbeiterin langer Jahre verzeichnen, den Namen unserer unvergeßlichen Genossin E m m a I h r e r. Als Bahnbrecherin für die Organisierung der Arbeiterinnen, für die Sammlung der proletarischen Frauen um das Banner des Sozialismus ist sie in nie ver­sagender ltberzeugungsstärke, Hingebung und Kraft schon in den Jahren tätig gewesen, als noch das Ungewitter des So­zialistengesetzes über die deutsche Arbeiterklasse einherbrauste und die ihr führend Voranschreitenden tagtäglich erfuhren, daß der Dienst der Freiheit ein schwerer Dienst ist. Das Zu­sammenwirken von Genossin Ihrer und Genossen Legien hat nicht wenige der Maßnahmen gezeitigt, durch die die Gewerk­schaften die Arbeiterinnen für den Kampf ihrer Berufsge­nossen und ihrer Klasse gewonnen und geschult haben. Wenn es Ehrenpflicht der sozialistischen Frauen ist, Genossen Legien als einen der verdienswollsten Förderer der Arbeiterinnenbe­wegung warmen, aufrichtigen Dank für die mühereiche, kluge Arbeit eines Vierteljahrhunderts zu sagen, so werden sie nicht vergessen, bei diesem Anlaß auch das Bild ihrer tapferen und selbstlosen Vorkämpfcrin mit einem frischen Kranze zu schmücken. Das Echo der Zimmerwalder Konferenz. Die Bedeutung der Zimmerwalder Konferenz für den Wie­deraufbau einer sozialistischen Internationale kann nicht ge­leugnet werden. Der lebhafte Widerhall, dm die Tagung bei Freund und Feind erweckte, ist der beste Beweis dafür. Die Konferenz ist ein Markstein, an dem sich die Geister scheiden, und das wirkt klärend und belebend. Auf die Einzelheiten der Zusammensetzung und der gefaßten Beschlüsse kommt es hier­bei weniger an, als auf die Tatsache, daß die Konferenz überhaupt stattfand, und daß mitten im Krieg, in dem Zu­sammenprall der Leidenschaften und der Atmosphäre des Miß­trauens die Fahne proletarischer Solidarität und Einheit auf­gerichtet wurde. Das internationale Klassenbewußtsein des durch den Krieg zerrissenen europäischen Proletariats beginnt aus tiefer Ohnmacht zu erwachen, und die Konferenz war eine seiner ersten Lebensäußerungen. Daß die Zusammenkunft ohne, ja gegen den Willen ofsi- zieller Parteivertretungen in manchen Ländern stattfinden mußte, ist nicht ein Beweis ihrerBedeutungslosigkeit", son­dern im Gegenteil ein Zeichen, wie urwüchsig und lebhaft der Drang zu internationaler Verständigung und gemeinsamem Handeln sich überall durchsetzt. Der Geist siegt über das Phlegma, der Inhalt über die Form, der Sozialismus über die Parteibureaukratie. Das ist ein Anzeichen des eingetrete­nen Heilungsprozesses. Demgemäß wäre jetzt die Aufgabe der offiziellen Parteiführer und Instanzen ohne Zweifel diese: die in der Konferenz zum Ausdruck gekommene soziali- stischeTatbereitschaft freudig zu begrüßen, mit allen Mitteln zu fördern und sich mitsamt ihren Organisationen auf den vorbereiteten Boden zu begeben. Die Form muß sich dem Geiste anpassen, nicht der Geist der Form. Und wer kann der Konferenz vorwerfen, sie habe nicht sozialistischen Geist geatmet? In diesem Sinne hat denn anch der italienischePar- teivorstand sofort und rückhaltlos gehandelt. Von ihm, der das Banner des internationalen Sozialismus nicht eine Minute sinken ließ, von ihm, dem geistigen Vater der Konfe­renz, war es nicht anders zu erwarten. Das offizielle Partei­organ der italienischen Sozialdemokratie, derAvanti", hatte nur die Zensurschwierigkeiten der Behörden, nicht dieinnere Zensur" so mancher anderen Parteizeifimgen zu überwinden, um das Zimmerwalder Manifest zu veröffentlichen. Der ita­lienische Parteivorstand selbstbegrüßt lebhaft das Wieder­erwachen der internationalen Bewegung". Er verspricht den Zimmerwalder Beschlüssen seine volle Unterstützung und will seine eigene Haltung und die der Partei mit den Schlußfolge­rungen des Manifestes in Übereinstimmung bringen. In England hat die Unabhängige Arbeiterpartei und die Mehrheit der British Sozialist Party dem Zimmerwalder Manifest ausdrücklich zugestimmt, obwohl oder gerade weil ihren Delegierten die englische Regierung die Beteiligung un­möglich gemacht hatte. Die Sozialdemokratie in Portugal und in Griechenland hat sich für die Konferenz erklärt. Die russische Sozialdemokratie war bekanntlich auf der Konferenz offiziell vertreten, und zwar durch Delegierte beider Richtungen. Trotzdem die Vertreter der im Zentralko­mitee zusammengefaßten bolschewikischen Partei schärfere, sozialrevolutionärere Aktionen wünschte, ist sie dennoch auf der Konferenz dem Manifest einmütig beigetreten, um den Ge­nesungsprozeß der Internationale nicht zu stören. Die vom Organisationskomitee der russischen Sozialdemo­kratie herausgegebene ZeitschriftInternationale und Krieg" hat sich in längeren Ausführungen mit der Zimmer­walder Konferenz beschäftigt und nennt sieden nächsten Schritt auf dem Wege zur Wiedergeburt der zerfallenen Inter­nationale". Die Tagung werde orientierend auf die Arbeiter- niassen aller Länder wirken. Nicht eine Spaltung der Inter­nationale bedeute die Konferenz, sondern im Gegenteil, sie sei der erste Versuch zur Überwindung der Spaltung. Diese habe in den einzelnen Ländern mit der Bewilligung der Kriegskredite in den Parlamenten begonnen und wurde weitergeführt durch die ganze Politik des nationalen Blocks. Obwohl die russische Sozialdemokratie nur durch ihre auslän­dischen Sekretariate vertreten sein konnte, so besteht doch völlige Einigkeit in dieser Sache zwischen den inländischen und den auswärtigen Instanzen. Anders verhält sich der Parteivorstand der deut­ schen Sozialdemokratie zur Konferenz. Er hat wie­derholt, was er gegen die Vorläuferin und Wegweiserin der Zu­sammenkunft ausgespielt hat: gegen die Internationale So­zialistische Frauenkonferenz. Am 2. Oktober hat er einen Ukas, Verzeihung, ein vertrauliches Rundschreiben an die Organi­sationen und die Parteipresse erlassen, das vor der Konferenz warnt. Er, der selber in seinem sogenannten Friedensnianifest mit Vorwürfen gegen die ausländischen Bruderorganisationcn wahrhaffig nicht gespart hatte, vermeint es beklagen zu müssen, daß die Teilnehmer der Konferenz glaubten,den Interessen des Proletariats dadurch zu dienen, daß sie in einem wortreichen Manifest zunächst allerlei Vorwürfe gegen die Parteiorganisationen der verschiedenen Länder erhoben". Aus der Tatsache, daß soundso viel Parteien nicht offiziell vertreten waren, ergibt sich für ihndie Bedeutungslosigkeit der Konferenz". Immer wieder macht er geltend, daßdie be­rufenen Vertreter" der sozialdemokratischen Partei Deutsch­ lands alles getan haben und weiter tun werden, uni einen baldigen Frieden herbeizuführen. Die gesamte deutsche Partei sei einig in ihrem Friedenswillen. Der Parteivorstand sagt damit nichts anderes, als was jeder human denkende Bürger­liche auch sagen kann. Ganz ehrlich schränkt er seinen Friedens­willen und seine Friedensbemühungen zuletzt im Sinne der Regierung mit dem Satze ein,soweit das die Kriegsverhältnisse zulassen". Er verzichtet also nach wie vor auf jede selbständige sozialistische Politik. Die Tatsache aber, daß die schwankende Gestalt des Parteivorstan­des die ganze erschütterte Autorität gegen die Konferenz auf­bieten zu müssen glaubt, beweist allein schon die Bedeutung der Zimmerwalder Tagung. In F r a n k r e i ch hat die offizielle Parteihierarchie einen geschickteren Weg gewählt, um der unangenehmen Konferenz