48 Die Gleichheit Nr. 7 In der neuen Geschäftsleitung sind die weiblichen Partei­mitglieder durch die Genossin Agnes Robmann  , Lehre­rin in Zürich  , vertreten, nachdem Genossin Haubensack nach mehrjähriger Mitarbeit in der Geschäftsleitung ihren Rück­tritt erklärt hatte. Zu einem heftigen Parteistreit gab auch die Stellungnahme zur Internationalen Sozialdemokratischen Konferenz in Zimmerwald Anlaß. Die Mehrheit der Geschäftsleitung(acht Mitglieder) hatten in der Partei- vresse eine Erklärung gegen die Zimmerwalder Konferenz er­lassen, während zwei Mitglieder in unmittelbarem Anschluß daran ihre Zustimmung erklärten. Die Minderheit hatte auf ihrer Seite so ziemlich die gesamte sozialdemokratische Ar­beiterschaft im Lande und ebenso die gesamte Parteipresse wie auch fast ausnahmslos alle Versammlungen, die sich damit be­schäftigten. Dem Aarauer   Parteitag lagen nun mehrere An­träge auf Stellungnahme zur Zimmerwalder Konferenz vor. Eine Züricher   Parteiversammlung beschloß den Antrag: Der Parteitag begrüßt den Zusammentritt der Konferenz von Zimmerwald, stimmt ihren Beschlüssen zu und beschließt, die von der Konferenz angestrebte Aktion so viel als möglich ideell und ma­teriell zu unterstützen." Die sozialdemokratische Partei des Kantons Neuenburg be­antragte: »In Erwägung, daß der wirtschaftliche Ruin, dem Europa   ent­gegengeht, einen allgemeinen Niedergang verursacht, begrüßt die sozialdemokratische Partei des KantonS Neuenburg mit Freuden jeden Versuch zur Wiederherstellung der internationalen Bezie­hungen und besonders die Konferenz in Zimmerwnld. Die Partei bedauert, daß sich die schweizerische Geschäftslcitung dort nicht offi­ziell vertreten ließ. Sie verlangt, daß der Aarauer   Parteitag der Internationalen Sozialistischen Kommission seine moralische und finanzielle Unterstützung gewähre. Die Partei entbietet allen Ge­nossen in den kriegführenden Ländern, die den Grundsätzen der Internationale und des Klassenkampfes treu geblieben sind, die herzlichste Sympathie. Die Partei fordert einen Frieden auf der Grundlage von der Zimmerwalder Konferenz ausgesprochenen Prinzipien und ist der Ansicht, daß dieser Frieden nicht erreicht werden kann durch die Fortsetzung des Krieges, sondern nur durch die revolutionäre Aktion der Arbeiterklasse." Die Mehrheit der Geschäftsleitung beantragte die Ableh­nung dieser beiden Anträge, die Minderheit dagegen deren Annahme. Uber alle diese Anträge wurde lebhaft debattiert, wobei na­mentlich der letzte Satz des Neuenburger Antrags heiß um­stritten ward. Die Stimmung gestaltete sich aber derart für die zustimmenden Anträge, daß sich Genosse Greulich ver­anlaßt sah, den ablehnenden Antrag der Mehrheit der Ge­schäftsleitung zurückzuziehen. In der Abstimmung wurde der Schlußsatz des Neuenburger Antrags mit 258 gegen 141 und sodann die beiden Anträge Zürich-Neuenburg zusammen mit 330 gegen 51 Stimmen angenommen, ferner der Internatio­nalen Sozialistischen Kommission ein Beitrag von 300 Fran­ken aus der Parteikasse bewilligt. In einer lebhaften Debatte wurden die Zustände in der schweizerischen Armee kritisch beleuchtet. Die Heeresleitung sei bestrebt, mit aller Gewalt einen undemo- kratischen und volksfeindlichen Kastengeist hineinzubringen und so die Armee zu einer Waffe g e g e n die Demokratie zu machen, während sie doch f ü r deren ungeschmälerte Aufrecht­erhaltung nach innen und außen da sein soll. Es wurde be­schlossen, zwei Jnitiativbegehren auf Abänderung der Bundes­verfassung aufzustellen, von denen das eine die Abschaf­fung des Militär st rafgesetzes und der Mili­tärgerichtsbarkeit in Friedenszeiten und das andere gleicheVerpflegung undBesoldung für Offiziere und Mannschaften bezweckt. Für jedes der beiden Jnitiativbegehren ist die Sammlung von 50 000 Unterschriften notwendig, um sie zur Volksabstimmung zu bringen, und wenn damit dem Part�itagsbeschluß entsprechend bald begonnen wird, dürfte die doppelte und dreifache Zahl der notwendigen Unterschriften aufgebracht werden, da in den weitesten Volkskreisen eine tiefe Empörung gegen das volks­feindliche Gebaren vieler Offiziere und gegen die ganze mi­litaristische Richtung besteht. Ein weiteres Jnitiativbegehren wurde zur Finanzpolitik des Bundes beschlossen. Es wendet sich gegen indirekte Steuern und fiskalische Monopole und fordert eine direkte Bun- des st euer auf Einkommen und Vermögen mit steuerfreiem und ausreichendem Existenzminimum und amt­licher Jnventarisation. Schließlich fand eine Protestresolution gegen die militärgerichtlichen Verfolgungen der Presse, insbesondere unserer Parteipresse, und Kund­gebung für die Preßfreiheit einstimmige Annahme. Mit einem begeisterten dreifachen Hoch auf die internatio­nale Sozialdemokratie wurde am Sonntagabend der Partei­tag geschlossen, worauf die Delegierten aus der französischen Schweiz   mit erhebender Begeisterung die Internationale sangen. Ter zweiteKriegsparteitag" der schweizerischen Sozial- deinokratie von 1915 wird nicht nur in deren Geschichte einen hervorragenden Platz einnehmen, sondern auch in der Ge­schichte der sozialistischen Internationale. 2!. Gewerkschaftliche Rundschau. Ein Gedenktag der deutschen   Gewerkschaftsbewegung war am 16. November: die Generalkommission der Gewerkschaften und ihr Vorsitzender, Karl Legien  , konnten auf eine fünfundzwanzigjährige Tätigkeit zurückblicken. Eine besondere Feier dieses Tages verbot allerdings die gegenwärtige ernste Zeit. Nur in einem kleine» Kreise wurde des Tages gedacht. Vertreter der Vorstände unserer Zentralverbände, Vertreter des Parteivorstandes und der Konsum­genossenschaften und die ehemaligen Mitglieder der Generalkom­mission fanden sich zu einem zwanglosen Beisammensein ein. Ernste Ansprachen, in denen manch Stück alter und neuer Gewcrk- schaftsgeschichte eingeflochten war, in denen aber auch wiederholt der im Felde stehenden Gewerkschaftsgenossen gedacht wurde, füllten die schlichte Feier aus. In normalen Zeiten wäre dieser Tag sicher nicht in dieser Einfachheit gefeiert worden. Der gewaltigen Ent­wicklung der Gewerkschaftsbewegung in diesen fünfundzwanzig Jahren und ihrer Bedeutung im heutigen Wirtschaftsleben hätte es entsprochen, eine große Kundgebung etwa im Anschluß an einen Gewerkschaftskongreß zu veranstalten, an der auch Ver­treter der internationalen Gewerkschaftsbewegung hätten teilneh­men können. Mit dem Bestehen der Generalkommission ist zu­gleich eine fünfundzwanzigjährige Geschichte der deutschen Gewerk­schaftsbewegung verknüpft. ES ist hier nicht der Ort, auch nur in großen Zügen diese Geschichte zu skizzieren. In der ersten Zeit der Gründung der Generalkommission gingen die Meinungen über ihren Wert und ihre Bedeutung nicht allein in Parteikreisen, son­dern auch bei den eigenen Gewerkschaften auseinander. Im Laufe der Jahre aber hat sich herausgestellt, wie wichtig eine solche von den Verbänden geschaffene Zentralinstanz ist. Sie hat zur Einheit in der Gewerkschaftsbewegung wesentlich beigetragen. Sie hat aber auch für die Einheitlichkeit in der Einführung gewerkschaftlicher Einrichtungen gewirkt. Vor allem aber hat sie die großen, für die Arbeiterklasse wichtigen sozialpolitischen Aufgaben in den Bereich ihrer Tätigkeit hineinbezogen. Man darf es wohl bei dieser Ge­legenheit offen aussprechen: Wenn diese zentrale Kommission der Gewerkschaften nicht bestanden hätte, wäre Arbeiterschutz und So­zialversicherung heute in Deutschland   nicht einmal auf der Stufe, auf der sie gegenwärtig stehen. An dieser Stelle muß aber auch der rührigen Tätigkeit der Generalkommisfion für die gewerkschaft­liche Organisierung der Arbeiterinnen gedacht werden. Durch Bil­dung eines der Generalkommission angegliederten Arbeiterinnen­sekretariats erhielt dieses Tätigkeitsgebiet eine besondere Förde­rung. Wenn die Organisationsverhältnissc der Arbeiterinnen auch heute noch immer nicht als befriedigend bezeichnet werden können, so liegt das wirklich nicht an der obersten Leitung der Gewerk­schaften, sondern an den Schwierigkeiten, mit denen dabei immer wieder zu rechnen ist. Legien selbst ist stets ein warmer Befür­worter der gewerkschaftlichen Arbeitcrinncnbewcgung gewesen. Trotz anfänglicher Gegenströmung in einigen Verbänden ist er konse­quent dafür eingetreten, daß Arbeiter und Arbeiterinnen eines und desselben Berufs gemeinsam in einer Organisation zu vereinigen