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Die Gleichheit

gabe von Millionen zu Nüstungszwecken, militärische Übun­gen für die Knaben in den Volksschulen, allgemeine Wehr­pflicht und dergleichen mehr. Staatsmänner, Politiker und Journalisten überbieten einander in Vorschlägen und Er­örterungen. Preparedness", Vorbereitung, ist die Losung des Augenblicks. Die kapitalistischen Zeitungen- mit weni­gen rühmlichen Ausnahmen haben eine wahre Hetz­haben eine wahre Hetz kampagne zugunsten der militärischen Rüstung eingeleitet. Der gegenwärtige Präsident der Vereinigten Staaten , Woodrow Wilson , reist im Lande umher und versucht das Bolt für seine Rüstungspläne zu gewinnen, und der frühere Präsident, Theodore Roosevelt , greift in Wort und Schrift Mr. Wilson auf das schärfste an, weil ihm dieser noch nicht genug militärisch gesinnt ist. Wenn Roosevelt noch an der Spitze der Regierung stände, die Vereinigten Staaten wären bereits in den europäischen Krieg verwickelt.

Die stärkste Unterstützung findet die Preparedness"-Agi­tation natürlich seitens der Waffen- und Munitionsfabri­kanten, die in dem wachsenden amerikanischen Militarismus den größten Vorteil für sich selber erblicken. Diese Produ­zenten der Vernichtungswerkzeuge haben in dem europäischen Kriege eine wahre Goldgrube gefunden. Eine große Anzahl neuer Fabriken wurde gebaut, und Tausende von neuen Ar­beitskräften wurden eingestellt, um den Kriegsaufträgen der Alliierten zu genügen. In verschiedenen Staaten sind seit Ausbruch des europäischen Krieges ganze Fabrifortschaften- » powder cities", Pulverstädte nennt man sie- wie Pilze aus dem Boden emporgeschossen. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Mädchen finden in diesen Pulverstädten Be­schäftigung. Das macht sich bereits fühlbar in einer zuneh­menden Dienstbotennot in den großen Städten, denn viele der eingewanderten Mädchen, die bisher einen Dienst an­nahmen, gehen jezt in die Waffen- und Munitionsfabriken, to ihnen höhere Löhne und kürzere Arbeitsstunden geboten werden. Dieses rasch emporgeblühte Gewerbe braucht natür­lich den Krieg, oder doch die Vorbereitung zum Kriege, um fortzubestehen. Die Rüstungsindustriellen wissen, daß das Ende des europäischen Krieges eine bedeutende Abnahme ihrer Aufträge im Gefolge haben wird. Darum wollen sie sich schon jetzt durch die Regierung des eigenen Landes einen neuen Markt für ihre Waren sichern. Durch systematische För­derung der militärischen Hezkampagne wollen sie dafür sor­gen, daß ungeheure Summen aus den Taschen des steuer­belastenden Volfes in ihren eigenen Säckel fließen.

Bei all diesem Rüstungswahnsinn wissen die Amerikaner aber nicht einmal, gegen wen sie eigentlich rüsten sollen. Die deutschfeindlichen Elemente behaupten natürlich, daß seitens Deutschlands Gefahr drohe. In ihrer erregten Phan­tasie sehen sie bereits den deutschen Generalstab in New York einquartiert und die deutsche Flagge vom Kapitol in Washing­ ton wehen. Andere aber befürchten einen Konflikt mit Eng­land und weisen voller Besorgnis auf die den ganzen Konti­nent durchkreuzende, völlig unbefestigte Grenzlinie zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada . Dritte wiederum sprechen von der gelben Gefahr", die angeblich aus Japan droht und fordern stärkste Befestigung der pazifischen Küste. Eine in New York erscheinende humoristische sozialistische Zeitschrift The Masses" hat in einem kürzlich ver­öffentlichten Bilde die Situation trefflich charakterisiert. Das Bild stellt Präsident Wilson dar, wie er knieschlotternd vor einer Anzahl drohender Munitionsfabrikanten steht. Aber meine Herren," sagt Wilson, ich sehe ja keinen Feind," wor­auf ihm die Herren Industriellen erwidern: Kaufe du nur unsere Kanonen, einen Feind werden wir dir schon besorgen."

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In dieser aufgeregten, schmerzlichen, völlig aus ihren Fugen gegangenen Zeit ist es ein Trost, eine Frau, und be­sonders eine sozialistische Frau zu sein. In Amerika sind die aufgeklärten fortschrittlichen Frauen die energischsten, mutigsten, unermüdlichsten Kämpferinnen gegen den Mili­tarismus. Die Frauen aller Länder haben in diesen schweren Tagen einsehen gelernt, daß es ihre Kulturmission ist, als

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Erzeugerinnen des Lebens, als Hüterinnen des Lebens sich der grausamen, sinnlosen Vernichtung des Lebens zu widersetzen. Die bürgerlichen Frauen gehen in den Vereinigten Staaten mit glänzendem Beispiel voran. Eine große Anzahl der fort­schrittlichsten unter ihnen, die vielfach auch in der Frauenbewe­gung tätig sind, haben die Women's Peace Party ( Frauen- Friedens- Partei) gegründet. Mit Wort und Schrift, in öffentlichen Vorträgen und Versammlungen bekämpft diese Organisation den um sich greifenden amerikanischen Milita­rismus. Im Januar hielt sie eine glänzend besuchte Konferenz in Washington ab. Eine hochinteressante Aussprache der Führerinnen vor dem Kongreß schloß sich an die Konferenz an. Auch viele sozialistische Frauen waren zugegen. Die Frauen- Friedens- Partei begnügt sich nicht mit der Bekämp­fung des Militarismus; sie hat auch ein positives Friedens­programm, das praktische, durchaus im Bereich der Möglich­feit liegende Vorschläge zur Verhütung weiterer Kriege enthält. Die sozialistischen Frauen, obgleich eine viel geringere Zahl, stehen in der Friedensarbeit nicht hinter den bürgerlichen Frauen zurück. Einzeln sowie mittels ihrer Organisationen führen sie seit Monaten eine energische antimilitaristische Kam­pagne. In New York und Umgebung geht diese Agita­tion hauptsächlich von dem Socialist Suffrage Com­ mittee ( Sozialistischer Ausschuß für das Frauenwahlrecht) aus. Es wurde vor einem Jahre zum Zwede der Frauenstimm rechtspropaganda begründet und blieb nach der Wahl als Frauenagitationskomitee bestehen. Dieser Ausschuß hat be­reits mehrere antimilitaristische Versammlungen veranstaltet; er berbreitet antimilitaristische Schriften; er unterhält einen Verein sozialistischer Agitatorinnen, in dem die gegenwärtige politische Lage einmal wöchentlich erörtert und diskutiert wird; er schickt seine geschulten Rednerinnen in andere Frauen­flubs, Vereine von Müttern, Gewerkschaften usw., um gegen den Militarismus im allgemeinen und gegen den amerikani­ schen Rüstungswahnsinn im besonderen zu agitieren. Sürzlich hat die Organisation einen Lichtbilderapparat gekauft, um die antimilitaristischen Vorträge mit packenden Kriegsbildern zu illustrieren. In einer der vom Socialist Suffrage Comittee veranstalteten Versammlungen sprach mit großem Erfolg Ge­nossin Alexandra Kollontan, eine Vertreterin der russischen Sozialdemokratie, des internationalen Sozialismus, die sich gegenwärtig auf einer Vortragstour in den Vereinig­ ten Staaten befindet.

So stehen die fortschrittlichsten Elemente in der amerikani­ schen Frauenwelt vereint in bezug auf den Friedenswillen. Meta Stern Lilienthal( New York ).

Gesetzlicher Schutz für Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter.

Bom Wesen des Kapitalismus ist das Drängen nach Profit untrennbar. Es kann sich bei sonst gleichen Verhältnissen - um so erfolgreicher durchsetzen, je schwächer und wider­standsloser die Arbeitskräfte sind, die das Kapital in seinen Dienst nimmt. Bei allen Völkern und zu allen Zeiten, wo der Kapitalismus sich entfaltete, hat daher das Hängen am Profit zu einer möglichst umfangreichen Verwendung von Frauen, Jugendlichen und Kindern bei der Erwerbsarbeit ge­führt, zu einer Verwendung, der die unheilvollsten Folgen auf dem Fuße folgten. Ganz international zeigte sich bei der Erwerbsarbeit dieser widerstandsschwächeren Arbeitskräfte, daß das Kapital in seinem Gewinnbegehren nicht bloß die Schranken jeder menschlichen Rücksicht überrannte, sondern auch die Grenzen einer Klugheit, die an die Zukunft denkt.

Ganze Geschlechter von Frauen, Jugendlichen und Kindern sind gestorben und verdorben, weil sie unter Bedingungen er­werbstätig sein mußten, die die Gesundheit zugrunde rich­teten, das Familienleben der Arbeiter zerstörten, mit der Leibeskraft der Heranwachsenden auch den Geist, die sittliche Stärke zermürbten. Das Kapital schlachtete damit gleichsam