Nr. 12

Notizenteil.

Die Gleichheit

Genoffin Rosa Luxemburg   wieder in Freiheit. Nach Ver­büßung der Gefängnisstrafe von einem Jahr ist Genossin Lugem­burg wieder in die Freiheit zurückgekehrt. Wir begrüßen die tapfere Borkämpferin des wissenschaftlichen Sozialismus in dem Geist un­erschütterlicher Überzeugungstreue, der ihr die Ehre ihrer Verurtei lung eingebracht hat.

Jm Prozeß Walcher ist die eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin I vom Reichsgericht verworfen worden. Die Angeklagten waren seinerzeit wegen Bergehens gegen das Verbot des Oberkommandos zu drei Monaten Gefängnis ver­urteilt worden.

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Eine zusammengebrochene Anklage. Zusammengebrochen ist am 9. Februar vor dem Landgericht Berlin I die Anklage gegen den Genossen Dr. Ernst Meyer wegen Aufreizung verschiedener Bevölkerungsklassen zu Gewalttätigkeiten, wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze und wegen Bergehens gegen das Gesetz vom Jahre 1851 über den Belagerungszustand. Die Straftaten sollten begangen worden sein durch die Verbreitung zweier Flugblätter, betitelt: Wer trägt die Schuld am Kriege?" und Annexionswahnsinn". Das Gericht beschloß nach lebhafter Tebatte den Ausschluß der Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit. Die Verteidigung hatte gegen den betreffenden Antrag betont, von einer Gefährdung der Staatssicherheit fönne keine Rede sein. Auf dem Schlachtfeld gingen jetzt so furchtbare Dinge vor sich, daß die Verhandlungen in diesem Saale   doch unmög lich die Staatssicherheit gefährden können. Trotzdem wurden nur die Pressevertreter zugelassen, und ihnen überdies zur Pflicht ge­macht, über die Teile der Verhandlungen nicht zu berichten, deren Veröffentlichung geeignet sein könne, die Staatssicherheit und die öffentliche Ruhe und Ordnung zu gefährden. Der Staatsanwalt beantragte wegen der ersten beiden angeblichen Straftaten 1 Jahr 6 Monate Gefängnis, wegen übertretung der Zensurvorschriften 3 Tage Gefängnis. Das Urteil lautete in den ersten zwei Fällen auf Freisprechung, wegen übertretung der Zensurvorschriften auf eine Woche Gefängnis, die durch die dreiwöchige Unter­suchungshaft als verbüßt erachtet wurde.

In militärische Schuhhaft genommen wurde laut Blätter­meldungen am 12. Februar der Herausgeber der in Berlin   er­scheinenden Lichtstrahlen", Genosse Julian Borchardt  .

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Wegen Herausgabe einer Friedensnummer der Zeitschrift Morgenrot" ist Genosse Niebuhr in Elberfeld   im August vorigen Jahres zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die Anklage lautete auf Aufreizung zum Kelassenhaß. Gegen das Urteil hatten sowohl Staatsanwalt wie Verurteilter Berufung eingelegt. Das Reichsgericht hat nun beide Berufungen verworfen.

Für den Frieden.

Einstellung des Verfahrens gegen Louise Sanmonean. In den ersten Oktobertagen war, wie unsere Leserinnen wissen, in Paris  die tapfere Genossin Saumoneau verhaftet worden, die an der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Bern   als Ver­treterin der sozialistischen   Frauen Frankreichs   teilgenommen hatte. Die Anklage lautete auf Abfaffung und Verbreitung des Berner Manifests sowie auch der friedensfreundlichen Drudschriften, die das Pariser Sozialistische Frauenkomitee gegen den Chauvinismus her­ausgegeben hat. Die Verhaftung war also sachlich unter derselben Anklage erfolgt, wie einige Monate früher die Verhaftung der Ge noffin Bettin in Deutschland  . Während sich die offiziellen sozialisti­ schen   Parteiführer zur Verhaftung von Genossin Saumoneau schweigend verhielten und damit sogar den Verdacht erregten, als tomme fie ihnen gar nicht ungelegen, wurden in den gewerkschaft­lichen und sozialistischen Organisationen Frankreichs   zahlreiche Proteste erhoben. Sie heischten vor allem auch von der Parlaments­fraktion und den sozialistischen   Regierungsmitgliedern ein Ein­treten für die verhaftete Genossin. Der Protest der Föderation von Haute- Vienne   lautete wie folgt:

Die Föderation der Haute- Vienne   erinnert daran, daß die so­zialistische Partei sich immer als absolute Anhängerin der voll­ständigen Meinungsfreiheit erklärt und stets wider alle Eingriffe in die Ausübung dieses Rechtes protestiert hat, wie auch immer die Eingriffe feien, und woher sie auch kommen. In Erwägung, daß die Genossin Louise Saumoneau  , Mitglied der Partei, verhaftet ist unter der Anschuldigung der Propaganda für den Frieden; in Er­wägung andererseits, daß es erlaubt ist, in Wort und Schrift sich

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als Anhänger des Krieges bis zu Ende zu erklären, und es logisch ist, daß die entgegengesetzte Meinung das Recht hat, sich zu äußern: verlangt die Föderation, daß die Parlamentsfraktion gegen die Verhaftung der Genossin Saumoneau protestiert und alles mög­liche tut, um ihre Freilassung zu erreichen."

Hierzu bemerkt der Avanti", dem wir diese Notiz entnehmen: ,, Es ist nicht offiziell festzustellen, ob die Parlamentsfraktion protestiert hat, wie es die Föderation der Haute- Vienne   verlangt, um so mehr, als das Parteiorgan sich in ministerielles Still­schweigen hüllte. Aber der Abgeordnete Longuet übernahm die Ver­teidigung der Angeklagten und konnte nach anderthalb Monaten Haft die vorläufige Haftentlassung erreichen, mit der Verpflichtung für die Genossin Saumoneau, sich nicht in Paris   aufzuhalten. Während der Haft wurde Frau Saumoneau wie die geme i- nen Verbrecher behandelt, während sie auf die beson­deren Bestimmungen für politische Gefangene Anspruch gehabt hätte. Aber Ende gut, alles gut. Und die Untersuchung gegen die Genoffin Saumoneau, die eines halben Dußends der stehenden Ver­brechen gegen das Vaterland, gegen die nationale Verteidigung, gegen das Heer usw. usw. beschuldigt war, hat mit einer Ein­stellung des Verfahrens geendet, deren Begründung viel­sagend ist. Die Entscheidung erblickt in der Tat in den von der An­geklagten verfaßten und verbreiteten Schriften einen an sich schuld­haften Charakter, aber schließt bei der Angeklagten die Absicht der Schädigung aus und spricht sie auf Grund einer entsprechenden Be­stimmung des Gesetzbuches frei. Die Entscheidung gibt also zu und erkennt an, daß die sozialistische Propaganda für den Frieden de m Vaterland nicht schadet; sie anerkennt und gibt zu, daß die Sozialisten, die für den Frieden Propaganda treiben, nicht die Absicht haben, dem Vaterland zu schaden. Die Sozialisten wußten das schon, trotz allem, was die objektiven" Anschwärzer sagten; aber es ist nicht unwillkommen, daß das auch in einer Gerichts­entscheidung gesagt ist. Es bedeutet, wenn nichts anderes, daß es noch Richter in   Paris gibt."

Organisierte Proletarierinnen Englands für den Frieden. Zu einer wichtigen, ungweideutigen Bekundung des Friedens­willens organisierter englischer Proletarierinnen hat sich die zehnte Jahrestonferenz der Liga proletarischer Frauen( Women's Labour League) gestaltet, die Anfang Ja­muar im Anschluß an den Jahreskongreß der Arbeiterpartei" in  Bristol stattgefunden hat. Die Women's Labour League wurde ursprünglich als eine Organisation sozialistischer Aufklärung für solche Arbeiterfrauen gegründet, die als nicht erwerbstätig feiner Gewerkschaft angehören können. Im Laufe der Zeit hat sie aber auch immer mehr erwerbstätige Mitglieder aufgenommen und ist so ohne ihre ersten Ziele preiszugeben ebenfalls zu einer energischen Vertreterin wirtschaftlicher, gewerkschaftlicher Frauen= interessen geworden.

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Die Liga steht in enger Fühlung mit den anderen großen Organisationen der Frauen der Arbeiterklasse in England und übt einen vorwärtstreibenden Einfluß auf die Gesamtbewe gung der englischen Proletarierinnen. Da sie viele Mitglieder um­schließt, die noch anderen Vereinigungen sozialistischer, proleta= rischer Frauen angehören, kommen in ihr die verschiedensten Auf­faffungen zum Ausdruck, die im englischen Proletariat mitein­ander um Geltung ringen. Der Vorstandsbericht an die lehte Jahresversammlung stellt dies ausdrücklich mit Bezug auf die Stellungnahme zum Kriege fest. Innerhalb der Mitgliedschaft der Liga sind alle Meinungen vertreten, die in der Kriegs- und Friedensfrage die englische Arbeiterklasse zerflüften. Angesichts dieses Umstands sind die Beschlüsse der Jahreskonferenz um so bedeutsamer. Der Geist, aus dem fie geboren, tam schon in der Eröffnungsrede der Genoffin Dr. Marion Philipps zum Ausdruck. Sie behandelte das Thema: Die Frauen der Arbeiter­Klasse und die Probleme des Krieges". Selbstverständlich war ein großer Teil der Rede Ausführungen gewidmet, über die Wirkung des Krieges auf die Erwerbsarbeit der Frauen. Jedoch auch die Frage des damals drohenden Militärzwangs wurde eingehend erörtert, und zwar im Sinne scharfer Gegnerschaft. Des weiteren verbreitete sich Genoffin Philipps über die internationalen Be­ziehungen der Arbeiter. Sie erklärte, daß die Stellung der Frauen dazu am besten in der Erklärung zum Ausdruck komme, die von der Außerordentlichen Internationalen Sozia= listischen Frauenkonferenz zu   Bern im März 1915 beschlossen wurde. Sie solle für die Haltung und das Wirken der organisierten Proletarierinnen Englands bestimmend sein. Diese Auffassung setzte sich auf der Jahreskonferenz namentlich in zwei Beschlüssen durch. Zum Militärdienstgesez erklärte die Tagung, daß die Liga ihre Gegnerschaft wider das