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Die Gleichheit

habe die I. L. P. jede Verantwortung für den Krieg und die Kriegs­politik der englischen   Regierung abgelehnt. Die Ansprache endete mit einem Ausblick in die Zukunft und auf die Aufgabe der I. L. P., die Betätigung der Arbeiter auf die Errichtung des industriellen und internationalen Friedens in einer Welt freier Männer und Frauen hinzulenten. Das Referat über Friedensbedin gungen hatte Clifford Allen  . Er erklärte, der wichtige Augen­blid sei gekommen für eine Krieg- dem- Kriegpropaganda. Die I. L. P. dürfe damit nicht warten, bis alle Regierungen zum Frieden be= reit seien, denn das könne bis zur völligen Erschöpfung aller Län­der dauern. Es wurde hierauf eine Resolution einstimmig an­genommen, die die Bemühungen der sozialistischen   Genossen in allen kriegführenden Ländern herzlich begrüßt, von den Regie­rungen Klarstellung der Friedensbedingungen zu erlangen. Die Abgeordneten der I. L. P. werden aufgefordert, weiterhin wie bis­her einen Druck auf die Regierung auszuüben, bis sie ihre Bereit­willigkeit versichert, den Frieden durch Verhandlungen herbeizu führen. Die Konferenz forderte ferner die Einberufung des Inter­nationalen Sozialistischen Bureaus, um im Hinblick auf die Frie­densverhandlungen den arbeitenden Klassen in den kriegführenden wie den neutralen Ländern eine wirksame Stimme zu geben. Die Konferenz forderte zum Schluß den Nationalrat auf, eine lebhafte Kampagne zugunsten der Beendigung des Krieges durch Friedens­berhandlungen zu führen.

Bei der Frage Partei und Dienstpflicht gab es lebhafte Debatten. Einem Teil der Delegierten war die Stellungnahme der Leitung nicht scharf genug. Sie verlangten Widerstand gegen das Dienstpflichtgefez um jeden Preis.

Genosse Snowden erstattete den Parlamentsbericht. Demnach hat kein einziges Mitglied der Partei für das Dienst­pflichtgesetz gestimmt. Mit noch größerer Schärfe werden sich min­destens sechs Siebentel der Abgeordneten gegen die neuen Vor­lagen der Regierung wenden. Zwei Mitglieder der Fraktion, Clynes und Parker, haben eine abweichende Auffassung. In der Debatte betonte Macdonald, daß diese beiden die Partei ber­lassen müßten, wenn der Gegensatz der Auffassung dauernd bleibe. Dasselbe müßte bei allen anderen Mitgliedern der Partei der Fall sein. Wer ähnliche Erklärungen abgäbe, wie manche Mit­glieder der parlamentarischen Arbeiterpartei, der hätte keinen An­spruch darauf, als Sozialist betrachtet zu werden.

Eine der wichtigsten Entscheidungen des Kongresses, nicht nur für die Unabhängige Arbeiterpartei und die Gegenwart, sondern für die Zukunft der sozialistischen Internationale fiel über die von der Bermondsehgruppe eingebrachte Resolution, die Stellungnahme zum Krieg betreffend. Sie lautet:

" Diese Konferenz ist der Meinung, daß die Sozialisten aller Na­tionen zu vereinbaren haben, daß fürderhin die sozialistischen  Parteien verweigern sollten, irgendeinen Krieg zu unterstüßen, der von einer Regierung begonnen wird, was auch immer angeb­lich Kriegsobjekt sei, und selbst wenn der Krieg einen defensiven Charakter trage. Die Konferenz ist der Mei­mung, daß die I. L. P.- Delegation dahin zu beauftragen ist, diese Politik der nächsten Internationalen Sozialistischen Konferenz zur Annahme zu empfehlen."

Diese Resolution wurde von Dr. Salter eingehend begründet. Die alte Internationale habe den einzelnen Sektionen nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht auferlegt, die Regierung bei einem Verteidigungskrieg zu unterstützen. Allein es sei sehr gut, vor dem Kriege vom Verteidigungs- und Angriffskrieg zu reden, aber wenn ein Krieg begonnen habe, würde jeder Krieg zu einem Verteidigungskrieg. Die Strategen würden immer sagen, die beste Verteidigung sei der Angriff. Die Sozialisten dürften aber nicht eine besonderé Politik für den Frieden und eine andere während des Krieges treiben. Was für einen Zweck habe es, im Frieden zu erklären Arbeiter der Welt, vereinigt euch!" und ihnen im Kriege zu sagen Schneidet euch die Hälse ab".

Die grundsäßlich entscheidende Resolution wurde nach einiger Debatte mit 235 gegen 3 Stimmen angenommen, also nahezu ein­stimmig. Der Labour Leader" überschreibt den Abschnitt über diese Entscheidung ihrer Tragweite stolz bewußt Gegen alle Kriege: eine historische Entscheidung".

Friedenskundgebungen in der Schweiz  . Der schweizerische Friedensverein entfaltet zurzeit eine lebhafte Tätigkeit. In ver­schiedenen Städten der Schweiz  , so in Bern  , Zürich  , Basel  wurden Friedenskundgebungen unter zahlreicher Beteiligung auch der Behörden veranstaltet. In Basel   waren gegen 2000 Personen anwesend. In den Entschließungen wird auf die allseitige Aus­sichtslosigkeit der Kriegslage hingewiesen und auf die Tatsache, daß etwaige Vorteile, die für die eine oder andere Gruppe noch zu er­

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ringen wären, in keinem Verhältnis zu den furchtbaren Opfern stehen. Es wird deshalb ein Ausgleichsfrieden" gefordert, der jeder Nation das Selbstbestimmungsrecht gewährleistet, ihr Recht auf freie, friedliche ökonomische Entwicklung garantiert, zukünftig das Territorium des Landes vor Angriffskriegen sichert, die all­gemeine Abrüstung gemäß internationalem übereinkommen er­möglicht und die Grundlage zu einer umfassenden internationalen Rechtsordnung schafft". Das ist nun freilich reichlich viel verlangt bon einem Friedenskongreß kapitalistischer Regierungen. Es ist ein Widerspruch in sich, wenn imperialistische Staaten sich gegen­seitig die friedliche ökonomische Entwicklung" garantieren sollen. Gerade diese friedliche ökonomische Entwicklung" ist es ja gewesen, die die Mächtegruppen zum Kriege trieb und immer wieder zum Kriege treiben wird. Die bürgerliche Friedensbewegung mit ihren gutgemeinten Illusionen und Utopien darf den Proletariern den Blick nicht verschleiern für das, was innerhalb der kapitalistischen  Gesellschaftsordnung möglich ist, und das, was erst durch den Kampf um den Sozialismus sich verwirklichen läßt. Immerhin ist die Tatsache dieser Friedensbewegung ein nicht zu unterschätzen­des Zeichen der Zeit. Und der Wunsch, daß eine Konferenz neu­traler Staaten oder ein einzelner neutraler Staat den Friedens­bermittler spiele, kann die Einleitung von Friedensverhandlungen erleichtern. Nur darf man von einem so zustandegekommenen Frieden nicht Ergebnisse erwarten, die eine Wiederkehr der furcht­baren Katastrophe unmöglich machen sollen.

Petersburger Arbeiter demonstrieren für den Frieden. Erst jezt werden Einzelheiten der kriegsfeindlichen Kundgebungen der Petersburger Arbeiter am 22. Januar bekannt, dem Jahrestag des Blutsonntags von 1905. Das Organ der Lenin  - Richtung, der in Genf   erscheinende Sozialdemokrat", veröffentlicht darüber in seiner letzten Nummer( Nr. 53 vom 13. April) folgendes: Schon Mitte Dezember begannen die Petersburger Arbeiter zu berat­schlagen, was sie am 22. Januar unternehmen würden. Das Petersburger( bolschewistische) Parteifomitee empfahl den Nayon­organisationen einen eintägigen Protest streit mit an­schließender Demonstration, und zwar unter der Parole: " Nieder mit dem Krieg, es lebe die Revolution!"

Die Rayonorganisationen nahmen den Plan des Komitees an und begannen ihre Vorbereitungen zu treffen. Das Komitee gab ein besonderes Flugblatt heraus An die Soldaten" und ein anderes über die Bedeutung des 22. Januar". Das Ergebnis dieser Vor­arbeit war, daß am 22. Januar, nach Angabe der Unternehmer, zirka 100 000 Arbeiter in Petersburg   streikten. An der Spitze mar­schierte der Wyborger Stadtteil, in dem sämtliche Betriebe( mit un­gefähr 40 000 Arbeitern) die Arbeit einstellten. In den übrigen Stadtteilen war der Streit nicht allgemein, weil ein Teil der or­ganisierten Arbeiter meist die Anhänger der Mitarbeit in den Kriegsindustrieausschüssen gegen den Streit waren. In einigen Betrieben wurden eine Anzahl Arbeiter gemaßregelt; es fanden auch Verhaftungen von Demonstranten statt, allerdings von be­sonderen Ausschreitungen hielt die Polizei aus Furcht vor der Er­bitterung der Massen sich zurüd.

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über die Kundgebungen selbst schreibt der Sozialdemokrat": ..Während der zahlreichen Demonstrationen am 22. Januar famt es zu Begrüßungsszenen zwischen den Demonstranten und den Sol­daten. So trafen die Arbeiter auf der Wyborger Chaussee mit einem Automobilzug voll Soldaten zusammen. Es kam zu einem freundschaftlichen Austausch von Begrüßungen. Als die Soldaten die roten Fahnen erblidten, entblößten sie die Köpfe und schrien " Hurra"," Nieder mit dem Krieg" usw.

Am Abend des 22. Januar bewegte sich auf den Straßen Sa­balkanskij- Prospekt ein ungeheurer Zug von Arbeitern, Arbeite­rinnen und Soldaten. Die Demonstranten sangen revolutionäre Lieder, hielten Ansprachen, schrien Nieder mit dem Krieg". Die Polizei verhielt sich während der ganzen Zeit reserviert und bat nur die Demonstranten auseinanderzugehen". Die Anwesen­heit von 300 bis 400 Soldaten in der mehr als tausendköpfigen Menge wirkte auf die Polizei beruhigend; sie machte nicht nur nicht den Versuch, die Menge zu zerstreuen, sondern griff nicht einmal zu Drohungen. Die Demonstration währte über eine Stunde und nahm wegen der späten Tageszeit( 11 Uhr abends) in demselben Stadtteil ein Ende."

Frauenarbeit.

Die Heimarbeit in der Kriegszeit. Wie bekannt wird, fand fürzlich im Kriegsministerium eine Konferenz statt, die sich mit der großen Arbeitslosigkeit unter den Heim­arbeiterinnen und den Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung beschäftigte. Man beschloß, die ausgiebigste Heranziehung dieser