Nr. 13
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26. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgelb 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.
Inhaltsverzeichnis.
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17. März 1916
Erwerbsarbeit und
Staatsbürgerrecht der Frau. Von Luise Zietz . Staatsmonopole als Einnahmequelle. Die Erwerbslosenfürsorge in der Textil industrie. Von Hermann Jäckel.- Um das Frauenwahlrecht in Holland . Von H. A.- Jugendliche Arbeiter und ungelernte Arbeit. Von H. B. Aus der Bewegung: Margarete Wengels zum
60. Geburtstag.
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Notizenteil: Frauenstimmrecht.- Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Frauenarbeit.
An unsere Leserinnen!
Die heutige Nummer erscheint verspätet, da ihre Ausgabe durch die Zensur verzögert worden ist. Die Redaktion.
Gruß aus Desterreich.
Bum letztenmal war es 1914, wo den sozialistischen Frauen Österreichs Gelegenheit geboten war, zu ihren Schwestern in der ganzen Welt zu sprechen. Denn in der„ Gleichheit" spricht man nicht nur zu den Sozialdemokratinnen Deutsch lands, man wird überall vernommen, wo es sozialistisch empfindende Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen gibt. Dessen sind wir auch heute eingedenk, und der Gruß, der durch diese Beilen aus Österreich kommt, geht weit über die Landesgrenzen hinaus. Diese Grenzen! Könnte man sie doch niederreißen, um die ganze Welt zu einem einzigen Gebäude zu machen, bewohnt von glücklichen, friedlichen Menschen. Was taten wir alle, daß wir um unsere teuersten Hoffnungen und Erwartungen betrogen wurden! Wie ein Bliz aus heiterem Himmel zur Erde niederfährt, so kam der Weltkrieg über uns und riß uns auseinander, als wir alle so heiß zueinanderstrebten. Sind aber deshalb die Saiten zerrissen, die in uns füreinander erklungen sind? Nein, sie flingen weiter in Sympathie, Zuneigung, Freundschaft, Ideen- und Wirkungsgemeinschaft. Die Bande, die uns einstens aneinander knüpften, bestehen noch heute.
In allen Ländern, die vom Kriege betroffen sind, und in • allen neutralen Staaten, die für den Krieg arbeiten, haben die Arbeiterinnen auch heute gleiches Los. Das Los der Lohnarbeiterinnen. Und wenn man die Kriegslöhne rühmt, so werden diese überall reichlich, ja oft überreichlich ausgeglichen durch die Kriegspreise für Nahrungsmittel. Die Frauen sind nicht Soldaten, so hat man ihnen in früheren Jahren geantwortet, wenn sie gleichberechtigte Staatsbürgerinnen sein wollten. Heute werden sie als Soldaten betrachtet und bezeichnet, wenn auch nur als„ Soldaten im Hinterlande". Soldaten der Kriegsindustrie, Soldaten in Fabrik und Heimarbeit, Soldaten in der Krankenpflege. Während die Männer dem Feind" Munition entgegensenden, erzeugen die Frauen die Munition und heilen dann die Wunden, die durch ihre Mithilfe geschlagen sind.
Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin ( Zundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
Wir freilich wüßten uns eine andere Tätigkeit für Frauen und Mütter, als in den Munitionsfabriken stehen.
Jedoch trotz aller Erscheinungen, die wir im Zusammenhang mit dem Kriege sehen, sind unsere Ideale lebendig geblieben. Nicht nur den Genossinnen Deutschlands senden wir im Zeichen des Weltkrieges unsere aufrichtigen schwesterlichen Grüße, sondern den Frauen der ganzen Welt, die mit uns eines Sinnes sind. Wir wissen, unsere Forderungen werden erst dann ganz verwirklicht werden, wenn die Frauen aller Länder von einem Wunsche, von einem einzigen Sehnen durchdrungen sind. Schuß den Arbeiterinnen, Schutz den Müttern und Kindern, Fürsorge der Witwen und Waisen, ausfömmlichen Schutz allen Verlassenen ist unsere gemeinsame Parole. Wir wollen daher laut und vernehmlich
aussprechen, daß wir von der überzeugung erfüllt sind, daß unsere Forderungen durch uns selbst vorwärts getragen werden müssen, daß die Frauen an ihrer Verwirklichung mitzuwirken das Recht und die Pflicht haben. Gleiche, volle, unbeschränkte Staatsbürgerrechte für Frau und Mann sind daher auch trotz des Weltkriegs unsere Losung. Denn nichts ist überholt, was wir zu verlangen haben. Und kommt der Friede, der heiß ersehnte, dann wollen wir, erfüllt von alter Begeisterung und nie erlöschendem Glauben an die Macht des völkerbefreienden Sozialismus, unseren Genossinnen der ganzen Welt gegenüber sagen können: Auch im Weltkrieg haben wir getreu dem Beschluß von Kopenhagen gehandelt. Inmitten der schweren Sorgen und Lasten des Tages haben wir nicht vergessen, was wir der Fraueninternationale 1910 gelobt haben: An einem Tage im Jahre für die politische Gleichberechtigung der Frauen unsere Stimme zu erheben.
Wir sind glücklich, daß wir uns in diesem Vorhaben an der Seite der sozialistischen Frauen Deutschlands befinden, Treue um Treue haltend allem was uns heilig war. So grüßen wir die Genossinnen Deutschlands als Schwestern und Kampfgefährtinnen jetzt und in alle Zukunft.
Erwerbsarbeit und Staatsbürgerrecht der Frau.
Der Krieg ist wirklich ein großer Revolutionär! Wir bekennen, ihn unterschätzt zu haben. Denn man denke! er hat aufgeräumt mit der uralten Anschauung, die jenen Frauen die Palme höchsten Ruhmes zuerkannte, von denen man in der Öffentlichkeit am wenigsten hörte. Heute ist das Lob der Frauen Tagesgespräch! Es wird in den Parlamenten gesungen, und die Zeitungen verkünden es in allen Tonarten: Die Frauen füllen die wirtschaftlichen Schüßengräben, das soll ihnen unvergessen sein!"
In der Tat: Deutschland wäre, den gleichen Umfang der Aushebung vorausgesetzt, wirtschaftlich zusammengebrochen,