Nr. 17

Die Gleichheit

beiterbewegung, die die Sandbänke und Untiefen bürgerlichen Wesens vermeidet. Vom Lassalleaner zum Eisenacher bekehrt, saß er mit Liebknecht, Motteler, Auer usw. in der Kommission, die die Verschmelzung der beiden Fraktionen vorbereitete. Er eröffnete den berühmten Einigungskongreß zu Gotha   1875 und leitete die schwie­rigen Verhandlungen, bis die Verständigung zur Tat geworden war. Der Internationalen Gewerkschaft der Schuhmacher und später anderen Gewerkschaftsorganisationen seiner Berufsgenossen wid­mete er einen großen Teil seiner Zeit und Kraft. Bis zum heu­tigen Tage ist er als Verbandsvorsitzender bemüht, die Organisa­tion für die Arbeiterschaft der Schuhindustrie zum festen Schuh­wall der Gegenwartsinteressen auszubauen, sie aber auch lebendig und tüchtig für die große geschichtliche Aufgabe zu halten, Kämpfer und Kämpferinnen für die freie Zukunft der ganzen Arbeiterklasse zu vereinigen und zu erziehen.

Das Lebensziel: mitzutun, um den Sozialismus zum Siege zu führen, ist Wilhelm Bock   Lebenserfüllung und Lebensglück gewesen. Auch dann, wenn es ihm Haß und Verfolgungen, Not und Opfer eintrug. Vor dem roten Wühler" verschlossen sich troh beruflicher Tüchtigkeit bald alle Werkstattüren, und 30 Mt., später 60 Mt. Monatsgehalt- Bock war Gewerkschaftsvorsitzender geworden bannten nicht den Hunger aus seinem Heim. Auf Schusters Rappen ging es die Thüringer   Berge hinauf und hinab, ging es durch die Täler und Wälder eine Eisenbahnfahrt mußte damals ein Lugus dünken und oft war der Magen leer. Wilhelm Bock   hatte die bitterste Sorge um den bescheidenen Lebensunterhalt der Seinen. Erst nach Jahren gelang es ihm, mit Hilfe einiger Partei­freunde sich durch Gründung eines kleinen Materialgeschäfts eine unabhängige Existenz zu schaffen. Seine tapfere Frau ermög­lichte es ihm durch hingebungsvolle Unterstüßung und Mitarbeit, daß er sich ganz dem Kampfe für seine Jdeale widmen konnte.

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Wir müssen darauf verzichten, auch nur kurz zu schildern, was Wilhelm Bock   unter dem Sozialistengesetz geleistet hat, was er im Deutschen Reichstag und Gothaischen Landtag, in Ehrenämtern der Partei, auf verantwortungsreichen gewerkschaftlichen Posten wirkte und wirkt. Und trotz der siebzig Jahre steht er heute noch mitten im dichtesten Kampfesgetümmel für die Befreiung des Pro­letariats durch den Sozialismus, für die Zielklarheit der Arbeiter­bewegung. Heute, in schwerster Zeit, angefeindet nicht bloß von denen, deren Gegnerschaft natürlich, geschichtlich gegeben ist, viel­mehr auch von vielen, mit denen ihn jahrelange Waffenbrüder­schaft verband. Genosse Mehring schreibt darüber in der Leipziger Volkszeitung":" Als die historische Stunde des 4. August schlug, hat Wilhelm Bod nicht einen Augenblid geschwankt. Er wußte im Augenblick, wohin er gehörte, der unermüdliche Streiter für die Einheit der Partei war sich immer bewußt, daß diese Einheit ein wetterfester Kern nur sein kann, wenn sie sich gründet auf die Reinheit der Prinzipien, und allemal stand ihm der Kern über der Schale, die Sache über dem Wort, die Klugheit über der Pfiffigkeit, die Tapferkeit über der Vorsicht, der Kampf über der Flucht. Da­für muß sich der treue Mann nun schelten lassen als Zerstörer" und Zerrütter" des Werkes, dem sein ehrenreiches Leben gegolten hat. Doch über ein so leichtfertiges Gerede darf ihn das Wort er­heben, das Karl Marg in ähnlicher Lage an einen ähnlichen Mann gerichtet hat:" Ich teile nicht die Philisterverwunderung über die Konsequenz Ihres Lebens. Ich habe bisher immer gefunden, daß alle wirklich tüchtigen Naturen, die einmal die revolutionäre Bahn eingeschlagen, aus der Niederlage stets neue Kraft saugten und immer entschiedener wurden, je länger sie im Strom der Geschichte schwammen...."

Die sozialistische Frauenbewegung ist Wilhelm Bock   zu aufrich­tigem Dank verpflichtet. In der Partei wie in der Gewerkschaft ist er ehrlich und eifrig für die Erweckung und Schulung der Frauen als Gleichwertiger und Gleichberechtigter eingetreten. Ein Alter an Jahren, Leistungen und Erfahrungen, ein Junger an Begeisterungsfähigkeit, Frische und Energie, an heißem Bildungs­drang begeht er seinen Geburtstag. Nie hat er über dem Wirken das Streben vergessen, nie über dem Erfolg des Tages das große Ziel. Die Arbeiterklasse Deutschlands  , die Arbeiterklasse der ganzen Welt braucht Männer wie Wilhelm Bock  . Sie sind mehr als bloß Zeugen einer ehrenvollen Vergangenheit, sie bleiben Träger der Zukunft, die unter Stürmen heraufzieht.

Frieda Kuhlmann- Hamburg lebt nicht mehr! Es hieße die Ge­schichte der Hamburger   Dienstbotenbewegung schreiben, wollte man die Arbeit der am 13. April 1916 verstorbenen Genossin schil­dern, Frieda Kuhlmann wurde geliebt und verehrt nicht nur von den Mitgliedern der Hamburger   Ortsgruppe des Zentralverbandes der Hausangestellten, sondern auch von allen Genossinnen Ham­ burg  - Altonas  . Wer fannte nicht unsere Kuhlmann" beim Aus­

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tragen der Gleichheit"? Seit 1901 war sie bemüht, immer neue Leser für unser sozialistisches Frauenblatt zu werben. Wo Frauen­versamlungen in Hamburg   und Umgebung abgehalten wurden, war Genossin Kuhlmann dabei, um zu helfen, für die Partei neue Streiter und Streiterinnen zu gewinnen. Wo es galt, in Worten Aufklärung zu bringen, tat Genoffin Kuhlmann das. Nicht als Red­nerin in großen Versammlungen trat sie auf, ihre besten Freunde vermochten nicht, sie dazu zu bewegen, aber im kleinen Kreis wurde sie nie müde, zu belehren, anzuregen, zu ermutigen und zu bilden. So mancher hat von ihr lernen können, konnte sich auch an dem eifernen Muß ein Beispiel nehmen, das sie betätigte, wenn es galt, Partei und Gewerkschaftsarbeiten zu verrichten.

Zu den Genossinnen, die seinerzeit in Hamburg   den Verein der Dienstboten, Wasch- und Scheuerfrauen" gründeten, zählte auch Frieda Kuhlmann, sie wurde mit dem Amt der Kassierin betraut. Die Wahl konnte nicht besser getroffen werden, Genossin Kuhlmann widmete sich aufopfernd ihren Pflichten, und so gehörten ihre letzten Jahre hauptsächlich der Gewerkschaftsarbeit. Bis zum 25. Januar hat sie treu ihres Amtes gewaltet. Ihr lehtes Schreiben an die Unterzeichnete besagte kurz:" Luise, ich kann nicht mehr, ich gehe morgen ins Krankenhaus." Wer Genossin Kuhlmann kannte, der wußte da, daß sie wirklich nicht mehr konnte, denn Rücksicht auf sich selbst war ihr etwas Unbekanntes. Sie hörte nur eine Losung: immer vorwärts, damit Bedrückten, damit den Hausangestellten ge= holfen werde. Ob Frieda Kuhlmann je als Beraterin und tatbe­reite Hilfe der Hamburger Hausangestellten ersetzt werden kann? Es wird schwer halten.

Zu ihrem Begräbnis am 16. April waren viele herbeigeeilt; alte, gute Genofsinnen drückten sich schmerzbewegt die Hand, auch jüngere waren zahlreich gekommen, die durch Frieda Kuhlmann erst gelernt hatten, dem Verband die Treue zu bewahren. Viele legten der lieben Toten Blumen in den Sarg, so daß sie unter einer Blüten­decke ruhte. Erhebende und tröstende Worte wurden in der Leichen­Halle des Krankenhauses und am Grabe gesprochen. Viele Kränze mit entsprechenden Widmungen wurden niedergelegt, so von den Frauen des sozialdemokratischen Vereins des Distrikts Uhlenhorst, dessen Mitglied sie gewesen, vom Vorstand der Ortsgruppe Ham= burg, den jungen Mitgliedern der Zahlstelle, die die Donnerstag­abende im Bureau verweilen usw. Auch der Hauptvorstand des Zentralverbandes der Hausangestellten ließ einen Kranz am Grabe niederlegen, ebenso die Genossinnen Zietz und Baader. Wir zurück­gebliebenen haben Genoffin Kuhlmanns Erbschaft anzutreten, es gilt, in ihrem Sinne weiterzuschaffen, bis dereinst das gesteckte Ziel ereicht wird. Handeln wir nach diesem Gelöbnis, so wird das Andenken unserer lieben Kuhlmann am würdigsten geehrt. Luise Kähler.

Gewerkschaftliche Rundschau.

Das zweite Kriegsjahr zeigt die verheerenden Wirkungen auf die deutsche Gewerkschaftsbewegung in recht scharfer Weise. Zwar liegen erst wenige Jahresabschlüsse unserer Zentral­verbände vor, diese aber lassen zur Genüge erkennen, wie start die Gewerkschaften unter der Kriegszeit ge­Iitten haben. Wenn erst der Gesamtabschluß aller Verbände fertiggestellt ist, so wird sich das Bild sicher nicht besser, vielmehr eher noch schlechter gestalten. Bis über die Hälfte der Mit­glieder haben die Gewerkschaften verloren, trog­dem die Werbekraft der Organisationen auch während des Krieges nicht völlig versagte, wie die Tausende von Aufnahmen neuer Mit­glieder erweisen, die noch gemacht werden konnten. Aber den Ge­werkschaften gingen auch viele Organisierte verloren, von denen man nicht weiß, wo sie geblieben sind. Gewiß mögen sich darunter manche befinden, die ihre Abmeldung versäumten, als sie zum Mi­litär eingezogen wurden. Fest steht jedoch leider, daß nicht wenige auch aus anderen Gründen aus der Organisation ausgetreten sind. Das Fehlen von Funktionären, die trostlosen Verhältnisse mit ihren großen Anforderungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts, die durch den Belagerungszustand gelähmte Agitationsarbeit und manches andere dazu sind die Ursachen der beklagenswerten Tat­fache. Unerfreulich ist es auch, daß die Zahl der weiblichen Mitglieder nicht gestiegen ist. Und dies trotz des starken Vordringens der Frauenarbeit in der Industrie, im Handels- und Verkehrsgewerbe. Wie erklärt sich dieser Gegensah? Viele Frauen, die jetzt gezwungen sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, scheuen die geringen Ausgaben an Beiträgen für die Organisation. Die Teuerung verschlingt jeden Pfennig für des Lebens Notdurft und Nahrung, wenn die hungrigen Kindermäulchen einigermaßen gestopft werden sollen. Aber trok dieses Standes der Dinge müßten