Nr. 18
Die Gleichheit
zeitig mit dem Maiumzug der Arbeiterpartei marschierte durch die Straßen Amsterdams der von den Revolutionären organisierte Maiumzug. Er hatte 2000 Teilnehmer. Bedeutend zahlreicher war das Publikum in den Abendversammlungen, nach denen ein zweiter Umzug veranstaltet wurde.
In den kriegführenden Ländern war die Maifeier, soweit politische Kundgebungen in Betracht kommen, durch Zensur und Militärdiftatur behindert. Trotzdem haben vielerorts entschlossene Sozialisten es sich nicht nehmen lassen, ihrem Friedenswillen, ihrer Gegnerschaft wider den imperialistischen Weltkrieg Ausdruck zu geben. Wo das nicht möglich war, hat man sich wenigstens versammelt und in geschlossenem Kreise sich gegenseitig zum Kampf um den Sozialismus und den Frieden angefeuert. So in Italien , wo die Maifeier nach den Berichten aus den großen italienischen Städten im allgemeinen ruhig verlief. In Mailand zogen eine Anzahl Frauen auf den Domplatz mit dem Rufe:„ Es lebe die sozialistische Revolution, es lebe die Internationale!" Nach bürgerlichen Berichten hat die Polizei einige Verhaftungen vorgenommen und weitere Kundgebungen verhindert. Die Maifestnummer des„ Avanti" ist in ihrem wichtigsten Teil der Zensur zum Opfer gefallen. Sie hat alle Hinweise, die sich auf den Krieg oder den Wunsch nach einem baldigen Friedensschluß beziehen, gestrichen. In den Ausgaben vom 3. und 4. Mai bringt der " Avanti" Berichte über Maifeiern aus rund hundert Orten des Landes. Es ist anzunehmen, daß eine große Anzahl von Berichten außerdem von der Zensur gestrichen worden sind. Der " Avanti" zieht aus dem Verlauf des 1. Mai den Schluß:„ Im ganzen ist die Kundgebung überall in einer unsere eigenen Erwartungen übertreffenden Weise gelungen, ein flares Zeichen da= für, daß die Seele des Volkes immer noch ganz mit uns ist, und daß der Tag nicht fern ist, an dem die Internationale durch das Werk und den Willen des Proletariats ihre höchste und bedeutendste Vergeltung haben wird."
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Aus Frankreich liegen genaue Berichte über den Verlauf des Tages noch nicht vor. Die Confédération Générale du Travail der Gewerkschaftsverband- beschloß, aus Gründen der Kriegführung den 1. Mai nicht zu feiern. Für den Abend waren zahlreiche Arbeiterversammlungen angekündigt. Am 30. April tagte in Paris der Kongreß der Union des Syndikats der Seine, die folgende Entschließung annahm:
" Die organisierten Arbeiter des Seinedepartements bekräftigen an diesem Tage der Arbeiterkundgebungen der ganzen Welt ihre unerschütterliche Zugehörigkeit zur proletari
schen Internationale.
Der gegenwärtige Krieg, der ihnen durch eine auf Eroberungen und Herrschaft begierige Staste troß ihrer friedlichen Anstrengungen auferlegt wurde, läßt sie weder ihre Hoffnungen auf die menschliche Brüderlichkeit noch ihr Jdeal der gesellschaftlichen Umwandlung aufgeben.( Folgt Zensurlüce von sechs Zeilen.)
Dieser Krieg muß der letzte der Kriege sein, und er muß deshalb zum Ziele haben:
1. Die Unverleßlichkeit der Unabhängigkeit der Völker; 2. die Unterdrüdung jeder geheimen Diplomatie;
3. die Begrenzung der Rüstungen als Maßnahme, die die allgemeine Abrüstung vorbereiten soll;
4. die Einführung des obligatorischen Schiedsgerichts für alle Konflikte zwischen Nationen.
über die gegenwärtigen Schrecken hinweg richten sie an ihre mobilisierten Kameraden den Ausdrud ihrer brüderlichen Gefühle, versichern ihnen, auf dem gewerkschaftlichen Gebiet eng zusammengeschlossen zu bleiben, um ihnen ihre Organisationen zu bewahren, ihre Klasseninteressen zu schützen.
Sie senden den Müttern, Witwen und Waisen ihrer toten Kame= raden ihre Gefühle bewegter Teilnahme, ihnen versichernd, keine Anstrengung zu scheuen, daß sie die Kompenfationen erhalten, die ihnen gesetzmäßig von der Regierung zustehen.
Sie drücken die Hoffnung aus, daß dieser Krieg bald sein Ende fieht, daß im Frieden das Recht über die brutale Gewalt triumphiert, damit die wieder versöhnten, auf immer in der Föderation der Vereinigten Staaten der Welt bereinigten Völker in einer Internationalen der Tat und der Ideen ihren Vormarsch wieder aufnehmen können im Sinne einer friedlich en und menschlichen Entwidlung.
Sie senden ihren brüderlichen Gruß den Proletariern der ganzen Welt und gehen auseinander mit dem Rufe: Es lebe der Syndifalismus! Es lebe die Arbeiterinternationale!"
Das von der französischen Zensur Gestrichene lautet:„ Die orga= nisierten Arbeiter von Paris und Umgebung be=
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anspruchen für sich das Recht, mit lauter Stimme ihren Willen zu befunden, daß sie sich jedem Gedanken einer Berstüdelung der deutschen Nation widersehen, ebenso wie gegen jeden Plan einer gewaltsamen Eroberung, die unvermeidlich zur Vorbereitung einer neuen Abschlachtung unter den Völkern führen würde."
In Deutschland fanden Mitgliederversammlungen der Or ganisationen statt, wo immer die Möglichkeit dazu vorhanden und die organisierte Arbeiterschaft sich ihrer sozialistischen Aufgaben bewußt geblieben war. Leider sind nur recht wenig Berichte darüber erschienen. In Bremen sprach Reichstagsabgeordneter Hente. Laut Bremer Bürgerzeitung" wies er darauf hin, daß die Internationale nicht tot sei, daß in allen Ländern Minderheiten entstanden seien, die die Rückkehr zum Gedanken der internationalen sozialistischen Arbeitersolidarität vertreten. Wenn die Führer der alten, der zweiten Internationale im kritischen Augenblick versagt haben, so tragen nicht nur sie die Schuld, sondern auch die Massen, die sie zu Führern gewählt haben. Die neue Internationale müffe in Kopf und Herz der Arbeitermassen selbst sitzen, die Arbeiter müssen die Triebkräfte der Produktion in ihren Dienst zwingen, dann werden wir weder Krisen noch Kriege haben. Gut besuchte Versammlungen fanden in Braunschweig , in Hanau und Jena statt. In der letzteren Stadt sammelten sich spontan Scharen von Kriegerfrauen und Arbeitern, um nach Arbeitsschluß einen Maiumzug durch die Stadt zu veranstalten. Die Polizei nahm einige Verhaftungen vor. Auch in Berlin scharten sich Genossen und Genossinnen zusammen, um dem proletarischen Maigedanken öffentlich Ausdruck zu geben. Bei dieser Gelegenheit fand die Verhaftung des Genossen Liebknecht statt. Eine Reihe Organisationen mußte sich mit Ausflügen und geselligen Veranstaltungen begnügen. Es hat sich gezeigt, daß überall da, wo die Arbeiterschaft sich ihrer alten Ziele wieder bewußt geworden ist, auch der Maigedanke des internationalen Proletariats neuen Inhalt und Icbendige Kraft gewonnen hat.
Aus der Bewegung.
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Eine dringend nötige Auskunft. Fast in allen Parteiorgani fationen wird lebhaft Klage geführt, daß so viele weibliche Mitglieder ihnen den Rüden kehren. Es ist traurig, daß in der Zeit, wo zahlreiche Genoffen nicht unter uns sein und wirken können, die Frauen fahnenflüchtig werden, die nun eigentlich die Partei zusammenhalten sollten. Alle Gründe, die in den einzelnen Organisationen dafür angegeben werden, können uns über die Tatsache selbst nicht beruhigen. Es muß auf Mittel und Wege gesonnen werden, der Fahnenflucht Einhalt zu tun und die Werbekraft der Sozialdemokratie auf die Frauen zu erhöhen.
Meiner Meinung nach hätte daher schon längst unter den führenden Genossinnen eine Zusammenkunft stattfinden müssen, um über die Agitation unter dem weiblichen Proletariat zu beraten, wie über Maßnahmen, die weiblichen Parteimitglieder festzuhalten und zu schulen. Im Jahre 1913 hat die lebte Frauenkonferenz stattgefunden. Seither ist eine viel zu lange Zeit ohne eine Aussprache der führenden Genossinnen im ganzen Reich verstrichen, eine Aussprache, die durch die Bezirkskonferenzen nicht ersetzt werden kann. Der Anschluß des weiblichen Proletariats an die Partei ist noch zu jung, als daß die proletarische Frauenbewegung eine so große Spanne Zeit ohne gründliche allgemeine Beratung bleiben fönnte. Auf der Nürnberger Frauenkonferenz wurde nachdrücklichst be= tont, daß es notwendig sei, den Parteivorstand durch ein weibliches Mitglied zu erweitern, damit die Verbindung der organisierten Genossinnen mit der Partei befestigt und die Agitations- und Erziehungsarbeit unter den Proletarierinnen kräftigst gefördert werden sollte. Eine Hauptaufgabe der Genossin im Parteivorstand sollte es also mit sein, die proletarische Frauenbewegung an Umfang und Klarheit weiter zu entwickeln. Wie kommt es nun, daß wir nichts davon sehen und hören, welche Mittel unser weibliches Parteivorstandsmitglied vorschlägt, um die jetzigen schwierigen Verhältnisse zu beffern? Wie kommt es, daß wir nichts darüber erfahren, ob unsere Vertreterin im Parteivorstand eine Zusammenkunft der führenden Genossinnen aus dem ganzen Reich angeregt hat? Wenn nicht, warum unterblieb es, und wenn ja, warum wird bom Parteivorstand keine Konferenz einberufen? Es muß unter allen Umständen eine Aussprache der Genossinnen herbeigeführt werden. Damit warten, bis der größte Teil der weiblichen Mitglieder der Partei verlorengegangen ist, wäre das verkehrteste, was man tun könnte. Auskunft ist dringend nötig. Marg. Wengels, Berlin .