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Die Gleichheit

beutels abhängen. An den Präsidenten des Kriegsernährungs­amtes wurde ein dringendes Telegramm gerichtet, worin um so­fortiges Einschreiten gegen den ungeheuerlichen Gemüsewucher auf dem Kölner   Markt ersucht wird. Es herrsche wachsende Er­regung in der Arbeiterklasse und im Mittelstand; es komme zu be­unruhigenden Auftritten auf den Märkten. Natürlich ist auch die Massenspeisung kein Allheilmittel gegen die Lebensmittelnot. Dieser wird nur gesteuert durch sofortige Rückkehr zu normalen, friedlichen Verhältnissen, in denen nicht nur das Wirtschaftsleben, sondern auch die Bewegung der Arbeiterklasse größere Attions­freiheit erlangt.

Von der sozialdemokratischen Frauenbewegung in Baden. Einen erfreulichen Erfolg in der Agitation unter den Frauen haben die Genossinnen des sozialdemokratischen Vereins in Lahr  aufzuweisen, der am 18. Juni seine Vierteljahrsversammlung hielt. Nach dem Geschäftsbericht des Vorsitzenden wurden 28 neue Mit­glieder aufgenommen, darunter 27 Frauen. Zu der recht gut besuchten Parteiversammlung hatten die Genofsinnen die Mehr­zahl der Teilnehmer gestellt. Es fonnte eine eigene Frauen­fettion gegründet werden, deren Vorsitzende sofort gewählt und dem Vorstand der Parteiorganisation zugeteilt wurde. Eine anregende Diskussion fand nach einer populär gehaltenen Erläute­rung der Ziele und Grundsätze der internationalen Sozialdemo­tratie statt. Sie wurde von dem Landtagsabgeordneten Ged= Offenburg gegeben, der das Bedürfnis nach einem Umlernen" in der Partei nicht anerkannte. Mit Befriedigung erfüllt auch die Tatsache, daß alle organisierten Frauen die Gleichheit" erhal­ten und gerne lesen.

Gewerkschaftliche Rundschau.

mg.

Kriegsgewinne und Arbeiterlöhne stehen in schrei­endem Gegensatz. Im Reichstag   ist über die enormen Dividenden der Kriegs- und Nahrungsmittelindustrien manches gesagt worden, das von bürgerlicher Seite bestritten und vom Tische der Regie­rungsverteter als übertrieben bezeichnet wurde. Die von sozial­demokratischer Seite vorgelegten Tatsachen aber konnten trotzdem nicht aus der Welt diskutiert werden. Namentlich in der Berg­industrie sind die Gegensätze zwischen Gewinnen und Löhnen äußerst traß. Dort sind Dividenden von über 30 Prozent keine Seltenheit. Dabei werden noch ungeheure Rücklagen und Abschrei­bungen gebucht, und es gibt Jahresentschädigungen von einigen tausend Mark für die schwere Mühe jedes Herrn Aufsichtsrats, an drei oder vier Sizungen im Jahre teilzunehmen. Die Löhne der Bergarbeiter dagegen find während der Kriegszeit nur um einige Pfennige gestiegen. Im größten Bergarbeiterbezirk, im Ruhr= revier, sind zum Beispiel nach der amtlichen Lohnstatistik inner­halb eines halben Jahres die Löhne pro Schicht gestiegen: für Bergarbeiter von 7,29 Mt. auf 7,62 Mt., für unterirdisch Beschäf= tigte von 4,96 auf 5,15 Mt. und für Arbeiter über Tage von 4,85 auf 4,98 Mt. Der Zuschlag blieb winzig, trob des eifrigen Drängens der Organisation des Bergarbeiterverbandes. Angesichts der unge­heuren Teuerung der Lebensmittel ist die Steigerung" mehr als ungenügend. Man bedenke, daß im Ruhrgebiet   das Pfund Pferde­fleisch 2 Mt. kostet! Welche Reingewinne die Bergherren in der jebigen Zeit einstreichen, dafür nur ein Beispiel. Der Köln­Neu Essener Bergwerksverein beschloß in seiner Ge­neralversammlung, 35 Prozent Dividenden zu verteilen. Trot dieser hohen Belohnung der bekannten tapitalistischen Sparsam­leit" fonnte noch eine Million Mark als Kriegsrücklage beiseite gelegt und dem Aufsichtsrat 283 043 Mt. als Tantieme bewilligt werden. Da der Aufsichtsrat aus elf Personen besteht, so erhält jeder von ihnen 25 731 Mt. Das Amt des Aufsichtsrats ist also in einer Zeit des sozialen Ausgleichs" noch einträglicher, als es schon vordem war. Man vergleiche mit den Tantiemen die kargen Löhne der schwer schaffenden Bergarbeiter, deren harte Entbeh­rungen selbst der Reichskanzler offiziell zugab. Kein Wunder also, wenn in Bergarbeiterkreisen eine große Gärung auftritt. Das Drängen nach Lohnerhöhung ist hier Pflicht, die es durchzuhalten gilt. Auch die Tabatarbeiter verlangen eine Lohnerhöhung, nachdem die vom Reichstag beschlossene Erhöhung der Tabak­abgaben eine erhebliche Verteuerung der Fabrikate bewirken wird. Die bisher den Tabakarbeitern und-arbeiterinnen gewährten Teuerungszulagen von durchschnittlich 5 bis 10 Prozent find so niedrig, daß sie nicht entfernt auch nur annähernd die Spannung zwischen Lohn und Lebensmittelteuerung ausgleichen. Da die Preise für die Fabrikate doch erhöht werden müssen, fönnen auch gleich höhere Löhne mit eingerechnet werden. Die Vorstände und Funktionäre der drei Arbeiterorganisationen im Tabakgewerbe

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freie Gewerkschaften, Hirsch- Dundersche und Christliche  - be­schlossen auf einer gemeinsamen Konferenz ein entsprechendes Vor­gehen. An alle Unternehmer soll ein Schreiben gerichtet werden, in dem eine Lohnerhöhung von 25 Prozent gefordert wird unter Anrechnung der während des Krieges bewilligten Lohn- und Teue­rungszulagen.

In der Glasindustrie hat der Mangel an Soda, die zur Herstellung des Glases gebraucht wird, Betriebseinschränkungen verursacht, die für die Arbeiter eine starke Verdiensteinbuße im Gefolge haben. Eine Konferenz von Vertretern der für die Glas­industrie maßgebenden Verbände beschäftigte sich mit der Situa­tion. Außer einer Rücksprache mit Regierungsvertretern, damit eine Regelung der Fabrikation eintritt, forderte sie eine Lohn­erhöhung, die mindestens 10 Prozent betragen müsse. Die Zahl­stellen der Verbände werden aufgefordert, zu veranlassen, daß die Arbeiterausschüsse sofort bei den Unternehmern mit dieser Forde­rung vorstellig werden.

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M

Die Tertilarbeiter Erwerbslojen Unterstüt- zung bietet immer wieder Anlaß zu großen Beschwerden. Die für die Bekleidungsindustrie maßgebenden Verbände der Schnei= der, Textilarbeiter, Wäschearbeiter, Filzschuh= arbeiter und Hutmacher   hielten deshalb eine Konferenz ab, um die Unzulänglichkeit und die Mißstände der Erwerbslosen­unterstützung zu besprechen, die namentlich in Sachsen   besonders zutage treten. Die Konferenz beauftragte die Vorstände, beim Mi­nisterium für die folgenden Verbesserungen einzutreten: die Unter­stübungssäße sind um mindestens 50 Prozent zu erhöhen; der Lohn oder eine kleine Rente von 6 Mt. wöchentlich bei Männern und von 3 Mt. bei Frauen ist nicht in Anrechnung zu bringen; höhere Einkommen dürfen nur zu zwei Dritteln angerechnet werden. Weiter beschäftigte sich die Konferenz mit dem in lezter Zeit her­vorgetretenen Bestreben, Textilarbeiter und-arbeiterinnen der Landwirtschaft zuzuweisen, Schon bei Beginn der Unterstützungs­aktion im August vorigen Jahres hatte die Textilarbeiterorganisa­tion dagegen Einspruch erhoben. Sie wünschte, daß die arbeits­losen Textilarbeiter anderen Industrien zugeführt würden. In Tester Beit ist es trotzdem vorgekommen, daß Arbeiter und Ar­beiterinnen der Textilindustrie in größerer Anzahl für landwirt­schaftliche Arbeiten geworben wurden, und das mit der Drohung, bei Weigerung ihrerseits ihnen die Unterstützung zu entziehen. Die Konferenz erhob dagegen Einspruch. Sie stützte sich dafür auf fol­gende Gründe: Die landwirtschaftlichen Arbeiten, namentlich die Erntearbeiten, sind für Textilarbeiter zu anstrengend. Für viele Personen wird die Wiederverwendung im früheren Beruf durch landwirtschaftliche Arbeiten sehr erschwert. Die jugendlichen Arbei­ter, die man fern von der Heimat auf großen Rittergütern unter­bringt, werden der elterlichen Fürsorge und Erziehung entzogen. Die jugendlichen Arbeiterinnen insbesondere sind schweren sitt= lichen Gefahren ausgesetzt, weil auf den großen Gütern ein unter­schiedsloses Zusammenleben mit Kriegsgefangenen und ausländi­schen Arbeitern in primitiven Unterkunftsräumen und Massen­quartieren üblich ist. Die Konferenz erhob auch Einspruch gegen die Verwendung von Arbeiterinnen zu schweren körperlichen Ver­richtungen, wie Steine tragen usw. Sie sprach die Erwartung aus, daß den Textilarbeitern und-arbeiterinnen geeignete Beschäfti­gungen bei ausreichender Entlohnung angeboten werden. #

Genossenschaftliche Rundschau.

Am 19. und 20. Juni wurde in Hannover   der 13. Ge= nossenschaftstag des Zentralverbandes deut­ scher   Konsumbereine abgehalten. Der Bericht des Vor­standes brachte in erster Linie ein Referat über die Entwid= Iung des Zentralverbandes. Demnach haben sich die Non­sumbereine während der Kriegszeit nicht nur gut gehalten, sondern sie haben gerade in dieser Zeit ihre Nüblichkeit und Zweckmäßig­feit erwiesen. Der Referent glaubte, einen Dank an Heer und Flotte" abstatten zu sollen und wies in Verbindung damit darauf hin, daß die wirtschaftliche Rüstung" Deutschlands   nicht ausge­reicht habe. Daraus schloß er, daß in Zukunft besonders Konsum­vereine und landwirtschaftliche Genossenschaften mehr zusammen­arbeiten müßten. Der Wunsch ist alt. Seine Verwirklichung schei­terte bisher an der Tatsache, daß beide Genossenschaftsarten gegen= fäßliche Interessen haben, soweit die landwirtschaftlichen Genossen­schaften als Produzenten und Verkäufer, die Konsumvereine aber als Abnehmer der Waren in Frage kommen. Daran wird auch der Krieg nichts ändern. Der Referent ging aber auf diese Seite der Frage nicht ein. Zu dem angedeuteten Interessengegensatz fom­men noch sozialpolitische Gesichtspunkte, die auch fernerhin wehr­