Nr. 18Die Gleichheit13?Der Zuwachs der Arbeiterinnen ist also nicht in demgleichen Verhältnis erfolgt, wie derjenige der Gesamtarbeiterschaft, sondern er ist schwächer. Daher kommt es auch, daß derAnteil des weiblichen Geschlechts an der Gesamtarbeiterzahlvon einer Zählung zur andern kleiner geworden ist. Er betrug in den Jahren der Erhebungen 48 Prozent, 4S,8 Prozent, 40,5 Prozent, 33,1 Prozent und stand bei der letztenZählung auf 35,8 Prozent.Diese Entwicklung bedeutet aber nichts weniger als einRückgang der weiblichen Berufstätigkeit überhaupt. In kei-nein anderen Lande sind die Vorbedingungen zur Ausbreitung der Hausindustrie so gegeben wie in der Schweiz, wodie Berge mit„Heimili" besät sind, deren Bewohner irgendeiner Heimarbeit den Vorzug geben vor der Beschäftigung ineiner stundenweit entlegenen Fabrik. Kein Wunder daher,daß in der Schweiz rund 100 000 Frauen in der Hausindustrie tätig sind gegen nur etwa 33 000 Männer. Und derübrige Teil der Frauen und Mädchen, die auf Erwerb gegenLohn angewiesen sind, finden eine Unterkunft in den Gewerben, die dem Frenwenverkehr ihre Existenz verdanken.Deshalb steht es fest, daß die weibliche Berufstätigkeit heuteauch in der Schtveiz allgemein ist, die doch im großen ganzennoch nicht ein eigentliches Industrieland genannt werdenkann. Es zeigte sich keine Erscheinung, aus der geschlossenwerden konnte, daß sich bereits eine Abnahme der Frauenarbeit bemerkbar niachtc. Umgekehrt hat seither der Krieg mitseinen Folgen auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der neutralen Schweiz derart zurückgewirkt, daß dortwie in andern Ländern ein ganz erhebliches Anwachsen derErwerbsarbeit der Frauen zu den hervorstechendsten Zügender Zeit gehört. Edmund Fischer, Mitglied des Reichstags.Das Maimanifest des InternationalenSozialistischen Bureaus.Unter dem Druck der wachsenden proletarischen Friedensbewegung hat sich das Internationale Sozialistische Bureau,zurzeit im Haag, veranlaßt gesehen, zum 1. Mai ein Manifestan die angeschlossenen Parteien zu erlassen. Das Bureau suchtin diesem Dokument seine bisherige Untätigkeit dem gewaltigen geschichtlichen Geschehen gegenüber zu rechtfertigen,nimmt gegen die grundsätzlich-sozialistische Aktion derer umZimmerwald Stellung, faßt einzelne Punkte möglicher Verständigung der offiziellen sozialistischen Parteien ins Augeund beruft eine Sitzung der Delegierten aus den neutralenLändern ein.„Am traditionellen ersten Mai", so beginnt dieKundgebung,„demonstriert das Proletariat für den Frieden.Wir stehen heute im 637. Tage des Weltkriegs, und die Arbeiter, die sich gezwungen sahen, auf den Schlachtfelderngegeneinander zu kämpfen, vertreten trotz der bürgerlichenKlassen die Idee, eine Welt zu schaffen, in der das Recht anStelle der Gewalt tritt. UnsereTätigkeiti st unablässig von diesem Gedanken geleitet worden." In dem Manifest wird ausgeführt:„Das Exekutivkomitee des Internationalen Bureaus hat keinen Augenblickaufgehört in den Grenzen der Möglichkeit(Aber was ist möglich? Red. der„Gleichheit") die Aufgaben zu erfüllen, die unsvon den internationalen Kongressen aufgetragen worden sind.Wir haben die Verbindungen aufrechterhalten zwischen derZentrale und den angeschlossenen Parteien. Diese haben inden Konferenzen von Kopenhagen, London undWien bekräftigt, daß sie dem leitenden Gedankenunserer internationalenResolutionen treubleiben."Das Exekutivkomitee verbreitet sich hierauf über die Frage,warum es bisher gezögert habe, eine Sitzung des Internationalen Bureaus einzuberufen. Dies hätte nur geschehen können unter Zustimmung und Mitwirkung aller in Frage kommenden Parteien. Seine„vorsichtige Haltung" habees der Kritik ausgesetzt. Ungeduldige Genossen hätten„d i eTaktik der Zersplitterung" in die Internationalegetragen und eigenmächtig erklärt, die zweite Internationalesei untergegangen. Die nämlichen Genossen kündigten dieEntstehung einer dritten Internationale an, die jedoch nichtdurch die Parteien der großen Länder anerkannt sei,„ohnewelche eine Internationale keine Lebenskraft haben könne".Die Erfahrung habe bereits gelehrt, daß die Auffassung desBureaus richtig gewesen sei.„Zum Ärger" der Minderheitenhabe die Internationale keinen Augenblick aufgehört, zu wirken.„Die Parteien haben ihr Auftreten fort-gesetzt in der Richtung ihrer Entwicklung",�sie hätten dabei mit großen und verworrenen Mühseligkeitenzu kämpfen gehabt, je nach der Verantwortlichkeit. Diese Parteien seien mit dem Exekutivkomitee der Meinung, daß dasausführende Komitee sich nicht anmaßen möge, als Nichtergegen die Parteien aufzutreten oder zu handeln ohne sie oderaber sich auf ihre Plätze zu stellen. Das Komitee ist und mußbleiben ein„Band zwischen den Parteien".—Das Manifest kommt dann auf die Frage des Friedens zusprechen. Die Uneinigkeit zwischen den einzelnen sozialdemokratischen Parteien gipfelte in der Frage des Zeitpunk t s für den Friedensschluß. Die einen wollen den Frieden sofort und um jeden Preis, den anderen dünkt derAugenblick verftüht, nicht weil sie keinen Frieden wollen, sondern weil ihnen ein Friede im jetzigen Augenblick zu wenigdauerhast erscheine. Das Komitee meint, der Unterschied zwischen beiden Richtungen bestehe darin, daß die ersten vorallem diesen Krieg beendigen wollen, während es den anderen darauf ankomme, Kriege auch in Zukunft unmöglich zu machen. In einem Punkte sei jedoch Einigkeit vorhanden, nämlich daß die Welt sich Rechenschaftgeben müsse über das Endziel des Krieges.Das Proletariat müsse Einfluß gewinnenauf die Vorbedingungen des Friedens, dennder Inhalt des Friedens sollte die politischen Verhältnisse derZukunft und damit das Schicksal des kommenden Geschlechtsbestimmen.Der Friede von morgen dürfe nicht den Keim zu neuenKonflikten enthalten. Dem militärischen Krieg dürfekein ökonomischer Krieg folgen. Daran und an derDemokratisierung Europas habe die Arbeiterklasse das allergrößte Interesse. Mit doppelter Kraft müssesie sich der geheimen Diplomatie entgegensetzen. Der Friede dürfe nicht ausschließlich durch die Regierungen diktiert werden. Das Exekutivkonntee fordert daheralle angeschlossenen Parteien ohne Ausnahme auf, sich unverzüglich Rechenschaft zu geben von den politischen Aufgaben, die nach ihrer Meinungbei den Friedensbedingungen eine Lösungverlangen. Um diese Feststellung vorzubereiten, beruftdas Exekutivkomitee eine Zusammenkunft der Abgeordnetender angeschlossenen sozialistischen Parteien und Arbeiterparteien der neutralen Länder auf den 26. Juni 1916nach dem Haag. Der Tag ist festgelegt auf Ersuchen der sozialistischen Parteien der Vereinigten Staaten und Argentiniens. Das Manifest schließt mit dem Aufruf:„Kameraden! Der Kineg hat in den Reihen des soziali-stischen Proletariats ernste Konflikte verursacht. Demgegenüber wird es mit jedem Tage deutlicher, daß der Kapitalismus verstärkt aus dem Kriege hervorgehen wird. Um diesesSystem zu überwinden und die Arbeiterklasse zu befreien, istes notwendig, daß die Proletarier aller Länder ohne Unterschied der Rasse und der Nation sich wieder zusammenfinden."Das Manifest des Internationalen Sozialistischen Bureausredet zwei Sprachen. Es ist herausgeputzt niit Worten, dieden Jdeeninhalt des Sozialismus widerspiegeln sollen.Aber es offenbart Tatsachen, die zum Geiste des Sozialismusin striktein Widerspruch stehen. Das Exekutivkomitee des Internationalen Bureaus erklärt, Leitstern der proletarischen