Nr. 9

Die Gleichheit

Arme des nationalen Blocks, ließ ihn für den französischen Imperialismus kämpfen. An der Enttäuschung ist Vaillant innerlich und äußerlich zusammengebrochen in Disharmonie mit der reichen Arbeit seines Lebens.

Konferenz der deutschsprachigen Sozia­listinnen in den Vereinigten Staaten .

( Schluß.)

Was die Frage der reaktionären Schulpolitik anbelangt, so handelt es sich um Versuche, die öffentlichen Schulen dazu zu mißbrauchen, die proletarischen Kinder zu Verrätern an den Interessen ihrer Klasse heranzubilden. Es soll ihnen als Pflicht eingebleut werden, einst den Vätern und Brüdern, den Müttern und Schwestern im Ringen um bessere Arbeitsbe­dingungen in den Rücken zu fallen und ihre Stellungen ein­zunehmen. Gegen diese Versuche erhob die Tagung der deutschamerikanischen Genossinnen energischen Protest. Des weiteren wendete sie sich mit aller Schärfe gegen das soge nannte Garysystem" im Schulwesen, das zumal von den Schulbehörden in New York begönnert und gefördert wird. Wesenszüge dieses Systems sind verkürzte Schulstunden, eine Herabsetzung der Zahl der Schuljahre und des schulpflichtigen Alters, ein oberflächlicher, mechanischer Unterricht, aber auch eine erhöhte Ausbeutung des Lehrpersonals. Ganz besonders gefährlich ist es, daß das Garysystem offenbar die offizielle Einführung des Religionsunterrichts in den Lehrplan der Volksschulen vorbereiten soll. Nach allgemeinem Herkommen darf in den Vereinigten Staaten in den Volksschulen offiziell fein Religionsunterricht erteilt werden, damit die Konfes­sionsstreitigkeiten den Kindern ferngehalten bleiben. Die re­ligiöse Unterweisung erfolgt in den Laiensonntagsschulen der einzelnen Konfessionen, deren Besuch ein freiwilliger ist. Ein gewisser Gary hat nun den Vorschlag gemacht, daß die Volks­schüler zu bestimmten Stunden, an denen kein Schulunter­richt stattfindet, in die benachbarte Kirche geführt werden sollen, wo ihnen ein Geistlicher Religionsunterricht erteilen würde. Kein Kind soll zum Besuch des Religionsunterrichts gezwungen werden. Herr Gary denkt bei der geplanten Neue­rung an die unmittelbare Mitwirkung der Kirchen. Diese wer­den ersucht, in ihren eigenen Räumen Religionsstunden für die Böglinge der öffentlichen Schulen einzurichten und ihre eige­nen Lehrer dafür anzustellen und zu besolden. Als Vorwand dafür muß die überfüllung der Schulen herhalten und die Notwendigkeit, mehr Schulräume zu schaffen, der man nicht durch neue Schulbauten abhelfen will. Welchen ungeheuren Einfluß man mit der Neuerung in die Hand der Kirchen legt, ist leicht einzusehen, zumal wenn man sich an den Fanatis. mus der Sektenkirchen erinnert. Solche Beeinflussung der Kinder ist etwas ganz anderes als die Verwirklichung der so­ zialistischen Forderung, daß der Religionsunterricht Privat­sache der Eltern sein soll.

Garys Vorschlag ist natürlich von Geistlichen aller Ron­fessionen gebilligt worden. Der Bürgermeister von New York versprach, einen Versuch" mit der Durchführung zu machen. Auch Mitglieder des Parlaments begannen sich für den Plan zu erwärmen. In manchen Volksschulen kam es zu dem Ver­such". Die Früchte des neuen reaktionären Systems zeigten fich bald. In einer Konferenz des Verbandes protestantischer Kirchen New Yorks" berichtete ein Lehrer Dr. He ß, daß der religiöse Friede bereits sehr bedenklich in den Schulen seines Bezirks gestört sei, in denen man versuchsweise" das Gary­system eingeführt habe. Er habe katholische Kinder heraus­fordernd ein Lied singen hören, das mit dem Refrain verziert war: Catholic, Catholic ring the bell Lutheran, Lutheran , go to hell! ( Katholik laß die Kirchenglocken läuten, Lutherischer fahre zur Hölle.) Die Schulkinder sind bereits so hochgradig gegen­einander gehetzt," sagte dieser Schulmann, daß für die Zu­kunft das Allerschlimmste zu befürchten ist. Wo früher reli­

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giöse Neutralität herrschte, ist jetzt der Streit um die beste Religion an der Tagesordnung. Die wenigen Monate, die seit Einführung des Religionsunterrichts verflossen sind, zeigen deutlich genug, wohin der Weg unvermeidlich führt. Da es jetzt noch Zeit zur Umkehr ist, sollte der Verhegzung der Kinder schleunigst Einhalt getan werden. Die Gefahren

des Garysystems werden noch an Hand weiterer schlimmen

Erfahrungen von anderen Konferenzteilnehmern geschildert, so von Dr. Edison, dem Hilfsinspektor des New Yorker Schulwesens.

Auch sonst haben sich viele Stimmen wider das Garysystem erhoben. Auf Anregung der New Yorker Volkszeitung" be­gannen namentlich die Sozialisten ihre energische Agitation dagegen. So erachteten es die Genofsinnen für geboten, ihrer­seits ebenfalls Stellung dazu zu nehmen.

Ihre Konferenz erblickte in dem Garysystem eine, Bedro­hung der höchsten Interessen unserer Zukunft, der Zukunft unserer Kinder". Sie protestierte auf das energischste, gegen dieses Attentat auf das wichtigste Recht unserer Arbeiter­jugend und forderte die Parteiorganisation und Ortsgruppen auf, sofort in eine nachdrückliche Agitation gegen den höchst rückschrittlichen Plan einzutreten und mittels Flugblättern und öffentlichen Versammlungen die Bevölkerung zum Pro­test dagegen aufzurufen". Sie erklärte zur Frage der Schul­politik außerdem: Es ist selbstverständlich, daß eine Bewe­gung, die eine bessere und höhere Zukunft erstrebt, in der Bildung ihrer Jugend eine ihrer Hauptaufgaben erblicken muß. Wo immer es den Sozialisten gelungen ist, Vertreter in städtische und Staatsregierungen zu erwählen, gehörte es stets zu ihren Hauptaufgaben, für die Besserung des Schul­systems zu sorgen. In der Erkenntnis, daß eine willfährige und denkfaule Arbeiterklasse im Klasseninteresse der Besitzen­den liegt, halten diese an dem oberflächlichen, unzulänglichen Schulwesen fest, das heute in den amerikanischen Staaten exi­stiert. So herrscht immer das Bestreben, die Mittel zu be­schneiden, die für Erziehungszwecke zur Verfügung gestellt werden, die Klassen größer, die Schulstunden kürzer, die Er­ziehung weniger gründlich zu gestalten." Die tagenden So­zialistinnen verpflichteten sich außerdem, die Lehrerinnen von Chikago in ihrem Kampf gegen die gierigen Politiker und Kapitalisten mit allen Mitteln zu unterstützen. In Chikago versuchten diese Herren nämlich, die Lehrerorganisation zu sprengen oder zu verbieten.

Auch die Arbeiterpresse war Gegenstand der Ver­handlungen. Und zwar wendeten die Genossinnen sowohl dem Inhalt und Gehalt, den Aufgaben der Arbeiterpresse ihre Aufmerksamkeit zu wie auch der Verpflichtung der Frauen, für die Verbreitung der sozialistischen Blätter zu sorgen. Ihre Gedanken wurden in diesem Beschluß zusammengefaßt: Die Konferenz der deutschsprachigen sozialistischen Frauen fordert erneut alle denkenden Arbeiter und Arbeiterinnen der Ver­ einigten Staaten auf, die sozialistische Arbeiterpresse, die schärfste und wirksamste Waffe der revolutionären Arbeiter­bewegung zu unterstützen und für sie zu werben. Sie bringt damit ihren ganz besonderen Dank jenen deutschen Arbeiter­zeitungen in den Vereinigten Staaten zum Ausdruck, die auch in dieser traurigen Zeit die Ideale internationaler Ar­beitersolidarität aufrechterhalten und dem verheßenden Ein­fluß der patriotischen Presse entgegenwirken. Die ehrlich international gefinnte Arbeiterpresse in jeder Weise zu för­dern und für ihre weitestgehende Verbreitung tätig zu sein, muß in dieser weltweiten Krise die ganz besondere und drin­gende Aufgabe der deutschsprachigen sozialistischen Bewegung dieses Landes sein."

Schließlich erörterte die Konferenz noch die Frage der Be i- träge der weiblichen Parteimitglieder. Die jetzt in dieser Beziehung herrschenden Zustände scheinen un­einheitlich und ungerecht, geradezu unhaltbar. Nach dem gel­tenden Parteistatut können verheiratete Frauen ohne Bei­tragszahlung Mitglieder der Partei sein, wenn ihr Mann regelmäßig seine Beiträge entrichtet. Ledige Frauen und Mit­