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Die Gleichheit

Die sozialistische Frauenbewegung in Bulgarien   im Jahre 1914/15.

Vor allem möchten wir einiges sagen über die allgemeinen Bustände, unter denen unsere Frauenorganisation im legten Jahre zu wirken hatte. Die Leitfäße unserer ersten konstituieren den Konferenz vom Vorjahr hatten in allen Genossinnen den Eifer entflammt, fich für unsere Drganisation zu betätigen. Die Frauenkommissionen der Ortsgruppen nahmen mit Be­geisterung ihre Arbeit auf.

Leider brach bald darauf der europäische Krieg aus, er­schütterte tief das wirtschaftliche Leben des Landes und rief eine äußerst schwere politische Krise hervor. Es trat binnen furzem massenhafte Arbeitslosigkeit ein. Die von unserem Ge­werkschaftsbund veranstaltete Umfrage ergab, daß im Oktober 1914 in 34 Städten infolge der wirtschaftlichen Krise 218 Be­triebe mit 15668 beschäftigten Arbeitern und Arbeiterinnen geschlossen waren, und daß weitere 901 Unternehmen ihr Arbeiterpersonal um 8719 vermindert hatten. Diese 1119 Be­triebe allein hatten also 24387 Arbeiter und Arbeiterinnen entlassen. Tatsächlich soll die Gesamtzahl der Arbeitslosen im ganzen Lande zu jener Zeit nicht unter 30000 betragen haben. Seither ist die Arbeitslosigkeit ständig gewachsen. Laut amt­lichen Berichten war im März 1915 die Beschäftigung in fämtlichen Unternehmen der Industrie, des Gewerbes und des Handels um 35 Prozent zurückgegangen, verglichen mit dem Stand vor dem Kriege. Eine zweite Folge des Welt­frieges war die unglaubliche Teuerung; die Preise der not. wendigsten Lebensmittel sind um 50 bis 200 Prozent gestiegen. Die Mietzinse in den größeren Städten sind durchschnittlich um 30 Prozent und jene in Sofia   um 50 Prozent in die Höhe gegangen. Und unter dieser furchtbaren Teuerung muß die Arbeiterschaft mit herabgesetzten Löhnen auskommen. Diese find um 10 bis 15 Prozent gesunken! Seit einem Jahr steht das Land dazu unter dem Belagerungszustand. Es stellt der öffentlichen Betätigung unserer Partei und den Gewerkschaften die größten Schivierigkeiten in den Weg. Die allgemeine Un­sicherheit der Lage sowie die Befürchtung, daß Bulgarien   jeden Tag in den Krieg hineingerissen werden könne, wirkten auch eine Zeitlang lähmend auf die Aftivität unserer Genossen und Genossinnen zurück.

Unter diesen Verhältnissen war es selbstverständlich ungemein schwer, die mit Begeisterung aufgenommene Organisations­arbeit unter den Frauen mit vollem Erfolg fortzusetzen. Dank dem sozialistischen   Geist, der in unseren Organisationen herrscht, wurde die Verwirrung und Lähmung der ersten Zeit über­wunden. Die Genossen und Genossinnen verstanden es, sich den Ausnahmezuständen anzupassen und unsere Organisationen mit neuem fräftigen Leben zu erfüllen. Die Arbeit der Ge. noffinnen erzielte zufriedenstellende Ergebnisse, die durch die nachfolgenden Angaben veranschaulicht werden sollen.

Das vorige Tätigkeitsjahr hatte die Frauenorganisation mit einem Mitgliederstand von 750 abgeschlossen. Am Ende des jezigen Berichtsjahres zählte unsere Organisation in 14 Dris­gruppen 1114 Mitglieder, die sich um das Banner des revo­lutionären Sozialismus geschart hatten. Davon waren 537 Arbeiterinnen, 395 Volksschullehrerinnen und 182 Hausfrauen. Ein Fortschritt im Stand der Organisation ist also trotz aller Hemmungen erreicht worden. Die Ortsgruppen haben 166 Komiteejigungen, 264 Mitgliederversammlungen, 208 Ston­ferenzen, 154 Vorträge, 4 Kinderunterhaltungen und 4 Abend­unterhaltungen veranstaltet; sie hielten 50 öffentliche Versamm­lungen ab. Am 22. Februar dieses Jahres feierten die bul­garischen sozialistischen   Frauen zum ersten Male den Inter. nationalen Frauentag. Er fiel mit der interbalkanischen fozialistischen Aktion gegen den Krieg und für die föderative Balkanrepublik zusammen. In allen größeren Städten des Landes veranstaltete unsere Organisation öffentliche Frauen versammlungen, die Protest gegen den Krieg erhoben und den Frieden forderten, wie Sicherung billigen Lebensbedarfs,

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Beschäftigung für die Arbeitslosen, allgemeines, geheimes und gleiches Wahlrecht für beide Geschlechter und eine umfassende soziale Gesetzgebung zum Schutze der Arbeiterklasse. Die Mai­feier, an der sich unsere Genofsinnen ebenfalls zahlreich und mit Enthusiasmus beteiligten, verlief heuer besonders glän­zend. Wie alljährlich, so veranstaltete unsere Partei auch 1915 wieder Gegenfundgebungen gegen die von der Bourgeoisie inszenierten Rosenfeste, die angeblich dem Kampfe gegen die Tuberkulose dienen sollten. An diesen sozialistischen   Kund­gebungen nahmen auch die organisierten Frauen in großer Bahl teil. Bei allen Aktionen, die von der Partei oder den Gewerkschaften ausgingen, wirften unsere Frauengruppen stets eifrig und verständnisvoll mit.

Unsere Organisation ist der sozialistischen   Fraueninternatio. nale angeschlossen. Trotz den Schwierigkeiten des Verkehrs mit dem Ausland war unsere Zentralfommission bemüht, die Verbindung mit dem Internationalen Sekretariat aufrechtzu­halten und ihm gelegentlich über unsere Bewegung zu be­richten. Wir haben uns nach Kräften bemüht, in Reih' und Glied bei allen Aktionen der sozialistischen   Fraueninternatio­nale zu stehen. Wir bedauern aufrichtig, daß wir zufolge des unterbundenen Postverkehrs mit dem Ausland zu spät von dem Stattfinden der Internationalen Sozialistischen Frauen­fonferenz zu Bern   im März dieses Jahres erfahren haben und uns daher nicht daran beteiligen konnten. Die Beschlüsse und Kundgebungen der Konferenz, die uns zugegangen sind, haben wir uns zu eigen gemacht und in unserem Parteiblatt ,, Rabotnitscheski Wjestnik" veröffentlicht. Unsere Drganisation unterhält innige Fühlung mit den Genossinnen in Serbien  und Rumänien  .

Die Zentralfommission der Genossinnen hat sich die plan­mäßige Agitation unter den Arbeiterinnen angelegen sein lassen, sie hat gewirkt für die sozialistische Erziehung der ge­wonnenen Mitglieder und für die Ausbreitung des Einflusses unserer Partei in den Arbeiterfamilien. Die Erfolge, die wir im Berichtsjahr trok den außerordentlich schivierigen Verhält­nisjen erzielt haben, sind der sehr energischen und hingebungs­vollen Betätigung unserer Genossen und Genofsinnen zu ver­danken. Sie haben sich der ihnen von der Partei gestellten Aufgabe gewachsen gezeigt. Nun, da die Kriegsgefahr sich über unferem Land immer drohender zusammenballt, stehen unsere Genossen und Genossien zielflar und wachsam auf ihrem Bosten, bereit, mit allen Kräften gegen den Krieg, für den Frieden und für den Zusammenschluß der Balkanvölker in einer föderativen Republik   weiterzukämpfen. Sofia  , Anfang September 1915.

Aus der Bewegung.

Tina Airfold.

Von den Organisationen. Trotz des Belagerungszustandes fanden im Auftrag der Vorstände des 18., 22, und 23. sächsischen Reichstagswahlkreises in Olsnių, Plauen  , Zwidau, Blanis und Grimmitschau Mitgliederversammlungen stait, zu denen besonders die Frauen und auch Gäste eingeladen worden waren. Die Veran­staltungen verliefen gut, ohne jeden behördlichen Eingriff. Anders fam es in Reichenbach  , wo ebenfalls eine Versammlung geplant= war. Sie wurde durch den maßgebenden Herrn Stadtrat   vereitelt. Der Einberufer erhielt folgendes Schreiben:" Bu der auf Freitag ... angemeldeten Bersammlung der organisierten Frauen und Mädchen wird die Genehmigung wegen Verweigerung der Vorlegung des Manuskripts des Vortrags ver. sagt!" Was in den anderen Städten erlaubt war, hätte unter den Reichenbacher Frauen auch kein Unheil angerichtet. Die Unterzeich nete behandelte in den Versammlungen das Thema: Die Auf­gaben der Frauen während des Krieges." Jn Scharen tamen die Frauen zu den Versammlungen. In Plauen   war der große Saal des Gewerkschaftshauses überfüllt; in Zwickau  , Planik, Crim­ mitschau   das gleiche Bild; in Olsnitz   war der Besuch befriedigend. Die Frauen empfanden offenbar das Bedürfnis nach aufflärenden und ermutigenden Worten. Mit großem Interesse und vielen zu stimmenden Rufen folgten sie dem Vortrag. Einige machten ihrem gequälten Herzen Luft und schilderten in der Diskussion ihre trau rige Lage. Die Beschlagnahme der Baumwolle hat in Plauen   und