Nr. 7

Die Gleichheit

nicht nur beibehalten, sondern noch zunehmen wird und dann auf den Männerlohn drückt. Eine Verschlechterung der Lebens­haltung der ganzen Arbeiterschaft würde die Folge sein, um so mehr, weil die Teuerung mit der Beendigung des Krieges sicherlich nicht überwunden sein wird.

Die Entwicklung der Technik und der Volkswirtschaft, die uns die Frauenerwerbstätigkeit brachte, bedeutet einen großen kulturellen Fortschritt, und just wir Sozialdemokraten, die wir nicht nur der Gegenwart leben, sondern daneben an die Zukunft und an unser Zukunftsideal denken und für dessen Verwirklichung wirken, wenden uns gewiß nicht gegen die Frauenerwerbsarbeit, soweit sie nicht gesundheitsschädlich für Mutter und Kind ist, wenngleich wir durchaus nicht blind sind gegen die Schäden, die heute bei der geltenden Wirtschafts­weise der Frauenarbeit anhaften, die zu mildern durch Gesetz und soziale Einrichtungen wir unablässig bemüht sind. Aber wagegen wir uns mit aller Kraft wenden, ist die nied­rigere Entlohnung und die Herabwürdi gung der Arbeiterin zur Lohndrückerin ihrer Kameraden.

Es wäre ein netter Dank des Vaterlandes", wenn die heimkehrenden Krieger solche Zustände vorfinden würden. Reich und Einzelstaaten müssen statt mit bösem, mit gutem Beispiel vorangehen und gleichen Lohn für gleiche Leistungen zahlen.

Das ist es, was uns not tut!"

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zur Prüfung( 1) an die Geschäftsleitung. Schließlich wurde vom Parteitag folgender Beschluß gefaßt:

" Der Parteitag vom 20./21. November 1915 erachtet den Zeitpunkt für eine energische Bewegung für das Frauenstimmrecht für ge­kommen und fordert die kantonalen sozialdemokratischen Parteien auf, die Initiative für das Frauenstimmrecht auf fantonalem und kommunalem Gebiet zu unterzeichnen."

Sozusagen noch vor Torschluß gelangte am Sonntagabend der Antrag der Arbeiterinnenvereine Zürich  , Bern   und Basel  betreffend Schaffung eines Heimarbeiterschugge­se zes zur Behandlung. Die Arbeiterinnensekretärin Genossin üni Zürich   referierte kurz darüber. Ihr schriftlich ausge­arbeitetes längeres Referat wird im Parteitagsprotokoll ver­öffentlicht. Der Antrag selbst wurde ohne weitere Debatte der sozialdemokratischen Nationalratsfraktion in dem Sinne über­wiesen, daß sie bald einen bezüglichen Antrag im Parlament einbringen soll.

Die Grüße der italienischen Sozialdemokratie überbrachte die Genossin Angelika Balabanoff. Sie und der Genosse Huggler( Bern  ) dienten zugleich als deutsch  - französische Dol­metscher. Auch von den russischen und polnischen Parteigrup­pen waren Glückwünsche an den Parteitag eingegangen, die mit Freude entgegengenommen wurden.

Der wichtigste Punkt der Tagesordnung des Parteitags, der auch für das ganze innere Leben und die Weiterentwid­lung der Partei von Bedeutung sein wird, war die Frage der Neuorganisation der Partei. Auf dem Parteitag in Solothurn   war 1901 die Angliederung des schweizerischen Grütlivereins an die Partei erfolgt. Der Grütliverein war

Der Aarauer   Parteitag und die Frauen. und ist heute noch eine nationale Arbeiterorganisation, der

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Am 20. und 21. November fand der Parteitag der schwei­zerischen Sozialdemokratie in Aarau   statt. Er war in jeder Beziehung von außerordentlicher Wichtigkeit. Mit seinen 460 anwesenden stimmberechtigten Genossen, wovon 419 Dele­gierte waren, wies der Parteitag eine großartige Vertretung der Organisationen auf. Reiner seiner Vorgänger hatte eine so hohe Zahl zu verzeichnen. Besonders erfreulich war auch die große Zahl weiblicher Vertreter, davon 28 zu der außer­ordentlichen Delegiertenversammlung des Arbeiterinnenver­bandes erschienen waren, die am Vorabend des Parteitages- am Freitag stattfand. Diese Versammlung beschäftigte sich mit der Revision der Verbandsstatuten, für die der Zentral vorstand einen Entwurf vorgelegt hatte, der sich den Forde rungen der Parteieinheit anpaßt, jede Sektion zum Eintritt in die Partei verpflichtet und eine planmäßige Aufklärungs­und Organisationsarbeit unter den Arbeiterinnen vorsieht. Das neue Statut wurde nicht definitiv erledigt, sondern soll von den Verbandssektionen weiterberaten werden, die eben­tuell bis 31. Dezember 1915 dem Zentralvorstand in Zürich  Abänderungsanträge einreichen können. Weiter beschloß die Delegiertenversammlung, der Zentralvorstand soll sich mit den sozialdemokratischen Preßunionen der Schweiz   in Verbin­dung setzen zu dem Zwecke, die Vorkämpferin" den Partei­blättern als Beilage mitzugeben. Da sie jetzt nur einmal im Monat erscheint, soll auch die Frage geprüft werden, ob sie nicht vierzehntägig herausgegeben werden könnte. Die Situa­tionsberichte der Delegierten gaben manche Anregung für die weitere Agitation und Organisationstätigkeit an den ein­zelnen Orten.

Auf dem Parteitag selbst standen zwei Anträge der Arbeite­rinnenorganisationen zur Beratung. Der eine forderte die Einleitung einer Volksinitiative zur Einführung des Frauenstimmrechts, der andere die Schaffung eines Bundesgesetzes zum Schuße der Heimarbeiter. Den ersten Antrag hatte der sozialdemokratische Frauenverein Bern   gestellt. Er wurde begründet durch die Genossinnen Münch( Bern  ) und Bloch( Zürich  ). Beide legten das Haupt­gewicht auf ein baldiges Vorgehen. Genossin Hauben­sad( Bürich) vertrat als Mitglied der Geschäftsleitung der Bartei deren Antrag auf überweisung des Berner Antrags

aber auf sozialdemokratischem Boden steht. Bei der Angliede­rung an die Partei wurden dem Grütliverein weitgehende Bugeständnisse gemacht, die undemokratisch sind und das Ge­präge von Privilegien tragen. Die Ortsvereine des Grütli­vereins blieben selbständig und gehörten nur durch ihren Ge­samtverein der sozialdemokratischen Partei an. Undemokra­tisch war vor allem die Tatsache, daß das Zentralfomitee des Grütlivereins nicht weniger als fünf Mitglieder in die elf­gliedrige Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partei ent­sandte. Er verfügte allein schon dadurch über fast die Hälfte der Geschäftsleitung, während er mit seinen 10 000 Mitglie­dern nur ein Drittel der organisierten Parteimitglieder aus­machte. Dem Parteitag blieben nur noch sechs Mitglieder der Geschäftsleitung zu wählen, und auch diese wurden von den Grütlianern mitgewählt, so daß diese in Wirklichkeit ein dop­peltes Wahlrecht ausübten. Das war ein offenbares Unrecht und nur als zeitlich beschränktes übergangsstadium verständ­lich. Trotzdem widersetzten sich einige nationalistisch gesinnte Führer des Grütlivereins jedem Versuch, ihre Privilegien abzuschaffen, Nachdem nun der Oltener Parteitag 1911 schon einige Vorrechte der Grütlianer beschnitten hatte, hat der Parteitag von Aarau   einen weiteren Schritt zur folgerich­tigen Demokratisierung der Partei getan. Die Neuorganisa­tion der Partei wurde grundsäglich mit 393 gegen nur 37 Stimmen beschlossen. Mit 273 gegen 127 Stimmen wurden hierauf die Anträge der Berner   Genossen angenommen. Dem­gemäß sollen an Orten mit mehreren Parteiorganisationen die kleineren sich mit den größeren und lebenskräftigen frei­willig verschmelzen. Die Ortsvereine des Grütlivereins ge­hören von nun an unmittelbar der Partei an. Die Mitglieder­zahl der Geschäftsleitung ist auf 15 erhöht, um so Genossen aus allen Landesteilen und Vertreter aller Richtungen her­anziehen zu können. Der nationale und gemäßigte Grütli­berein hat jetzt drei Vertreter. Natürlich hat es nicht an Fa natikern des Grütlivereins gefehlt, die mit Lostrennung von der Partei drohten. Sie werden nicht auf ihre Rechnung kom­men, denn schließlich steht den proletarischen Lohnarbeitern auch im Grütliverein die befreiende Sozialdemokratie höher, als die Verewigung einer undemokratischen Privilegienwirt­schaft und die national- sozialpatriotischen Liebhabereien eini­ger unverantwortlicher Führer ihres Vereins.