Nr. 21
Die Gleichheit
schieden auch für Bessergestaltung der Arbeiterinnenverhältnisse eintritt. In ihrem Neujahrsartikel 1916 schrieb Sylvia Pankhurst : „ Wir müssen jede Möglichkeit ergreifen, um die Sache unserer Befreiung zu beschleunigen. Wir müssen immer daran denken, daß der Besitz des Stimmrechts das Streben nach jedem Ziel erleichtern wird, das wir erreichen wollen. Wir müssen fortfahren, die Flagge der arbeitenden Frauen hochzuhalten und müssen standhafter als je danach streben, daß soziale Übel beseitigt und durch gute und gerechte Bedingungen ersetzt werden."
Sylvia Pankhurst ist eine überzeugte Pazififtin, fie war voriges Jahr zu dem internationalen Frauenfongreß im Haag gemeldet, crhielt aber von ihrer Regierung keinen Paß. Die Friedensbewegung unter den politisch tätigen Führerinnen der Frauenbewegung in England stand von Anfang an auf viel breiterer Grundlage als in anderen friegführenden Ländern. Sylvia Banthursts unermüdliche Friedensagitation findet daher kräftige Unterstützung.
F. P.
Selma Lagerlöf über die Friedensaktion der Frauen. Es ist mehr als ein Jahr verflossen, seit der Internationale Frauenfongreß im Haag getagt hat, der in der organifierten Frauenwelt Deutschlands so verschiedenartig aufgefaßt worden ist. Jetzt erst erhielt ich den Kongreßbericht, der einen stattlichen Band von über 300 Seiten füllt und von dem Inter= nationalen Frauenausschuß für dauernden Frieden in Amsterdam bezogen werden kann. Es wird später über diesen Bericht manches zu sagen sein. Heute möchte ich in möglichst getreuer Übersetzung einen Brief mitteilen, den die berühmte schwedische Dichterin Selma Lagerlöf an den Kongreß gerichtet hat. Er lautet:
„ Obgleich ich nicht zu hoffen wage, daß es dem Frauenkongreß im Haag gelingen wird, den jezt wütenden Krieg abzukürzen, betrachte ich dennoch diesen Kongreß von Frauen der kriegführenden und neutralen Länder, mitten in der Siedehibe des großen Weltfonflifts, als eines der Ereignisse, die als Marksteine in der Geschichte der Welt verzeichnet werden. Ich glaube, daß, nachdem nun die edle Erfahrung einer gemeinsamen Handlung für den Frieden vorliegt, die Frauen nimmermehr wünschen werden, von ihrem Eintreten für den Frieden abzulassen.
Es scheint schon, als ob die ganze Frauenstimmrechtsbewegung, die das Netzwert ihrer Zweige über alle Länder ausbreitet, lediglich zu dem Zweck entstanden sei, in dieser Zeit der Not sich als ein Organ zu betätigen, das die Friedenssehnsucht, den Friedenswillen der Nationen zum Ausdruck bringt. In Zukunft, glaube ich, werden die Frauen erkennen, daß die Stimmrechtsbewegung auch eine Friedensbewegung sein muß. In dem Maße, als ihr sozialer Einfluß wächst, muß ihre erste Pflicht sein, die Welt vor Zerstörung zu bewahren. Sie muß verstehen, daß diejenigen, die nie Waffen getragen haben, dazu ausersehen sind, soviel Liebe und Verständnis der Nationen fürcinander zu säen, daß Kriege in Zukunft unmöglich werden. Sie muß allmählich unsere Regierungen überzeugen, daß Gerechtigkeit und Ritterlichkeit ebenso zwischen Nationen wie zwischen den einzelnen Menschen geübt werden sollten. Sie muß überall den Glauben und den guten Willen pflegen, durch die die Millionenheere gezwungen werden können, ihre unnüßen Waffen fortzuwerfen.
Ich hoffe, daß der Haager Kongreß den Frauen die Augen öffnen wird für ihr ureigenstes Werk in der Geschichte der Welt. Ich wünsche, daß er den Anstoß zur Schaffung des Weltfriedens geben wird, der kommen muß."
Wir hören so oft und so laut aus Schweden die Stimmen der sogenannten Aktionisten, der Leute, die ihr Land in die blutigen Wirbel des Weltkrieges stoßen wollen. Wir stellen ihnen die Mahnungen zum Friedenswerk entgegen, zu dem die Frauen aller Län= der von einer Frau gerufen werden, die zu den hervorragendsten Geistern Schwedens zählt. Frida Perlen , Stuttgart .
Frauenstimmrecht.
Der Deutsche Frauenstimmrechtsbund gegen unrichtige Behauptungen im Preußischen Herrenhaus . In Nummer 18 der ,, Gleichheit" berichteten wir von dem Vorstoß, den die Frauenrechtsgegner im Preußischen Herrenhaus gegen die Einführung auch nur des kommunalen Frauenwahlrechts unternommen haben. Im Eifer des Gefechts haben nun die edlen und wohlweisen Ritter des Ewiggestrigen mit unrichtigen Behauptungen gefochten. Das hat die erste Konferenz des Deutschen Frauenstimmrechtsbundes zu Frankfurt a. M. veranlaßt, sich mit der Sache zu befassen. Sie beschloß, dem Präsidium des Preußischen Herrenhauses folgende Erflärung zu unterbreiten:
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" In der achten Sibung des Hauses am 31. März 1916 ist eine Petition von Professor Dr. Langermann- Kiel besprochen worden, in welcher namens des Bundes gegen die Frauenemanzipation Ablehnung des kommunalen Frauenwahlrechts beantragt wird. In der Verhandlung stellte Professor Neuber zur Befürwortung der Petition unter anderem die Behauptung auf, daß in fieben Staaten der nordamerikanischen Union das Frauenstimmrecht mit großer Mehrheit wieder abgeschafft worden, und daß hinsichtlich der australischen Kolonien in nächster Zeit ähnliches zu erwarten sei. Diese Behauptungen widersprechen den Tatsachen und der Wahrheit. Der Deutsche Frauenstimmrechtsbund ersucht das Präsidium, das Hohe Haus davon in Kenntnis zu sehen, nachdem in der Sizung offenbar keine über die Ausbreitung des Frauenstimmrechts soweit orientierte Persönlichfeit anwesend war, um die vorgebrachten Irrtümer unmittelbar berichtigen zu können, die Frauen selbst aber zurzeit innerhalb der gesetzgebenden Körperschaften noch keine Gelegenheit dazu haben. Da beschlossen wurde, die Petition dem Reichskanzler als Material zu überweisen, ersucht die Konferenz, ihm auch von dieser Berichtigung der behaupteten Tatsachen Kenntnis zu geben."
Gleichzeitig ging an Professor Neuber, Kiel , ein Brief ab, der die gleichen Feststellungen enthält und an den Herrn das folgende höfliche Ersuchen richtet:" Den unterzeichneten Beauftragten der Konferenz das Material nennen zu wollen, aus welchem Sie die irrtümlich berichteten Angaben über den Rüdgang des Frauenstimmrechts in Amerika und in Australien schöpften, um solche trübe Quellen, aus denen politische Unwahrheiten weltweit verbreitet werden können, an ihrem Ursprung verstopfen zu können." Das Gemeindebürgerrecht der Frau in der Zweiten Würt tembergischen Kammer. Am 15. Juni wurde im Württembergischen Landtag über das Gemeindebürgerrecht der Kriegsteilnehmer beraten, die längere Zeit nicht imstande sind, Steuern zu bezahlen und trotzdem ihrer Rechte nicht verlustig gehen wollen beziehungsweise das Bürgerrecht zu erwerben beabsichtigen. Dies soll ihnen ohne Rücksicht auf die Steuerzahlung ermöglicht werden. In diesem Busammenhang haben die beiden Redner der Sozialistischen Ver einigung( Fraktion der Sozialdemokratie grundsätzlicher Richtung) die alte Programmforderung nach dem vollen Bürgerrecht der Frauen energisch erhoben.
Es genüge nicht nur, die Bürgerrechte der Kriegsteilnehmer zu schüßen, es müsse sich auch darum handeln, altes Unrecht gut zu machen, führte Genosse Hoschka aus. Das württembergische Gemeindeangehörigkeitsgesetz stammt aus dem Jahre 1885. Damals waren in Württemberg verhältnismäßig wenig Frauen industriell erwerbstätig. Heute dagegen gibt es kein Gewerbe mehr, in dem nicht eine große Anzahl Arbeiterinnen beschäftigt sind. Ein Blick in die Staatsbetriebe, in die Fabriken, in die Bureaus beweist das. Und diese vielen erwerbstätigen Frauen haben alle nichts mitzusprechen in der Gemeindepolitik. Die Regierung selber hat zugegeben, daß die Frauen außerordentlich beteiligt find an den öffentlichen Aufgaben und Zweden . Warum sie dann bei der Ausarbeitung dieses Gefeßentwurfs nicht daran gedacht habe, auch den Frauen Rechte zu geben, damit sie sich für das allgemeine Wohl noch mehr betätigen könnten als bisher. Das Volf wolle lieber weniger schöne Reden und mehr Taten, mehr Rechte. Der Redner forderte in diesem Zusammenhang auch die Herabsehung des Wahlrechtsalters auf das 20. Lebensjahr. Wenn Leute mit 17 und 18 Jahren für fähig gehalten werden, die Gewaltpolitik des Krieges zu treiben, so können sie aus der ruhigen Gemeindepolitik nicht ausgeschaltet werden.
Der zweite Fraktionsredner, Genosse Me ft meher, erhob in seiner Rede ebenfalls die Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Den Frauen liegen in diesem Kriege die härtesten Pflichten ob. Sie führen jekt den Kampf ums tägliche Brot für ihre Kinder, auf ihren Schultern ruht vielfach die ganze Last der Arbeit, die dem Manne sonst oblag, dazu kommen noch die schweren Pflichten der Mutter. Gerade die Landwirtschaft wird jetzt zum großen Teil von Frauen besorgt. Die Frau adert und sät, die Frau pflügt und mäht, fie schafft in der Fabrik, in der Werkstatt, fie sucht den Gewerbebetrieb ihres Mannes aufrechtzuerhalten, fie müht fich am Backofen, am Schraubstock. Kurz, die Frau ist es, die hinter der Front das Wirtschaftsleben aufrechterhalten muß. Jetzt gelte es, das Walter der Frau nicht nur zu preisen, sondern praktische Kon= sequenzen daraus zu ziehen, der Frau die gebührenden Rechte einzuräumen. Aber für diese Forderung erhoben sich keine Stimmen. Die Freifinnige Volfspartei gebärdet sich manchmal frauenrechtsfreundlich, wenigstens bei Banketten und im Reichstag. Im Württembergischen Landtag hielt es ihr führender Kopf, Herr Konrad Haußmann für angebracht, seine alte Abneigung gegen das