Nr. 8

Die Gleichheit

können und nunmehr in ihrem Bestand gefährdet sind. Wenn solche Vereine die militärische Vorbereitung in ihr Programm aufgenommen haben, so können sie nicht gezwungen werden, zum Beispiel zugunsten einer einmal oder mehrere Male in der Woche übenden neuge­gründeten Jugendkompagnie auf ihre eigene Vereinsarbeit nahezu zu verzichten. Der Standpunkt der Heeresverwaltung läßt sich sehr wohl mit den Interessen von Schule, Kirche und Jugendpflege ver­einigen, wenn das richtige Maß innegehalten wird....

Monatlich vier militärische übungen er­scheinen der Heeresverwaltung daher genügend, doch soll bei Sonntagsübungen die Zustimmung der Geistlichkeit ein­geholt werden; aber ein Zwang zur Teilnahme an einem Feldgottesdienst darf nicht ausgeübt werden".... über­anstrengungen von Jugendlichen sollen vermieden, das An­streben von Höchst- und Wettübungen bei Märschen verboten werden. Zum Schluß ersucht das Kriegsministerium die stell­vertretenden Generalfommandos, im besonderen darauf hinzuweisen, daß jeder junge Mann, der regel­mäßig an dem Vorbereitungsunterrichtteil­genommen hat, einen entsprechenden Aus­weis für den Eintritt ins Heer als Empfeh­Iung erhält. Für die Ausbildung beim Ersatztruppenteil wird die Einsichtnahme dieser Ausweise nur von Vorteil sein. Ein Abflauen der Teilnahme an den übungen ist mit auf nicht richtiges Maßhalten in den Anforderungen zurückzu­führen. Nie darf außer acht gelassen werden, daß die Liebe zum Heer und die Freudigkeit zum Dienst in diesem geför­dert werden soll."

2. Der Erfolg der Erlasse.

Was war zunächst der Erfolg der Erlasse? Kein Zweifel, daß in den ersten Monaten des Kriegsrausches die Mehrzahl der Vereine und sonstigen Jugendpflegeorganisationen sowie auch die Schule mit Begeisterung den Aufforderungen der Minister nachkamen, gewiß war der Zustrom der Jugend zu Anfang auch recht start, wenn auch niemals so stark, wie die Väter der Erlasse erwartet und erhofft hatten.

Die gesamte nationale Jugendpflege ist heute darin einig, daß die Erlasse den gewünschten Erfolg nicht gebracht haben, und zwar aus folgenden Gründen:

Das Strohfeuer der ersten Kriegsbegeisterung" ist ver­raucht bei der Jugend, bei den Lehrern, bei den Unternehmern. Bei der Jugend, weil nach Meinung der militärischen Jugenderzieher der Zwang fehlt und damit die sugge­stive Macht der militärischen Disziplin; bei den Lehrern, weil die militärische Vorbereitung Zeit und Kraft der Schüler der Schule entzieht, daher das vorgeschriebene Arbeitspensum nicht bewältigt wird; bei den Unternehmern, weil sie aus Mangel an erwachsenen Arbeitern die jugendlichen nicht stundenlang während der Arbeitszeit entbehren wollen.

So hat die Freiwilligkeit nach allen Seiten versagt. Dar­über können die schönsten Worte nicht hinwegtäuschen. Um aber den beabsichtigten Erfolg zu erreichen, soll nun der ge­jegliche Zwang eingeführt werden.

Auf eine große Anzahl Jugendlicher mag zutreffen, daß fie feineswegs aus überlegung sich der Beteiligung entzogen haben. Die Zahl derer, die niemals irgendwelche Verpflich­tung auf sich nehmen, sich niemals ein-, noch weniger unter­ordnen wollen, die jede Disziplin hassen, woher sie auch kom­men und welches Biel   sie auch haben mag, ist erschreckend groß. Das ist die Jugend, die für nichts zu begeistern ist, deren öde Stumpfheit in diesem frühen Alter eine der schärfsten Anklagen gegen die herrschende Gesellschaft dar­stellt. Hier mag ja der gelinde Druck" etwas helfen. Die Be­geisterung erzwingen läßt sich nicht.

Ein Teil der Jungen ist aber aus eigenem Antrieb und mit vollem Bewußtsein der militärischen Vorbereitung fern­geblieben. Auf die Gefahr hin, daß es ihnen als Rekruten später übel vermerkt wird. Sie hatten ganz bestimmte, ihrer Weltanschauung entsprechende Gründe, um so zu handeln. ( Fortsetzung folgt.)

Aus der Bewegung.

57

Genosse Vaillant+. Genosse Vaillant ist tot. Mit ihm ist wieder einer jener Männer dahingegangen, die ein Stück Geschichte der ersten wie der zweiten Internationale verkörperten, war er doch eines der führenden Mitglieder in der französischen   Sektion der Inter­nationale. Es liegt eine tiefe Tragit in seinem Schicksal. Er, der auf allen internationalen Tagungen und überall dafür eingetreten war, daß das Proletariat die Pflicht habe, durch eine gemeinsame und selbständige Aktion der Kriegsgefahr entgegenzutreten, und der seit seiner Jugend ein aufrichtiger Bewunderer der deutschen   Kul­tur war und für das Verständnis des Deutschtums unter seinen Landsleuten gewirkt hat, dieser treffliche Mensch und sozialistische Kämpfer mußte nicht nur den Zusammenbruch aller seiner Er­wartungen erleben, sondern verlor selbst mit Ausbruch des Krieges die sozialistische Orientierung und sah schließlich im Sieg des fa­pitalistischen Frankreichs   über das militaristische Deutschland   die einzige Rettung. In der nächsten Nummer werden wir Vaillant als Kämpfer und als Mensch ausführlich würdigen. Sein Schick­fal war das Schicksal der zweiten Internationale.

Lina Scherzer- Berlin+. Die Reihen der Alten" lichten sich mehr und mehr. Wieder ist eine der ältesten unserer Genossinnen von uns geschieden. Am Sonntag den 12. Dezember wurde der Körper unserer am 7. Dezember verstorbenen Genossin Lina Scherzer im Krematorium zu Treptow  - Baumschulenweg eingeäschert. Genofsinnen und Genossen hatten sich zahlreich eingefunden, um ihre Hochschätzung der Verstorbenen zu befunden. Der Reichstagsabgeordnete Genosse Richard Fischer schilderte in ergreifender Rede das arbeitsreiche Proletarierdasein der Genoffin Scherzer. In warmen, zu Herzen gehenden Worten gab er ein Bild von ihrer steten, unwandelbaren, eifrigen Tätigkeit in der Partei und für sie. Trotz ihrer 81 Jahre war Mutter Scherzer" bis wenige Monate vor ihrem Tode noch in jeder Parteiversammlung, in jeder Parteiveranstaltung anzus treffen. Die Verstorbene war ein echtes, rechtes Proletarierkind. Sie besuchte eine der erbärmlichen Landschulen, wie sie in den Jahren 1840 bis 1850 bestanden. Sie konnten den Kindern nur ganz ge­ringe Kenntnisse mit auf den Lebensweg geben, zumal wenn sie, wie unsere Genossin, den Eltern verdienen helfen mußten. Erst später lernte Genossin Scherzer noch lesen, doch das Schreiben blieb ihr eine unerlernbare Stunst, ihre Finger waren von der frühen harten Arbeit zu ungelenk dazu. Es reichte gerade aus, daß sie mühselig ihren Namen schreiben konnte. Gearbeitet hat Lina Scherzer von Kindesbeinen an, bis der Tod ihrer Regsamkeit ein Ziel sezte. Vor vielen Jahren ergriffen die sozialistischen   Lehren mit unwidersteh licher Gewalt ihr Herz und ihr Hirn, und das für immer. Sie wurden der Leit- und Hoffnungsstern ihres Lebens. Die Schönheit des sozialistischen   Zukunftsideals fonnte ihr durch nichts verdunfelt werden. Sie suchte ihm zu dienen, wo und wie ihre Kraft das er­möglichte. Sie suchte nicht nach Anerkennung, ihr war es um die Pflichterfüllung zu tun. Durch ihr Beispiel, ihr ruhiges, sicheres, zielflares Wirken hat sie unermüdlich sehr viel dazu beigetragen, die Partei in die Höhe zu bringen, die Zahl ihrer Mitglieder zu ver­mehren, Abonnenten für die Presse zu gewinnen usw. Die Ver­storbene war wohl über Berlin   hinaus kaum bekannt. Sie gehörte zu den Vielen, die ungenannt im stillen wirken, ihr Bestes geben und deren Treue und Aufopferungsfähigkeit eine der Straftquellen der sozialistischen   Bewegung ist. Hohe Jdeale muß eine Partei ver­fechten, damit sie Charaktere von der Lauterkeit und dem rastlosen Eifer unserer Genossin Scherzer gewinnt und festhält. Im Dienst der hohen Jdeale gilt es, Mutter Scherzer nachzueifern, trotz aller Stürme und Drangfalen fest zur Fahne des Sozialismus zu stehen. Im Wirken für den Sozialismus bleiben wir mit der Verstorbenen verbunden, halten wir ihr Andenken lebendig und in Ehren. Ottilie Baader  . Agitationsversammlungen im Kreise Landeshut   i. Schlef.. Bolkenhain- Jauer. Nicht immer will es in dieser Kriegszeit ge= lingen, die Genossen in den Vorständen der Wahlvereine zu über­zeugen, wie notwendig und ersprießlich jetzt Versammlungen für die Frauen sind. Die Unterzeichnete hatte die Vorstände der schle= sischen Bezirke zu solchen Versammlungen aufgefordert, von wo aus dann die Anregung an die einzelnen Kreise weitergegeben wurde hier mit viel, dort mit weniger Wärme. Vereinzelt haben Versammlungen stattgefunden, aber im allgemeinen war viel Ab­neigung zu spüren, etwas zu veranstalten. Die abgehaltenen Ver­sammlungen zeigten, daß bei den Frauen selbst ein starkes Bedürf­nis dafür vorlag. Der Besuch ließ nur selten zu wünschen übrig. Hier sollen im besonderen fünf Versammlungen erwähnt werden, die im Kreise Landeshut- Bolkenhain- Jauer stattgefunden haben. Genoffin Wulff- Breslau sprach über Die Aufgaben der Frauen

-