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Die Gleichheit
obgleich uns die Kulturgeschichte und die Völkerkunde lehren, daß auf frühen, bestimmten Stufen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung das Backen wie das Mahlen und der Getreidebau zu dem Aufgabenkreis der Frau gehörte.
Fürsorge für Mutter und Kind.
Reichsgesetzlichen Mutterschafts- und Säuglingsschutz hat die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft beim Etat für das Reichsamt des Innern zum Kapitel des Gesundheitsamts gefordert und vertreten. Sie brachte diese Resolution ein:„ Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesezentwurf vorzulegen, wodurch Mutter- und Säuglingsschutz sowie die Geburtshilfe allgemein reichsgesehlich ge= regelt werden."
Eine ähnliche, aber nicht so weitgehende Forderung erhob eine Resolution, die der Abgeordnete Bassermann mit einem Teil der nationalliberalen Reichstagsabgeordneten zusammen einbrachte. Eie bejagt:„ Der Reichstag wolle beschließen: den Herrn Reichsfangler zu ersuchen, einen Gesezentwurf dem Reichstag zur Beschlußfassung vorzulegen, durch den die Leistungen der für die Kriegszeit eingerichteten Reichswochenhilfe zu Regelleistungen der Krankenversicherung gemacht werden."
Auch das Zentrum ist für besseren Mutterschutz eingetreten. Das aber in Berbindung mit vielen anderen Reformwünschen und mit dem Hinweis auf das Ziel, dem Geburtenrüdgang zu steuern. Es brachte die nachstehende Resolution ein:„ Der Reichstag wolle beschließen: Die Anträge Nr. 294 und 308 einem besonderen Ausschuß zu überweisen, mit dem Auftrag, neben den in den Anträgen angeregten Forderungen auch noch sonstige Maßnahmen in Gesetzgebung und Verwaltung( Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten; Ausbau der Reichsversicherung, der Beamtenbesoldung, des Wohnungsgeldzuschusses, der Hinterbliebenenfürsorge, der Steuergesetzgebung usw. im Sinne einer besonderen Berücksichtigung der finderreichen Familien und anderes) vorzuberaten, die geeignet sind, dem bedrohlichen Geburtenrüdgang entgegenzuwirken."
Der Antrag des Zentrums hat leider zunächst die sozialistische Resolution zu Falle gebracht. Sie ist vom Genoffen Kunert in ciner trefflichen Rede begründet worden, mit deren Abdruck wir in folgender Nummer beginnen. Denn sie ist geeignet, dazu beizutragen, außerhalb des Reichstags eine Macht zu schaffen, die die Forderung des Mutter- und Säuglingsschutzes eines Tages zum Siege führt. Diese Macht ist das Wissen, Wollen und Handeln der breitesten Frauenmassen, der Mütter des arbeitenden Volkes, die begreifen, daß sie ihre Kinder und um ihrer Kinder willen sich selbst gesund und start an Leib und Seele erhalten müssen; der Mütter des arbeitenden Volkes, die ihrer Pflicht bewußt find, in ihren Kindern die Zukunft vorzubereiten.
Frauenstimmrecht.
Vom Franenwahlrecht in Schweden . Ein sehr beschränkter Areis steuerzahlender Frauen in Schweden hat fürzlich wieder das Bahlrecht ausgeübt. Am 25. März haben die kommunalen Wahlen zu den Landsthingen( Bezirksräten) stattgefunden, zu denen auch bestimmten fleinen Kategorien befizender Frauen das Stimmrecht zusteht. Als Mitglieder dieser Körperschaften können jedoch Frauen nicht gewählt werden. Über die Beteiligung der Frauen an den Wahlen konnten wir noch nirgends Berichte finden. Von den 24 Lands beziehungsweise Bezirkshauptmannschaften Läne-, in die Schweden eingeteilt ist, haben 23 je ein Landsthing zu wählen, der 24. Län, Kalmar, hat deren zwei. Die Landst hinge find Verwaltungsförperschaften, die für ihren Bezirk über Fragen des Handels-, Gewerbe- und Verkehrswesens, der öffentlichen Hygiene, der Schul- und Volksbildung usw. zu befinden haben. Außerdem steht ihnen aber ein wichtiges politisches Recht zu. Zusammen mit den Bevollmächtigten der fünf größeren schwedischen Städte wählen die Landsthinge die Mitglieder der Ersten Kammer des Reichstags. Da das Wahlrecht zu den Landsthingen an die Steuerleistung gebunden ist und den ländlichen Großgrundbesitz stark begünstigt, hat die Erste Kammer ein ausgesprochen reaktionäres Gepräge. Es ist daher nicht verwunderlich, daß sie sich gegen die Einführung des Frauenwahlrechts sträubt, für die in der Zweiten Kammer die Aussichten nicht ungünstig sind.
Angesichts dieser Sachlage hatten die schwedischen Frauenstimmrechtsorganisationen beschlossen, die politische Macht der weiblichen Wahlberechtigten zu den Landsthingen zu mobilifieren. Die letzte Konferenz dieser Vereinigungen im Januar beschloß,
Nr. 20
daß die lokalen Frauenstimmrechtsgruppen alle Kandidaten zu den Landsthingen zu befragen hätten, wie sie sich zur Einführung des politischen Frauenwahlrechts stellen. Ihre Antworten sollten in der Lokalpresse veröffentlicht und dann zusammengestellt werden. Zweck der Befragung war, die wahlberechtigten Frauen zu veranlassen, in die Landsthinge nur Anhänger der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter zu entsenden und dadurch mittelbar eine frauenrechtsfreundliche Zusammensetzung der Ersten Kammer herbeizuführen. Mit welchem nächsten praktischen Erfolg, das steht dahin, eben weil die Zahl der weiblichen Wahlberechtigten sehr flein ist und zum Teil gerade Frauen von starkkonservativer Gesinnung in sich begreift. Jedenfalls aber wird der eine große Gewinn zu buchen sein, daß die frauenrechtlerische Aktion Frauen und Männer gezwungen hat, fich mit der Frauenwahlrechtsfrage zu beschäftigen. Dabei erwachen die Geister, und der Wille der einzelnen wird zum Handeln für ein gemeinsames Ziel gestählt. Das Wissen, Wollen und Handeln breiter Bevölkerungsmassen aber ist in jeder Beziehung eine treibende Macht.
Das Frauenstimmrecht in der Schweiz . In verschiedenen Kantonen der Schweiz besteht bereits das Wahlrecht und die Wählbarkeit der Frau zu gewissen Ämtern und Behörden. So gehören in der Stadt Zürich der Schulpflege 15 weibliche Mitglieder an, darunter 13 Genoffinnen. Eine Genoffin ist Mitglied der Zentralschulpflege. Die Frauen sind in Zürich auch in die Gewerbegerichte und Armenbehörden wählbar. Seit 1912 fungiert in Zürich ein weiblicher Amtsvormund. Im Gesundheitsamt find Wohnungsinspektorinnen tätig, auch eine Bolizei und Gewerbeinspektorin hat Zürich , letztere ist nicht städtische, sondern katonale, also staatliche Beamtin. Die Kantone Basel Stadt und Luzern haben ebenfalls Ge= werbeinspektorinnen. Im Kanton Tessin sind die Frauen an Stelle der während der Saison abwesenden Männer in allen Gemeindeangelegenheiten stimmberechtigt. Die Frauen haben im Kanton Wallis das gesetzliche Stimmrecht für die Gemeindearmenbehörden. In den Städten Neuenburg und Chaux- de- Fonds besißen die Frauen für die Schul- und Armenbehörden das aktive und passive Wahlrecht, ebenso im Kanton Appenzell . Jm Kanton Genf steht den Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die Gewerbegerichte zu, in den Kantonen Neuenburg Genf und Waadt für die kirchlichen Angelegenheiten.
Kürzlich hat die Geschäftsleitung der schweizerischen so= zialdemokratischen Partei einen Aufruf an die Parteigenoffen veröffentlicht, der sie auffordert, für die Förderung des Frauenwahlrechts einzutreten. Die kantonalen Geschäftsleitungen sollen die nötigen Schritte tun, damit durch eine Revision der Verfassungen und Geseze das Frauenwahlrecht eingeführt wird.
Im Kantonsrat von St. Gallen ist bereits ein sozialdemofratischer Antrag anhängig auf Einführung des Frauenwahlrechts. Die Forderung dürfte für die Schul-, Gemeinde- und Kirchenbehörden verwirklicht werden. Im Berner Kantonsrat wird gegenwärtig ein neues Gemeindegefeß beraten, zu dem die sozialdemokratische Fraktion den Antrag auf Gleichberechtigung der Frauen mit den Männern in den Bestimmungen über das Wahlrecht stellte. Der Antrag wurde einer Kommission zur Prüfung bis zur zweiten Lesung der Gefeßesvorlage überwiesen.
Der Verband der Hausangestellten, Ortsgruppe Hamburg , sucht zum 1. September eine erfahrene
Geschäftsführerin
die zugleich die Kassengeschäfte übernimmt und in allen agitatorischen und schriftlichen Arbeiten bewandert ist. Schriftliche Bewerbungen sind bis 8. Juli dieses Jahres unter ,, Bewerbung" an das Bureau des Verbandes, Hamburg , Besenbinderhof 57 IV zu richten. Gehalt nach Übereinkunft.